Schadenersatz nach dem Einbruch

Voll versichert statt voll verschätzt

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Wie gut ein Versicherungsschutz ist, merkt der Kunde erst, wenn er ihn braucht. Diese Weisheit gilt. Besonders für die Versicherung von Geschäftsinhalt und Betriebsunterbrechung der Zahnarztpraxis. Schlimm, wenn der Niedergelassene erst bei einem Schadensfall erkennt, wie sehr er unterversichert ist.

Schadensfälle wie Einbruch, Überschwemmung oder Brand treffen den Praxisinhaber ebenso überraschend wie nachhaltig. Wer sich finanziellen Schaden gering halten will, sollte vorsorgen – rechtzeitig und mit der richtigen Versicherung.

Leicht gesagt. Meist schnüren die Versicherer jedoch verschiedene Gefahrenkomponenten zu einem Bündel, das keinesfalls unbedingt den individuellen Bedürfnissen des Zahnarztes entspricht. Zudem differieren Bedingungen, Laufzeiten, Rabatte oder Obergrenzen für Entschädigungen von Vertrag zu Vertrag. Doch einige allgemeine Fallstricke gibt es. Gut, wenn der Zahnarzt sie kennt und vermeidet. Und weiß, wie er die Regulierung eines Schadens eventuell vorantreibt.

Das hätte auch Dr. O., Zahnarzt in Gelsenkirchen/ NRW, geholfen. Er kennt aus eigener Erfahrung jenen Schreck in der Morgenstunde, der einem beim Anblick der aufgebrochenen Praxis in die Glieder fährt. Seine Mitarbeiterin hatte ihn bereits per Telefon vorgewarnt: „Chef, hier wurde eingebrochen!“ Dennoch, der Schock saß. Doch es kam noch schlimmer. Die Polizisten hatten den Schaden aufgenommen, die Versicherung war informiert. Deren Regulierer konnte die Höhe des Schadens jedoch nicht schätzen und schickte einen Sachverständigen. Dessen Urteil: Unterversichert!

Deckung statt Lücken

Verantwortlich für die Ermittlung der Versicherungssumme ist immer der Versicherungsnehmer. Versicherer empfehlen, bei der Betriebsversicherung den Neuwert der Praxis zu versichern, um eine Unterversicherung zu vermeiden. Als Neuwerte gelten die Listenpreise der Hersteller oder die Werte für die Neuanschaffung der Geräte und des Inventars inklusive Frachten, Montage und Anpassung.

Zur Praxiseinrichtung zählen neben Geräten und Möbeln auch jene Dinge, die der Zahnarzt auf eigene Kosten in den Räumen installiert hat, etwa Trennwände, Strahlenschutzeinrichtungen, Einbauschränke, Teppichböden, besondere Deckenverkleidungen, sanitäre Einrichtungen und mehr. Berücksichtigt ein Zahnarzt bei der Ermittlung der Versicherungssumme lediglich die Geräte und Möbel, hat aber in der Praxis umfängliche Um- und Einbauten vornehmen lassen, wäre die Lücke im Schadensfall fatal: Nur ein Teil der Schadenssumme würde von der Versicherung bezahlt.

Ein unbedingtes Muss ist die Praxisversicherung. Sie deckt Schäden durch Brand, Diebstahl, Vandalismus, Leitungswasser, Sturm und Hagel ab. Anbieter kombinieren sie gerne mit einer Betriebsunterbrechungspolice. Die Sachversicherung steht für den jeweiligen Sachschaden ein, die Versicherung für die Betriebsunterbrechung übernimmt den Ausfall, der entsprechend durch Praxisstillstand/- störungen entsteht. Beinhaltet die Police eine dynamische Anpassung der Versicherungssummen, um eine Unterversicherung zu vermeiden, müsste dies doch ausreichen. Wären da nicht weitere Haken. Also heißt es, die Leistungen der einzelnen Policen zu kennen.

Eine Praxisversicherung umfasst die technische und kaufmännische Betriebseinrichtung sowie den gesamten Warenbestand. Der Blick ins Kleingedruckte verrät, welche Schäden tatsächlich versichert sind und welche ausgeschlossen. Im Schadensfall zählt nur der dokumentierte Sachverhalt im Vertragstext als Grundlage der Regulierung. Rechtzeitige Kontrolle schützt vor unliebsamen Überraschungen. So sollte zum Beispiel jeder Zahnarzt wissen, ob ihman vertrautes Eigentum mitversichert ist. Berücksichtigen die Vertragsbedingungen Leihgaben nicht, bleibt ein Schadensfall ungedeckt, unter Umständen voll zu Lasten des Zahnarztes.

Viele Versicherungen decken Diebstahl von Bargeld bis zu einer jeweils festgelegten Summe ab, in der Regel 500 bis 1 500 Euro. Die Betriebsversicherung tritt in der Regel auch noch ein, falls aus einem Safe größere Summen Bargeld verschwinden, nicht aber bei größeren Mengen Gold und Edelmetallen. Dieser Schutz muss gesondert vereinbart werden.

Auch die Absicherung durch die Feuerversicherung sollte der Zahnarzt bei dieser Gelegenheit hinterfragen. Üblicherweise sind Nutzwärme- und Sengschäden ausgeklammert, manchmal schließt auch die Leitungswasserversicherung einige Ursachen aus, wie Wasserdampf, Reinigungs- oder Sprinkler- Wasser. Will ein Praxisinhaber diese Risiken abdecken, muss er laufende Verträge entsprechend erweitern oder neue abschließen. Die Elektronikversicherung (Schwachstromanlagenversicherung), die solche Schäden sowie Bedienungsfehler durch Mitarbeiter mit einschließt, bietet sich beispielsweise an.

Der Vollständigkeit halber: Den Versicherungsschutz verliert, wer grob fahrlässig oder vorsätzlich handelt. Nachvollziehbar, denn die Klausel erschwert Betrügereien.

Längst aufgeblüht

Fachleute empfehlen, die Versicherungssumme regelmäßig an den tatsächlichen aktuellen Wert der Praxis anzupassen. Alle zwei bis drei Jahre sollte der Niedergelassene überprüfen, ob Investitionen oder auch die Abgabe von älteren Geräten und Einrichtungsgegenständen eine Korrektur erfordern.

Den Schaden in der Praxis von Dr. O. bezifferte der Sachverständige schnell: An zwei Behandlungseinheiten waren die Schläuche zu den Instrumenten der Behandlungseinheiten gekappt und entwendet worden – offensichtlich ein Auftragsdiebstahl. Zudem fehlten Kleingeräte und Vorräte. Doch als Zahnarzt und Regulierer die Versicherungspolice prüften, stellten sie die Unterversicherung fest. Die Praxis war längst viel mehr wert als einst bei Vertragsabschluss.

Passt, wackelt und hat Luft

Unterversicherung droht etwa, wenn anlässlich einer Praxisübernahme die Anschaffungspreise der gebrauchten Geräte den Vertragswert bestimmen. Die Ausgaben für die Neuanschaffung (gegebenenfalls zu Listenpreisen) übersteigen schließlich bei Weitem den Wert von Gebrauchtem. Ein Beispiel zeigt, was im Falle einer Unterversicherung leicht passieren kann: Ein Zahnarzt hatte bei seinem Berufsstart den Wert der Praxiseinrichtung mit 100 000 Euro angegeben und diesen Betrag entsprechend als Versicherungssumme vereinbart. Inzwischen fiele diese Rechnung höher aus: Im Laufe der Zeit hat er investiert, der Wert der Einrichtung sich verdoppelt. Doch gilt im Schadensfall die vereinbarte Summe. Schließlich zahlt er nur für einen Teil der Einrichtung die Prämie. Bei einem Einbruch wird eine zwei Jahre alte Behandlungseinheit zerstört, prompt übernimmt die Versicherung nur die Hälfte des Schadens.

Geräte auf Probe wiederum sind ein eigenes Kapitel. Hat die jeweilige Firma mit dem Zahnarzt keine andere Vereinbarung getroffen, geht ein solches Gerät in den Versicherungswert der Praxis ein. Eine analoge Regelung gilt für Implantate, die zum Beispiel für Erprobungszwecke oder als Konsignationslager überlassen werden.

Die Anpassung hat nichts damit zu tun, dass sich der Wert der Praxis durch eine inflationsbedingte Erhöhung der Anschaffungskosten verändert. Diese inflationsbedingte Werterhöhung kompensieren die meisten Versicherungsgesellschaften durch eine automatische Summenanpassung oder Indexierung der Versicherungssumme. Ist dieses vertraglich vereinbart, wird eine Unterdeckung im Schadensfall verhindert, die zu Abzügen führen könnte.

Eine weitere Falle ist verbreitet: Die Hersteller gewähren Praxisgründern teilweise zehn bis 20 Prozent Rabatt auf den Listenpreis. Korrigiert man diese Rabatte bei der Ermittlung der Versicherungssumme nicht, ist im Schadensfall die Unterdeckung ebenso groß wie der Preisnachlass einmal war – aber keineswegs unbedingt wieder sein wird.

Für Vorräte ist der Wiederbeschaffungspreis oder der Betrag für die Neuherstellung zu berücksichtigen.

Vom Neuwert zum Flickwerk

Der Sachverständige beurteilte den Schaden in der Gelsenkirchener Praxis als reparablen Teilschaden. Das bedeutet, dass die entwendeten Teile und Komponenten neu beschafft und an die Einheit angebaut werden. Die hierfür notwendigen Kosten, also der Reparaturwert, bestimmen somit die Schadenshöhe.

Eine der beiden Einheiten war schon älter, zudem aus ausländischer Produktion. Zeitweise lauteten die Infos, sie könne mangels Ersatzteilen nicht mehr instand gesetzt werden. Zahnarzt O. nahm an, für diese würde ihm der Neuwert erstattet. Irrtum: Bei technischer Beurteilung kann jeder Defekt an einer Einheit ohne Ersatzteilversorgung (gleich aus welcher Ursache) zu einem Totalausfall führen und die Einsatzdauer des Geräts beenden. Ergo hätte er als Zeitwertentschädigung maximal 40 Prozent erhalten! Dieses nachteilige Resultat konnte er nur vermeiden, indem er – nach aufwendigen Recherchen – schließlich doch Ersatzteile auftrieb. Ergebnis: Auch für diese Einheit konnte der Sachverständige die Schadenshöhe feststellen, anhand der Aufwendungen für die Anpassung und Modifikation anderer Instrumente an diese alte Einheit.

Bei der Praxisversicherung handelt es sich um eine Neuwertversicherung. Im Schadensfall wird deswegen auch bis zum Neuwert des gestohlenen oder beschädigten Gegenstandes von der Versicherung entschädigt. Sehr alte Geräte oder solche, die zum Beispiel keiner geregelten Ersatzteilversorgung durch den Hersteller unterliegen, werden unter Umständen nur noch mit einem Zeitwert entschädigt. Wann dieser Wechsel eintritt, entscheidet in der Regel ein Sachverständiger für den jeweiligen Fall. Ein fünf Jahre alter Praxiscomputer kann schon in die Zeitwertabdeckung fallen, während die zehn Jahre alte, gut gepflegte Büroausstattung üblicherweise bis zum Neuwert erstattet wird.

Fakten müssen her

Eines wurde Zahnarzt Dr. O deutlich: Die Versicherung gibt sich im Schadensfall nicht mit allgemeinen Darlegungen eines Zahnarztes zufrieden, selbst wenn er sie durch Angebote und Informationen eines Dentaldepots unterstützt. Die übermittelten Informationen müssen stichhaltig sein und – technisch und kaufmännisch – einer Überprüfung standhalten.

Die Praxismitarbeiterinnen sollen direkt nach dem Einbruch beginnen, eine Schadensliste zu erstellen. In der ersten Aufregung übersehen viele die fehlenden Gegenstände zunächst. Üblicherweise dauert es also seine Zeit, bis alle beschädigten oder entwendeten Gegenstände erfasst sind. Die Auflistung sollte vollständig sein, zum Beispiel die Schäden an Einbauschränken, die technische und kaufmännische Praxiseinrichtung, die Vorräte und die fehlende Praxiskasse beinhalten. Ebenso Schäden an eventuell in der Praxis befindlichem Fremdeigentum, etwa beschädigte oder entwendete Bekleidung der Mitarbeiterinnen oder gar Zahnersatz von Patienten.

Ein schlüssiger Endabgleich basiert auf dem vom Steuerberater erstellten Inventarverzeichnis. Obwohl es nach steuerlichen Gesichtspunkten erstellt und häufig auch dahingehend optimiert ist, bildet es ganz große Teile des Inventars ab. Ein gut und differenziert geführtes Verzeichnis erleichtert es dem Geschädigten daher ganz wesentlich, den Schaden festzustellen.

In einem zweiten Schritt müssen die Anschaffungswerte der betreffenden Gegenstände ermittelt werden. Glücklich kann sich der Zahnarzt schätzen, der die Beschaffungspreise anhand des Inventarverzeichnisses, vorliegender Rechnungen oder der Preislisten der Lieferanten belegen kann. Gibt seine Buchhaltung über die Anlagen keinen Aufschluss, braucht er Nachweise aus anderen Quellen, etwa vom Hersteller, oder vom Dental-Depot ein Angebot über die entsprechenden Gegenstände.

Manche Verträge sehen auch die Erstattung solcher Kosten vor, die der Zahnarzt zur Minderung des Schadens aufgeboten hat, sowie für dessen Ermittlung und Feststellung. Vorausgesetzt, er listet sie der Versicherung auf.

Anspruch, Euer Ehren

Als Versicherungsnehmer hat Zahnarzt Dr. O. einen Rechtsanspruch darauf, dass die Schäden behoben werden. Sofern diese durch Instandsetzung zu beseitigen sind, gilt der Reparaturwert. In seinem Fall also die Kosten für Adaption und Ersatz neuer Schläuche und Instrumente an den beschädigten Behandlungseinheiten (Behebung eines Teilschadens). Die gestohlenen Kleingeräte bilden einen Totalschaden und werden zum Wiederbeschaffungswert ersetzt, ebenso die Vorräte. Der Erstattungsbetrag errechnete sich aus der Höhe des Schadens unter Berücksichtigung der bestehenden Unterversicherung. Letztere kann sich übrigens bei kombinierten Verträgen auch auf Schäden durch Betriebsunterbrechung auswirken. Dann bleibt der Praxischef auch auf einem Teil der Kosten sitzen.

Die Regulierung läuft also nur dann einigermaßen glimpflich ab, wenn die Praxisversicherung ausreicht – in Höhe und Umfang. Sonst bringt ein Versicherungsfall neben Stress auch erhebliche finanzielle Nachteile. Denn selbst mit einer guten Versicherung hat dabei noch kein Zahnarzt Profit gemacht.

Auf Abstand zu den Profis

Mit einem Schadensfall wie bei Dr. O. darf leider jeder Kollege rechnen: Laut Kripo- Aussagen scheinen sich Einbrüche nach einem ganz bestimmten Muster in Zahnarztpraxen zu häufen, gerade als lägen Aufträge vor. Diese Einbrecher zerstören kaum etwas mutwillig, gehen eher vorsichtig zu Werke und entwenden gezielt Instrumente, Vorräte und Kleingeräte, klauen selbst das Composite aus dem Kühlschrank. Auch die chirurgischen Instrumente – komplett weg. Bei den Einheiten werden die Schläuche durchgeschnitten, die Motoren mitgenommen. Praxis-EDV und -kasse sind bei ihnen ebenfalls begehrte „Sammlerstücke“. Von Vandalismus keine Spur.

Schützen kann man sich vor solchen Einbrüchen nur bedingt, erklärten involvierte Polizeibeamte von der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle in Recklinghausen, einen Gelegenheitsdieb halten jedoch schon „einfache“ mechanische Sicherungen davon ab, die Praxiskasse zu klauen. Profidiebe dagegen, die Abnehmer mit heißer Ware aus Praxen beliefern, benötigen nur wenig Zeit, um eine Praxis auszuräumen. Genau die aber wird knapp, wenn eine Alarmanlage den Bruch an ein Wachschutzunternehmen meldet und sofort die Polizei auf den Plan ruft. Optimal sei die Kombination aus mechanischen Sicherungen und Einbruchmeldeanlage. Der Weg zu diesem Ziel führe zwingend über die individuelle Beratung, zum Beispiel durch eine (kostenlose) kriminalpolizeiliche Beratungsstelle vor Ort.

Weitere Tricks befreien von Sorgen: Allabendliche Up-dates der Sicherheitskopie schützen vor Datenverlust. Geld bleibt auf dem Konto sicherer als in der Bar-Kasse, deren Bestand klein gehalten wird. Schloss und Riegel sichern den Eingang, der mit einem Sicherheitsschloss statt mit einem herkömmlichen versperrt wird.

Seit der Gelsenkirchener Zahnarzt all die guten Ratschläge beherzigt, fühlt er sich deutlich besser. Jetzt mit der passenden Versicherung in der Hinterhand.

Dr. Sigrid Olbertz, MBAZahnärztin, Master of Business AdministrationMittelstraße 11a45549 Sprockhövel-Haßlinghausen

Dipl. Ing. Claus HilgerSachverständiger (ö.b.v.)für Schäden an MedizintechnikKeuloserstr. 75, 36093 Künzell

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