Spekulation auf Silber

Das Gold des kleinen Mannes

Weltweit haben Investoren das Silber neu entdeckt. Aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, schickt sich das dezente Edelmetall an, seinen Rückstand auf die Entwicklung des Goldpreises aufzuholen. Private Anleger, die gezielt einen Einsatz riskieren möchten, informieren sich zuvor über die Gefahren, die in diesem Spiel lauern.

Frei nach Deutschlands Dichter Johann Wolfgang von Goethe drängt derzeit alles zum Golde. Der Preis des gelben Metalls erreichte im Oktober mit 480 Dollar pro Feinunze seinen höchsten Stand seit 17 Jahren. Institutionelle wie private Anleger horten Gold in Barren oder auf dem Papier, um sich so gegen eine steigende Inflation abzusichern. Der Preis ist ziemlich hoch. Experten räumen ihm allerdings Chancen ein, auf 500 Euro pro Unze zu steigen.

Silber dagegen hinkt deutlich hinterher. Zwar sprang sein Preis seit Oktober 2003 bis April 2004 von 4,79 auf 8,43 Dollar pro Unze, schwankt aber seither zwischen 6,50 und 8,40 Dollar. Investoren gehen davon aus, dass der Preis für das dezente Metall bald ausbrechen wird – nach oben!

Damit rechnen auch die amerikanischen Großinvestoren George Scoros, Warren Buffet und Bill Gates. Vor zirka zwei Jahren investierten sie viele Millionen Dollar in Silber und Minenaktien. Mit gutem Grund: Sie rechnen mit einer deutlichen Erholung des Silberpreises.

Bestimmt kennen sie die Leidensgeschichte ihrer Vorgänger: Die amerikanischen Brüder Herbert und Lamar Hunt machten in den siebziger und achtziger Jahren bittere Erfahrungen mit der heißesten Spekulation, die wohl jemals mit Silber unternommen worden ist. Auch sie entdeckten Silber als unterbewertete Geldanlage. Mit massiven Aufkäufen trieben sie den Unzenpreis von drei Dollar in 1973 auf 52 Dollar in 1980.

Dann kam das böse Erwachen. Die New Yorker Warenterminbörse Comex änderte ihre Handelsregeln: Der Silberpreis sank auf vier Dollar, die Hunt- Brüder verloren zwei Milliarden Dollar.

Soweit werden es die erfahrenen Milliardäre Scoros, Gates und Buffet wohl kaum kommen lassen. Sie setzen auf die Knappheit des Metalls und seine zunehmende Verwendung in der Industrie. Denn anders als beim Gold legt sich kaum jemand Silberbarren in den Safe.

Silber findet seine Verwendung zwar nicht mehr in der Münzprägung und befindet sich dank der Digitaltechnik ebenso in der Fotografie auf dem Rückzug. Doch als Rohstoff prunkt es mit seinen einzigartigen physikalischen Eigenschaften. Es ist extrem formbar, leitfähig und haltbar. Darüber hinaus schätzen Mediziner seine keimtötende Wirkung. Silber- Ionen wirken gegen Pilze, Viren und Bakterien. Das wussten schon die Quacksalber im Mittelalter.

Für nützliche Zwecke entdeckt wurde es schon viel früher. Bereits seit dem fünften Jahrtausend vor Christus verarbeiten die Menschen Silber. Die Ägypter, Griechen, Römer und Germanen schätzten es mehr als Gold. Die Griechen verfügten über eine sehr ergiebige Mine und prägten um 600 vor Christus die ersten Münzen; seine Bedeutung als Münzmetall behielt Silber bis ins 20. Jahrhundert hinein. Im 16. Jahrhundert entdeckten die Südamerikaner Silber: Vor allem die mexikanischen und peruanischen Bergwerke erlangten wegen ihres Reichtums Weltruhm.

Seine Bestimmung findet Silber in der Zukunft vor allem in seiner Verwendung für langfristige Datenspeicher, elektronische Sensoren, spannungsstabile Batterien und vor allem als Hochtemperatur- Supraleiter. Vorstellbar wäre sogar sein Einsatz bei einem unterirdisch verlegten Energieversorgungsnetz. Für alle diese Verwendungsmöglichkeiten werden Unmengen von Silber benötigt. Das Angebot auf dem Markt und auch die bekannten Vorräte reichen bei weitem nicht aus: anders als Gold wird Silber so gut wie gar nicht gehortet. Seit Jahren herrscht ein beständiges Defizit auf der Angebotsseite. Im vergangenen Jahr betrug die Produktion rund 880 Millionen Unzen. Davon gingen 367 Millionen in die Industrie. Zu Schmuck wurden 247 Millionen Unzen verarbeitet. 181 Millionen verbrauchte die Fotografie. Nimmt man den recycelten Anteil Silber hinzu, reicht die Menge trotzdem nicht aus, um den Bedarf zu befriedigen.

Dieser Zustand währt nun immerhin schon rund 14 Jahre. Dennoch scheint es so, dass die Lücke immer wieder gestopft wurde. Experten vermuten, dass vor allem die Chinesen und andere Notenbanken das Defizit zwischen Angebot und Nachfrage aus ihren Reserven ausgleichen. Nur so lässt sich der über die Jahre hinweg relativ konstante Preis erklären. Doch inzwischen haben die Lager sich geleert. Obwohl Silber in der Erde sehr viel häufiger vorkommt als Gold, wird es nicht separat gefördert. Vielmehr gilt Silber als ein Nebenprodukt bei der Gewinnung anderer Rohstoffe, vor allem bei der Förderung von Gold, Zink, Kupfer und Blei. Die Suche speziell nach Silber hat sich wegen des niedrigen Marktpreises bislang nicht gelohnt. Die Fördermenge hängt also von der Nachfrage der Industrie nach den anderen Metallen ab.

Lohnen könnte sich eine eigenständige Förderung, wenn – wie die Zeitschrift Capital berichtet – die Strichcodes zur Preisangabe auf Waren demnächst möglicherweise von silberhaltigen Mikrofunkchips abgelöst werden. Über die Einführung dieser revolutionierenden RFID-Technik entscheidet demnächst die International Standardization Organisation (ISO). Kommt es zu der Umstellung, dann könnte der Bedarf an Silber – so schätzt es jedenfalls das Fraunhofer Institut – um 50 Prozent steigen. Und sein Preis ebenso.

Anleger, die von diesen Aussichten profitieren wollen, können ihr Geld auf verschiedene Weise in Silber investieren:

• Wer sich für den Kauf von Barren entscheidet, braucht unter Umständen viel Platz in seinem Safe. Denn bei dem derzeit noch niedrigen Preis stapeln sich bei einem Einsatz von 10 000 Dollar rund 44 Kilogramm Silber. Zudem fallen anders als bei Gold zusätzlich 16 Prozent Mehrwertsteuer an.

• Weniger schwer gewichtig aber mit Risiken behaftet ist Papiersilber. Deshalb eignen sich am ehesten Bonuszertifikate, die einen Risikopuffer eingebaut haben und trotzdem den Anleger voll an den Erträgen teilhaben lassen. So beträgt der Puffer bei einem Bonuszertifikat der niederländischen Bank ABN Amro 20 Prozent. Das heißt: Bei einem Silberpreis von beispielsweise 7,13 Dollar liegt die Grenze bei 5,70 Dollar. Berührt oder unterschreitet der Metallpreis diese Barriere, bekommt der Anleger seinen Einsatz plus 29 Prozent Bonus zurück. Sinkt der Kurs ohne die Untergrenze zu tangieren, erleidet der Käufer einen entsprechenden Verlust. Eine andere Variante verfügt über einen 35-prozentigen Bonus. Zwar gibt es in diesem Fall keinen Bonus bei Nichtberühren der Schwelle. Dafür gibt es aber den Einsatz minus Spread zurück. Gewinne nimmt der Anleger voll mit.

• Nur für besonders Wagemutige eignen sich die stark schwankenden Minenaktien wie die amerikanische Cia Minas Buenaventura oder Silver Wheaton. Wie auch immer sich ein Silberfan entscheidet: Der Anteil Silber an seinem Depot sollte weniger als fünf Prozent betragen.

Im Schmuckkasten hingegen darf der Bestand ruhig etwas höher ausfallen. Denn Silberschmuck kann sich eigentlich jeder beziehungsweise jede leisten, die Spaß an schön gestalteten Stücken hat. Die Kosten für das Material spielen dabei kaum eine Rolle, den Preis entscheiden die Gestaltung und die handwerkliche Arbeit. Liebhaber von Silberschmuck oder -gerätschaften wie Besteck, Tabletts oder Schalen wissen, dass erst der Stempel 925 den hohen Silberanteil bestätigt. Zu den angesehensten Silberschmieden gehört nach wie vor die dänische Manufaktur Georg Jensen. Die Skandinavier gestalten nicht nur Schmuck, sondern vor allem auch Tischgerät nach alten Vorlagen und in zeitgenössischem Design. Auch deutsche Namen wie Robbe & Berking oder Pott stehen für hohe Qualität bei Tafelsilber. Besonders wertvolle antike Stücke findet man häufig in Auktionen. Dabei ist es ratsam, die Objekte selbst in Augenschein zu nehmen, bevor der Hammer fällt. Denn auf dem Bildschirm lassen sich zum Beispiel ein Tafelaufsatz aus dem 18. Jahrhundert oder ein Dutzend Platzteller kaum ausreichend begutachten.

Silber, zu schönen Dingen verarbeitet, verspricht so manchem Ästheten einen weitaus höheren Gewinn als die heiße Spekulation mit Barren und Aktien.

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