European Health Care Congress in Düsseldorf

Ein weiter Weg zur Bürgernähe

Heftarchiv Gesellschaft
pr
Die Lücke zwischen theoretischen EU-Entscheidungen ganz oben am Grünen Tisch und dem tatsächlich gelebten Europa der Bürger vor Ort ist noch riesengroß. Das zeigte sich ganz deutlich auf dem 2. European Health Care Congress (EHCC) in Düsseldorf. Ein wichtiges Bindeglied im Zuge des zusammenwachsenden Europas stellen die Regionen dar.

Gesundheits- und Sozialpolitik habe im Rahmen der Fortentwicklung der Lissabon- Strategie, Europa zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, große Bedeutung, betonte der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann: „Es kann kein dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum ohne soziale Stabilität und sozialen Ausgleich geben.“

Im Zuge des weiteren Zusammenwachsens werden die Regionen eine immer wichtigere Rolle übernehmen, so Laumann. Ein starkes Europa werde es nur geben, wenn die Einigung von den Bürgern verstanden und getragen werde.

Die Veranstalter – das NRW-Arbeitsministerium zusammen mit dem europäischen Public Health Zentrum und der ZTG Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen GmbH in Kooperation mit der Medica – hatten zahlreiche namhafte Experten aus der EUEbene (darunter die Europa-Parlamentarier Dr. Peter Liese und Evelyne Gebhardt) wie aus der inländischen Politik und dem Institutions- und Verbandswesen an einen Tisch gebracht. Während des Kongresses wurde ganz deutlich: Die auf europäischer Ebene oft sehr theoretisch geführten Diskussionen um Themen wie Gesundheit in der potentiellen EU-Verfassung, freie Dienstleistung, Mobilität der Gesundheitsberufe und Patienten, Ressourcennutzung, Prävention, e-Health oder Qualitätssicherung werden zwar intensiv bearbeitet und sind zum Teil schon sehr weit gedanklich und konzeptionell auf den Weg gebracht, ja auch gesetzlich ausgefeilt.

Doch merkt man ihnen an, dass vieles am Grünen Tisch konstruiert ist und dass Richtlinien und Rahmenvereinbarungen von einer echten Bürgernähe noch weit entfernt sind.

Beispiel Aachen-Maastricht

Wie Bürgernähe funktionieren kann und welcher enorme Wust an Arbeit dahinter steckt, zeigt sich am Beispiel des Dreiländerecks Deutschland-Belgien-Niederlande. Die beiden dort ansässigen großen Universitätskliniken Aachen und Maastricht liegen im Einzugsgebiet für Patienten aus der gesamten Region. Seit 1987 wuchs – auf ganz persönliche Initiative der beiden Klinikvorstände – die Zusammenarbeit der Kliniken, 2004 gab es einen offiziellen Kooperationsvertrag. Ziel sei es, ein europäisches Zentrum für Spitzenversorgung sowie ein Forschungsstandort von Weltniveau zu werden, erklärte Prof. Dr. Henning Saß, Ärztlicher Direktor im Universitätsklinikum Aachen. Man wolle die gegenseitige Expertise nutzen, die Krankenversorgung komplementär aufbauen, Kliniken und Institute in Aachen und Maastricht gemeinsam leiten, Forschung und Lehre synchronisieren und ein Netzwerk für die Fort- und Weiterbildung von Pflegern und Ärzten etablieren. Dabei erhoffe man sich, dass die Euroregio Maas-Rhein stärker zusammenwächst, dass man das Gesundheitssystem des jeweils anderen Landes kennen lernt und für Patienten den freien Zugang zu Gesundheitsleistungen im Nachbarland schafft.

Die zu bewältigenden Aufgaben seien nicht unerheblich, berichtete Dr. Guy Peeters, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Maastricht. Neben Sprache und anderen kulturellen Gepflogenheiten gelte es, die unterschiedlichen Strukturen der Gesundheitssysteme, Abrechnungssysteme oder Aspekte des Haftungsrechts und Versicherungsschutzes in Einklang zu bringen. Hinzu kämen unterschiedliche Wege der ärztlichen Weiterbildung oder die Suche nach gemeinsamen Lösungen bei der IT-Integration oder Patientendokumentation.

Synergieeffekte sollen in Bereichen wie Gefäßchirurgie, Kinderherzchirurgie, Nephrologie, Kardiologie, Transplantationsmedizin, Klinische Genetik, Schwerionentherapie, Molecular Imaging und Onkologie geschaffen werden. Die ganz spezifischen Anforderungen jedes dieser Fachgebiete müssen dabei berücksichtigt werden. Ein erster Schritt ist jetzt getan: Seit Oktober 2005 hat der Professor für Gefäßchirurgie in Maastricht gleichzeitig die Leitung der Gefäßchirurgie in Aachen inne. Langfristig soll ein europäisches Referenzentrum für Gefäßchirurgie entstehen.

Das Aachener Klinikum besteht aus 34 Kliniken und 23 Instituten mit 6 249 Mitarbeitern, das Maastrichter Klinikum aus 30 Departements mit 4 500 Mitarbeitern. Hier Synergien zu schaffen, dürfte ein lang anhaltender Prozess sein. Und das Beispiel Aachen-Maastricht ist nur ein Projekt von vielen.

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