Vertreterversammlung der KZBV in Köln

Mitwirken und mitbestimmen

Während die Koalition im Schatten der WM still die ersten Schräubchen der Reform festzieht, lud die KZBV am 7. Juni zur VV in Köln ein. Umfassend erörterten die Zahnärzte im Parlament das Trachten der Regierung, die freiberuflichen Strukturen einzureißen. Dieses Debakel wollen die Delegierten nicht nur verhindern. Sondern vielmehr durchsetzen, dass das Berufsrecht im Sinne von Praxen und Patienten flexibilisiert wird. Ein Ziel, das man freilich nur dann erreicht, wenn der zahnärztliche Berufsstand weiterhin wie eine Mannschaft zusammensteht und sich aktiv in die Politik einschaltet.

Nicht nur auf dem Fußballplatz entscheidet der vielbeschworene Mannschaftsgeist über Sieg und Niederlage. Auch in der Zusammenarbeit zwischen KZBV und KZVen oder KZBV und BZÄK ist Teamwork derzeit wichtiger denn je – darin sind sich die Delegierten einig. „Nur wenn die Körperschaften Schulter an Schulter stehen, statt ihre Territorien gegeneinander abzugrenzen, können wir unsere Ziele bei der Gesundheitsreform erreichen“, macht der Vorsitzende der Vertreterversammlung, Dr. Georg Pochhammer, gleich zu Anfang der Sitzung deutlich.

Etwa beim Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, kurz VÄndG. Geschlossen formulierten KZBV, KZVen und BZÄK ihre Kritik am Referentenentwurf und machten konstruktive Vorschläge, wie man das Gesetz im Sinne von Ärzten und Patienten korrigieren kann. „Ziel des Entwurfs ist eine Liberalisierung des Berufsrechts, die dem Vertragszahnarzt die Möglichkeit gibt, flexibel auf veränderte Berufssituationen zu reagieren“, schildert der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz, die Ausgangslage. Eine im Grundsatz begrüßenswerte Absicht. Allerdings, so Fedderwitz, war die Vorlage beileibe nicht zu Ende gedacht: Bleiben die dort fixierten Maßnahmen doch solange lückenhaft, wie die berufsrechtliche Liberalisierung nicht mit einer entsprechenden Liberalisierung des Gesamtsystems einhergeht.

„Für uns heißt Liberalisierung: keine Bedarfsplanung, keine Wirtschaftlichkeitsprüfung, keine Budgetierung und keine Degression“, stellt Fedderwitz klar. „Dafür endlich eine patientenfreundliche Kostenerstattung!“

Mut zum Wettbewerb

Insgesamt greift den Zahnärzten das Gesetz zu kurz. Und gerade weil der Entwurf noch große Macken hat, sollte man jetzt nicht den Rückzug antreten, sondern weiterhin versuchen, aktiv das Gesetz zu verbessern, lautete mehrheitlich die Devise der Delegierten. Will die Regierung etwa die Möglichkeit erweitern, Zahnärzte anzustellen, und verhindert dabei zugleich, dass der Vertragszahnarzt mit eben diesen angestellten Behandlern mehr erwirtschaftet, beißen sich Liberalisierung, gedeckelte Budgets und Degression gewaltig. Eben diese Widersprüche gilt es aufzulösen.

Gleich lange Spieße

„Es ist doch absurd, eine Liberalisierung des Gesundheitswesens abzulehnen“, bestätigt KZBV-Vize Dr. Wolfgang Eßer. „Wir sollten den Mut haben, uns von den auferlegten staatlichen Regelungen zu verabschieden.“ Im Ergebnis müsse das VÄndG so umformuliert werden, dass neue Unternehmensformen gleichgestellt neben tradierten stehen. Nicht dass im Ergebnis neue Unternehmensformen längere Spieße haben als die angestammte Einzelpraxis.

„Nur wenn der niedergelassene Zahnarzt dieselben Chancen und Risiken hat wie ein MVZ, dann haben wir das, wonach wir seit 20 Jahren rufen: Wettbewerb!“

Der Schutz des niedergelassenen Zahnarztes – dieses Anliegen steht für die Standespolitiker ganz oben auf der Agenda. Dr. Otto Walter, Rheinland-Pfalz, fasst ihre Sorge in einen Satz: „Die Einzelpraxis hat im schrankenlosen Wettstreit mit den Konzernen keine Chance.“ Die Antwort darauf könne seitens der Zahnärzteschaft nur eine sein, betont Dr. Dietmar Gorsky aus Westfalen-Lippe: „Hier sind KZBV und KZVen in der Pflicht, Strukturen aufzubauen, die der Bedrohung seitens fremder Kapitalgebern entgegen wirken.“ Ralf Wagner, Nordrhein, ergänzt: „Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass wir die Besonderheiten des Zahnarztes als Generalist herausstellen, und zwar im Unterschied zu den Facharztgruppen der Ärzte“.

Ein Punkt, dem auch Fedderwitz maßgebliche Bedeutung zumisst: Nur durch beharrliche Kärrnerarbeit sei es gelungen, dem BMG klarzumachen, dass nicht alles, was für die Vertragsärzte gut ist, sich auch für die Zahnärzte als segensreich erweist. „Alles in allem haben wir im Gesetz manchen Fehler ausbügeln können“, präzisiert KZBV-Vize Dr. Günther E. Buchholz. „Nehmen wir die Praxisgebühr: Mahnen werden weiterhin die Kassen. Eine Sensibilisierung der Politik haben wir also erreicht – der Entwurf konnte bereits erheblich entschärft werden.“

Freiberuflichkeit wird schleichend demontiert

Klar sei aber auch, dass die Freiberuflichkeit in ihrer zukünftigen Wertigkeit auf dem Prüfstand stehe. „Dafür brauchen wir nicht einmal wiedererweckte Poliklinikstrukturen oder AOK-Ambulatorien“, bemerkt Fedderwitz. Die freiberuflichen Strukturen würden vielmehr von den eigenen Leuten zerbröselt, und zwar via MVZ. Auch Zahnärzte ließen sich eben durch scheinbar attraktive Angebote locken. „Am Ende steht die Einzelpraxis vor dem Ausverkauf.“

Festzuschüsse sind und bleiben darum der richtige Rahmen, um eine nachhaltige zahnmedizinische Versorgung zu gewährleisten. Fedderwitz: „Die Festzuschüsse schaffen Zugang zum medizinischen Fortschritt, garantieren Therapiefreiheit jenseits finanzieller Fesseln des Systems und berücksichtigen gleichzeitig die existenziellen Grundlagen unserer zahnärztlichen Berufsausübung.“

Für ihren politischen Weg brauche die KZBV deshalb Klarheit – letztlich müssen die Strukturen des Berufsstandes auch morgen freiberuflich geprägt sein. „Wir brauchen Wettbewerbsstrukturen, in denen der niedergelassene Zahnarzt eine Chance hat und nicht als Einzelkämpfer der Marktübermacht von Kassenoligopolen, Einkaufsmodellen und MVZ ausgeliefert ist“, betont der KZBVChef. Dazu gehöre ein Wettbewerb um Qualität und Leistung – kein destruktiver Verdrängungskrieg um den niedrigsten Preis. Um die Meilensteine des Gesundheitswesens zu bewahren – wie etwa die freie Arztwahl als Garant der patientengerechten Versorgung – sei eine starke Selbstverwaltung unverzichtbar. Klar ist, dass die zahnärztlichen Organisationen angesichts der Bestrebungen seitens der Politik, diese Strukturen peu à peu zu unterlaufen, vor erheblichen Herausforderungen stehen: Sie werden

• sich dem Strukturwandel offensiv stellen müssen und die Zahnärzteschaft darin unterstützen, ihn erfolgreich zu bewältigen

• auch weiterhin da ein Gegengewicht sein, wo die Marktmacht der Krankenkassen sonst verbrannte Erde hinterlässt

• für den Erhalt von Kollektivverträgen kämpfen, damit in der zahnärztlichen Versorgung kein Heuschreckenwesen durch fremde Kapitalgeber Fuß fasst

• die vorhandenen Spielräume in der Gesundheitspolitik nutzen und eine „Versozialrechtlichung“ des Berufsstandes verhindern

• im Fokus ihrer berufspolitischen Arbeit steht nach wie vor der einzelne Zahnarzt, egal, ob angestellt oder Freiberufler.

Verkehrte Welt

Dass der Zahnarzt mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt der Arbeit von KZBV und KZVen steht, wird besonders im Fall der elektronischen Gesundheitskarte deutlich. „Bei der eGK werden die Zahnärzte kraft SGB V zur Mitarbeit gezwungen, obwohl klar ist, dass der Nutzen für sie gegen Null geht“, betont Telematikexperte Buchholz. „Angesichts der Tatsache, dass zum einen immer noch kaum verabschiedete Spezifikationen der Prototypen für Karten und Lesegeräte existieren, zum anderen BMG und Länder bei den Tests in blinden Aktionismus verfallen, können wir froh sein, dass es uns gelungen ist, die Zahnärzte aus diesem Chaos so lange wie möglich herauszuhalten“. Anders als die Ärzte bleiben die Zahnärzte bei den 10 000er Tests außen vor und werden erst bei den 100 000er Tests, nicht eher als 2008, eingebunden.

Buchholz: „In Deutschland gehen wir einen vollkommen widersinnigen Weg. Statt eine Gesellschaft zu gründen, die nicht die Vorgaben der Selbstverwaltung umsetzen kann, sondern unter Weisung des BMG arbeitet, hätte man die Vorgaben besser direkt an die Industrie gegeben, die dann ihrerseits die Hardware konzipiert.“ Österreich ist diesen Weg über die Industrie gegangen und schon fertig. „Wir hingegen krebsen weiter herum, weil das BMG durch völlig unrealistische Zeitvorgaben eine stringente Arbeit unmöglich macht. Laut gematik starten die 10000er Tests daher frühestens im Februar 2007, die 100 000er Tests sogar erst 2008. Selbst die Termine stehen auf wackligen Füßen. Trotzdem bleibt das BMG weiter uneinsichtig und versucht die Tatsachen zu ignorieren.“

Während der Daueraufreger eGK in der Zahnärzteschaft für Ärger sorgt, sind die Festzuschüsse ohne Wenn und Aber ein Erfolgsmodell. „Mit dem 1. März ist die Implementierung des Festzuschussmodells in die vertragszahnärztliche Versorgung abgeschlossen“, berichtet Eßer. Dennoch halte der Rechtfertigungsdruck an: „Ob die Systempfeiler richtig eingepflockt wurden, also sich das Versorgungsniveau auf dem bisherigen Niveau stabilisiert hat, beurteilt der Bundesausschuss in den kommenden Monaten.“

Erfolgreiche Festzuschüsse

Aus Sicht der KZBV deute sich allenfalls ein punktueller Handlungsbedarf im Bereich der Reparaturen an. „Die Kosten dürfen auf keinen Fall steigen – das muss die maßgebliche Richtschnur für alle zukünftigen Veränderungen am System sein“, stellt Eßer klar. Nur wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, werde die KZBV Änderungen bei den Festzuschüssen nicht im Wege stehen. Voraussetzung sei allerdings immer, dass die Modifikationen für die Patienten Sinn machen und die damit verbundenen Kostensteigerungen auch über Beiträge oder die Kassen finanziert werden. „Auf Kosten der Zahnärzte darf es auch in der Zukunft kein Leistungsfeuerwerk nach dem Opulenzprinzip geben. Für begrenztes Geld gibt es eben auch nur begrenzte Leistungen!“ 

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