LPR-Treffen in Schöntal

Bestärken statt bemuttern

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Leere Kassen, die schwache Wirtschaft und viele Arbeitslose belasten zunehmend Staat und Gesellschaft. An einer Reform der sozialen Sicherungssysteme kommen wir nicht vorbei – darin sind sich mittlerweile alle einig. Aber wo liegt die goldene Mitte zwischen staatlicher Unterstützung und Eigenverantwortung? Und welche Position vertritt in dieser Debatte die Zahnärzteschaft? Darüber diskutierten die Länderpressereferenten der Kammern und KZVen am 10. und 11. März im baden-württembergischen Kloster Schöntal. Eine Erkenntnis: Solidarität und Subsidiarität schließen sich nicht aus – im Gegenteil.

„Solidarität und Subsidiarität sind gesellschaftliche Leitlinien, die sich ergänzen statt einander auszuklammern“, betonte der Theologe Prof. Dr. Alois Baumgartner in seinem Vortrag. Schon der Papst habe in seiner Enzyklika von 1931 klargestellt: Es ginge nicht darum, die solidarische Hilfe einzustellen, sondern sie so auszurichten, dass die Eigenverantwortung des Einzelnen zum eigenen Wohlergehen gestärkt wird.

Hilfe zur Selbsthilfe

„Subsidiarität heißt Hilfe zur Selbsthilfe – wer glaubt, das widerspreche sozialem Handeln und Denken, irrt.“ Subsidiarität sei quasi der Modus solidarischer Hilfe, machte Baumgartner deutlich, und zwar auch bezogen auf das Dilemma in der GKV. Denn im Kern schaue man darauf, wie das Individuum wieder aktiv beteiligt und in die Gesellschaft integriert werden könne. Der subsidiäre Gedanke beschreibe einen Weg, den Beteiligten ihre Würde wieder zu geben anstatt sie abhängig und unmündig von Vater Staat zu halten. Wer dagegen Unterstützung in Anspruch nehme, obwohl er sie nicht braucht, höhle das System aus.

Als „ausgesprochen ängstlich“ beschrieb der Ökonom Prof. Dr. Guy Kirsch die Diskussion um die Zukunft des Gesundheitswesens in Deutschland. Motor dieser diffusen Angst sei, dass wir heute in einer Welt leben, die sich rasant schnell verändere: „Trotz oder gerade wegen Google, CNN & Co. kann man sich zunehmend weniger auf Auskünfte verlassen – unsere Lebenswelten werden immer größer, aber wir wissen immer weniger darüber.“ Zwar hielten wir uns über alles auf dem Laufenden – wie alles zusammenhängt, begriffen wir jedoch nicht mehr. Einher mit dieser Informationsflut ginge ein rapider Werteverlust: Was heute noch Bestand hat, müsse morgen längst nicht mehr gelten. Kirsch: „Der Himmel ist leer!“ Zugleich stellte er allerdings fest, dass gerade die Deutschen für ihre pessimistische Sicht bekannt seien. Nicht ohne Grund sei der Ausdruck „German Angst“ jenseits der Grenze ein feststehender Begriff.

Doch liege diese Haltung weniger im typisch deutschen Naturell als in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen begründet: Während der Amerikaner ruhig ein Projekt in den Sand setzen könne, habe man hier zu Lande nur eine einzige Chance. Scheitert etwa ein Unternehmer mit seiner Idee, habe er die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen ein für alle Mal vertan. „Einmal gescheitert, immer gescheitert – eine zweite Chance gibt es bei uns nicht“, bekräftigte Kirsch.

Wie die solidarischen Grundprinzipien in der GKV den Druck auf das System verschärfen, legte KZBV-Chef Dr. Jürgen Fedderwitz dar. Geradezu zwingend sei eine Finanzierungsreform, die mehr Anreize durch Zuzahlungen oder Boni schafft und die Versicherten stärker beteiligt. Prävention müsse im System eine stärkere Rolle spielen, umgekehrt dürfe man sich der Diskussion um Leistungsausgrenzungen nicht verschließen. Fedderwitz: „Eine Neudefinition des Solidarprinzips formuliert durchaus die Grenzen von Solidarität.“ Die deutsche Zahnärzteschaft habe früher als andere auf Prävention und Eigenverantwortung gesetzt: „Die Abgrenzung von GKV- und Privatleistungen funktioniert nur bei uns Zahnärzten – sonst nirgendwo im System. Und genau diesen Bedingungen ist es zu verdanken, dass sich die Mundgesundheit in Deutschland auch weiterhin stetig verbessert.“

Gesellschaftliches Mandat

„Die Prävention ist erfolgreich“, bestätigte Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der BZÄK. Sorge mache ihm allerdings die starke Korrelation von Armut und Krankheit. Dennoch sei Gleichheit nicht die Antwort auf das Problem: „Bema und GOZ beschreiben ein notwendiges Nebeneinander.“ Der Bema trage dem Solidargedanken Rechnung, die GOZ der Individualität.

Oesterreich betonte, dass sich der Zahnarzt heute am sozialen Wandel orientieren müsse. „Der Zahnarzt hat ein gesellschaftliches Mandat.“ Im Unterschied zu früher sei der Patient informierter und selbstbewusster. „Die Götter in weiß waren gestern – heute will der Patient auf vertrauensvoller Basis gemeinsam mit dem Arzt die Entscheidung treffen.“

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