Kunst – praxisnah

Ausgestellt und aufgeschaut

Als Drehscheibe für das Zusammenwirken verschiedener freiberuflicher Wirkungskreise, als Entspannungselement, als Schritt zur Corporate Identity oder als musisches Moment: Kunst dringt in die Zahnarztpraxen vor. Und begeistert Patienten wie Inhaber, Chefs wie Mitarbeiter. Perfekt ist das Projekt, wenn nur Kenner ihm ansehen, wieviel Planung darin steckt. Ob die Kunst auf Dauer oder auf Zeit die Praxisräume zieren soll, das entscheidet mit über die Optionen Kaufen oder Ausleihen. Ansonsten haben die Zahnärzte freie Wahl. Und schaffen mit einer Vernissage einen Treff für gleich Begeisterte.

Vom nachmittag bis zum Abend haben sich 200 Freunde, Patienten und Geschäftspartner in der Zahnarztpraxis von Dr. Sibylle Hardt in Berlin Steglitz bestens unterhalten, geschaut und geschmunzelt, gelacht und geredet. Die Praxischefin hatte zur Vernissage der Ausstellung „Kauzentrum“ eingeladen. Der Künstler Christian Andres erlaubt sich mit erfrischendem Humor die etwas andere Sicht zahnmedizinischer Fachausdrücke zu inszenieren: Aus der Sicht des Laien, der seine eigenen Assoziationen ausdrückt. „Kauzentrum“, wie die Ausstellung, heißt seine erste der 38 Grafiken; auf der Strichzeichnung stattet er einen Zahn mit teleskop-ähnlichem Instrumentarium aus. Spezifische Termini, wie die Lachlinie oder die Frankfurter Horizontale, werden für Laien plötzlich (be)greifbar, wenn sich ein Pärchen im Profil anlacht vor einem Portrait im Hintergrund, wenn ein Frankfurter Würstchen den „Eisernen Steg” in der hessischen Banken-Stadt ersetzt.

Umgekehrt verfremdet der Berliner Künstler populäre Begriffe wie „Zahnfleischtasche“ in diverse Handtaschenmodelle oder „steiler Zahn“ im 50er Jahre Pin-up-Stil. „Die Patienten finden diesen ganz anderen Umgang mit der Zahnmedizin natürlich klasse, weil er die angstbesetzte Zahnmedizin positiv beleuchtet“, meint die Zahnärztin. Das lockere die Atmosphäre auf, mindere Beklemmungen.

„Die Patienten wollen persönlich angesprochen werden. Dazu gehört auch die Raumund Praxisgestaltung!“, findet sie. Die Idee hat sie in ihren offen wirkenden, hellen Praxisräumen umgesetzt und den Künstler seine Exponate in Gruppen arrangieren lassen. Jetzt genießt jeder Besucher die eventuelle Wartezeit, weil er in Muße den Bildern auf den Grund gehen möchte. Wer die Beobachter dabei beobachtet, stellt stets erneut fest, dass ihr Erkennen in Heiterkeit gipfelt. Die Spannung wegen der Behandlung fällt ab. Wo sonst ist die „Zahnschmelze“ ein Eisberg, fallen Zähne aus Taschen?

„Wo liegt denn diese Insel, dieser Kontinent?“ fragen viele Patienten verdutzt, wenn sie vor der Landkarte „Inselreich Dentis“ verharren. „Diese Karte ist die Krönung, das i-Tüpfelchen sozusagen!“, betont Zahnärztin Hardt. Der 1,63 Meter mal 1,63 Meter große Eye-Catcher wirkt als Solitär in jedem Warteraum. Denn wie echte Schullandkarten will das Bild „gelesen“ warden und überrascht manchen Betrachter mit neuen Wortschöpfungen, so dass er mit offenem Mund staunt. Genau deshalb schätzt Hardts Kollege Michael Heine die Landkarte besonders als Deckenschmuck über dem Stuhl, „da der Patient, ohne es zu merken, durch sein Lachen und Staunen den Mund wunderbar öffnet und die Behandlungszeit zum Studium der Karte nutzt“.

Die Ausstellung ist für beide Zahnärzte etwas Besonderes mit direktem Zusammenhang zu den Inhalten der Praxis.

Die Grafiken aus der Ausstellung „Kauzentrum“ entstanden in einer Mischtechnik mit Handzeichnung und Computer. Alle 38 Motive sind auf jeweils 100 Exemplare limitiert, und – bis auf die Karte – im DIN-A4- Format gedruckt und gerahmt. Im Herbst soll eine neue Auflage im DIN-A3-Format in Druck gehen.

Das harmonische Wechselspiel von Irritation und Begeisterung beruht darauf, dass sich der Künstler schrittweise in die Thematik hineinarbeitete: „Die theoretische Vorarbeit entwickelte sich über sechs Jahre“, berichtet Andres, die Umsetzung gelang deutlich rascher. Zahnärztin Hardt hat Kollegen auf die Ausstellung aufmerksam gemacht, mittlerweile hängen die Drucke in weiteren Praxen. Einige Zahnärzte haben die ganze Ausstellung gekauft, andere teilweise, wieder andere haben alle oder einzelne Exponate gemietet.

Hardt lobt, der Künstler gehe so unbeschwert, relaxed und originell mit dem Thema „Zahn“ um, dass die Betrachter sich gerne darauf einlassen. Abgelenkt sind. Neugierig. Warten kann so kurzweilig sein; es gibt so viel Neues zu entdecken, finden die Patienten in der Praxis Dr. Hardt. Auch heute noch, fast zwei Jahre nach der Vernissage mit immer noch den selben Bildern in der Praxis.

Alles in Eigenregie

Dr. Irini Elsässer, Zahnärztin in München, reizt dagegen die Abwechslung der Kunstobjekte in ihrer Praxis. Sie hängt seit 2000 Kunstwerke auf. Mal Originale, mal Kunstdrucke. Wenn ihr ein Original zwar gefiel, dieses aber für ihre Räume zu großformatig war, hat sie auch schon eine Kopie im kleineren Maßstab in Auftrag gegeben. „Meine Praxis ist relativ klein, da kann ich nicht so viel platzieren“, bedauert sie. Ihre Lösung zur Ablenkung der Patienten: Ihre Praxisgestaltung lebt von dem Wechsel. Eine feste Frist, nach der neue Werke an die Wand müssen, gibt es nicht.

Die Bilder hängt sie auf, um für sich und ihre vier Mitarbeiterinnen ein angenehmes Klima zu schaffen, die Patienten sind gleichermaßen Nutznießer. „Ich habe keine teuren Sachen, einfach Farbe. Wenn ich Bilder sehe, die mir gefallen, kaufe ich sie.“ Allerdings achte sie dabei stets auf die Verwendbarkeit für die Praxis, denn alle Räume sind mehrfarbig gestaltet. Da braucht es einen Sinn für Farbharmonie, damit das Endergebnis die Patienten positiv stimmt, nicht etwa verschreckt.

Derzeit hängt ein Fotografie-Druck aus einer Londoner Galerie im Behandlungszimmer. Die Patienten im Stuhl blicken direkt auf die Szenerie, in der sich ein Leuchtturmwärter vor der tosenden See in seinen Turm rettet. „Die Patienten sprechen mich oft darauf an, einige finden das Bild bedrohlich, die meisten fasziniert es.“ Angesprochen wird die Praxischefin von manchen Patienten auch darauf, ob sie nicht deren Werke ausstellen könne. Ein Angebot, dem sie locker widerstehen kann, wenn die Kunst nicht in ihre Praxis passt.

Mund zu, Ohren auf

Zur Optik den Ton kombiniert die Dresdner Zahnärztin Dr. Uta Seydewitz seit Jahren. „Dort, wo eigentlich Menschen meist mit gemischten Gefühlen sitzen, wollen wir einmal für eine andere Atmosphäre sorgen und zugleich Kunst fördern“, erklärt die Mittvierzigerin. Sie organisiert vier Veranstaltungen im Jahr als Teile der „Art dentale“ in Dresden. „Kunst mit Biss“ nennen sich die Events auch. Im Februar etwa lockte eine Lesung internationaler Liebeslyrik so viele Zuhörer in die Praxis, „dass wir keine Stecknadel mehr fallen hören konnten, weil kein Platz dafür mehr da war“, erzählt Seydewitz lachend.

Nicht immer läuft alles nach Plan. So sagte der Maler für die Ausstellung im Mai kurzfristig ab und die geplante Vernissage konnte mit einer anderen Künstlerin erst im Juni ausgerichtet werden. Doch trotz des Aufwandes überwiegen für die Zahnärztin die Vorteile: „Es bringt Leben in die Praxis, Energie halt!“, fasst sie die Resonanz ihrer Geschäftsfreunde, ihrer Patienten, ihres Teams sowie ihre eigene Wahrnehmung zusammen.

Sprungbrett mit Eigennutz

Vernissagen in Zahnarztpraxen kommen seit 2001 zunehmend in Mode. Entsprechend gut gestaltete Räumlichkeiten kommen besser zur Geltung, die Praxis wird bekannter. Auch die beteiligten Künstler erfahren mehr Aufmerksamkeit, weil sie häufiger ausstellen. Hinzu kommt, dass sie unter Umgehung der Galerien, die bei Verkäufen in der Regel einen beachtlichen Prozentsatz des Preises fordern, ihre Werke günstiger anbieten können.

Zu solch einem Treffpunkt des Schaffens für zwei freie Berufe hat sich die „Praxisgalerie“ in den Räumen von Dr. Derk Siebers in Berlin entwickelt. 1991 startete der Zahnarzt mit einer Foto-Vernissage. Seitdem besuchen seine Patienten automatisch jährlich wechselnde Ausstellungen. Derzeit ziert die Ausstellung „Von A nach B über C“ mit 20 ausgewählten Exponaten lokaler Künstler die Wände in seiner Praxis.

„Für junge Künstler ist das eine ganz enorme Starthilfe,“ erinnert sich Sabine Mayer-Wallmann an ihre Vernissage 2001: „Die war so erfolgreich, dass ich ständig neue Bilder nachliefern musste, weil so viele verkauft wurden.“ Die Käufer haben wohl einen guten Griff getan – mittlerweile stellt die Künstlerin nur noch in Galerien aus.

Mayer-Wallmanns Stil hat sich inzwischen gewandelt. Statt der gegenständlichen, farbenstarken Landschaft mit expressivem Ductus steht heute die Farbkomposition im Vordergrund. Auch für die Weiterentwicklung als Künstlerin sei eine Ausstellung in Geschäfts- und Praxisräumen empfehlenswert, meint die Berlinerin: Das Feedback der Patienten habe gut getan, die sich im Behandlungsstuhl über ein Bild vor Augen freuten, in das sie sich vertiefen konnten. Damit habe die Ausstellung ja auch der zahnärztlichen Praxis genutzt.

Auch Gisela Weimann schätzte an der Praxis-Vernissage 2002 besonders das Zusammenwirken von Zahnmedizinern und Künstlern. Deshalb bringt sie ihre Erfahrung bei Planung, Vorauswahl und Umsetzung gerne mit ein. Von Jahr zu Jahr gelinge die Zusammenarbeit professioneller, freut sie sich. Die langfristige Zusammenarbeit mit etablierten Künstlern bei Ausstellungen entlaste den Praxischef, zudem habe er erprobte Redner gleich zur Hand. So wird die Ausstellungseröffnung zur Performance.

Zum beiderseitigen Vorteil

Eine Vernissage, ein künstlerischer Event in der Praxis, das erscheint manchem Zahnarzt zu aufwändig. Ganz ohne Kostenbeteiligung geht es in der Tat nicht, meint Klaus von Gaffron, Vorsitzender des Bayerischen Landesverbandes Bildender Künstler (BK), die Mühe aber lasse sich klein halten. Der Bayerische Landesverband zum Beispiel vermittelt Kontakte, hilft bei Vorbereitung, Planung und Umsetzung einer Ausstellung, entwirft die Einladungskarten, organisiert bei Bedarf Rahmenprogramm und Catering. Für Unerfahrene oft eine willkommene Einstiegshilfe in die Kulturszene.

Es liege zwar im Ermessen des Zahnarztes, in welcher Höhe er sich an den Kosten beteilige, andererseits will von Gaffron „eine Nullnummer für den Künstler vermeiden“. Denn bei einer Vernissage, einer Ausstellungseröffnung, gehe es um mehr, als weiße Wände zu behängen. Die Wahrnehmung von Kunst durch die Patienten in den Praxisräumen liege schließlich auch im Interesse des Zahnarztes. Sich mit einer oder auch zwei Vernissagen im Jahr begnügen, empfiehlt er den Praxischefs; sonst werde die Lust leicht zur Last. Er rät dazu, eine Vorlaufzeit von rund drei Monaten je Ausstellung einzuplanen. Das Kunstinteresse in der Zahnärzteschaft sei jedenfalls groß, berichtet von Gaffron, der als Kurator jetzt zum zweiten Mal die Ausstellung „Brückenschlag“ der bayerischen KZV und Kammer im Münchner Zahnärztehaus organisierte.

Für den Fall einer Beschädigung oder eines Verlustes der Exponate muss vorab geklärt sein, wer für einen Schaden aufkommt. Nicht jede Versicherung bietet Schutz für Ausstellungen in Praxisräumen an. Wie die Bayerische Landeszahnärztekammer (BLZK) mitteilte, biete zum Beispiel ihre Versicherungsvermittlungsgesellschaft (VVG) Praxisinhabern attraktive Konditionen zur Versicherung der in den Praxisräumen präsentierten Kunstwerke. Interessenten können Informationen unter der Tel.-Nr. 089/ 72480273, Fax 089/72480272 oder unter www.vvg.de einholen.

Bildhafte Affinität zu technischer Perfektion

Mit Ausstellungen im kleinen Rahmen begann auch die künstlerische Ausrichtung der Praxis von Dr. Michael Göbel und seinem Partner Dr. Uwe Neff in Filderstadt bei Stuttgart. „Wir haben ein Hängesystem mit Schienen verwendet, sonst hat man nach ein paar Ausstellungen eine richtige Pinwand!“, erläutert Göbel. Die Bilder wechselten zirka alle drei Monate, mit ihnen die lokalen Künstler. „Das war bald ein Selbstläufer,“ berichtet der Zahnarzt, denn so mancher malende Patient ließ seine Bilder auf die Warteliste setzen.

Ab Herbst 2006 wird in der Praxis alles anders. Als die beiden Zahnärzte die Agentur Acsence mit der professionellen Gestaltung ihrer Website beauftragten, nahm das Schicksal seinen Lauf. Inspiriert von transluszenten Ifochrom-Hochglanzdrucken des Schweizer Fotografen und Zahntechnikers Claude Sieber entschieden sich die beiden Filderstädter Zahnärzte vor eineinhalb Jahren für eine ganz neue Optik: Eine, die den Zahn künstlerisch verfremdet in den Fokus rückt und damit zum Lesen der nebenstehenden Sachinformation animiert. Leichter gedacht als umgesetzt, erfuhren die beiden. „Es war ein Riesenaufwand“, schildert Göbel die lange Vorlaufzeit und die vielen Fehlschläge. Extrahierte Zähne waren zwar zur Hand, doch die hauchdünnen Schnitte, wie sie für eine derartige Fotografie gebraucht werden, wollten dem beauftragten medizinischen Labor trotz Spezialausrüstung lange nicht gelingen. Die Klinge barst mehrfach an dem harten Material. Schließlich lagen von 40 Schnitten drei brauchbare vor.

In Michael Vogl von der Agentur erwachte der Künstlertrieb, er fühlte sich in die Experimentierphase der Studienzeit zurückversetzt. Und legte los. Sein Ziel: Kunst kann auch Funktion erfüllen! In mehreren Versuchen färbte er die Schnitte mono-, di- und polychrom, fixierte sie auf Trägern. Um die Transluzenz zu verstärken, musste der Münchner Fotograf Georg Bresser die Objekte schließlich mit einer Laserblitzanlage und über Fiberglasleitungen von hinten ausleuchten. Die Kleinheit der Originale erforderte eine vielfache Vergrößerung, bis drei Millimeter rückte das Makroobjektiv ans Motiv. Die Fixiermasse warf Blasen. Die Oberfläche war nicht plan. Die Schnitte brachen. Kontraste mussten erhöht werden. „Wir haben mit der puren Transparenz des Schnittes gearbeitet“, erzählt Vogl der die Aufnahmen in Feinst-Arbeit abschließend retuschierte.

Im Februar 2006 stand der neue Internet- Auftritt. Sein Erfolg sei – allein angesichts objektiv gestiegener Zugriffszahlen – so „phantastisch“, schwärmt Göbel, dass der finanzielle Aufwand erst einmal in den Hintergrund rückt. Beide Zahnärzte dachten spontan: „Menschenskinder, das wäre ja schade, wenn wir die Bilder nicht in der Praxis ausstellen.“ Sie entschieden, die Kunst von der Homepage an die Wand in der Praxis zu bringen: In den nächsten Wochen gehen die Fotos in Druck, um künftig im Posterformat auch vor Ort die Patienten zu faszinieren. Und die Affinität der Praxischefs zu hochwertiger Technik abzubilden.

Drum prüfe, wer sich lange bindet

Zugegeben, für die Ewigkeit muss keine Praxiseinrichtung sein, doch zumindest auf lange Zeit haben sich die beiden Partner Dres. Ulrich Spohr und Stefan Schmidt in Kassel festgelegt: Verliebt in Räume mit ungewöhnlichem Grundriss im obersten Stockwerk eines schiffsähnlich geschnittenen Gebäudes planten sie von Anfang an die passende maritime Optik für ihre Kieferorthopädische Praxis ein. In enger Zusammenarbeit mit dem Architekten entstand ihr „Praxisschiff“, das mit zahlreichen Details die Authentizität der Symbiose von Architektur und Ambiente vermittelt.

Dazu zählen zum Beispiel im Wartebereich die Zier-Imbusschrauben in der hölzernen Beplankung ebenso wie die als Bullaugen gestylten überdimensionalen Vitrinen mit Infos zur Zahnpflege. Wellenmuster wiederholt sich in Griffen an Schränken und Türen, in mattierten Folien auf den Glaswänden und -türen der Behandlungseinheiten und täuscht dem Vorbeigehenden die Bewegung des Meeres vor. Symbole, wie Passagiere sie auf Schiffen vorfinden, markieren Hygienebereich und Toiletten. Leuchtleisten mit Halogenscheinwerfern im Boden weisen den Weg, eine Reling die Grenze. Ein rot-weißer Fisch ziert Info-Blätter und Terminzettel. Kurz: Die Praxis ist maritim durchgegestylt. Dennoch schlug der Architekt Henry Koch vor, Malerei mit ins Spiel zu bringen, um die Illusion zu vervollständigen. Die künstlerischen Ambitionen, die auf der architektonischen Grundstruktur beruhten, bedingten eben, auch bildende Künste zu nutzen.

Perfekt wird das schlüssige Meeres-Konzept durch die Wandmalerei des Kasseler Künstlers Laszlo Horváth auf einer über einen Meter breiten Säule im Empfangsbereich: Eine Unterwasseransicht inklusive Hai, Schatz, und Taucher vermittelt gerade den jugendlichen Patienten der Kieferothopäden einen Hauch von Abenteuer. Der besondere Trick für die Optik: Plexiglasscheiben mit Wellenkanten reduzieren die Suggestion dort, wo sie teilweise den direkten Blick auf die Malerei freigeben. Lichtreflexionen in diesen Scheiben dagegen verstärken die Wirkung des Bildes, vermitteln zugleich sichere Distanz, gerade als befände sich der Betrachter in einem schützenden U-Boot. Da ängstigt der offene Kiefer des Hais auch kleine Patienten nicht. Die direkte Wandbemalung findet sich in vier Behandlungseinheiten wieder: Hier entschieden sich Spohr und Schmidt für abstrakte Wolkenhimmel, die an die Weite auf See erinnern.

Damit die Suggestion lange Zeit hält, wurden die Wände grundiert, dann die vor Ort nach den konkreten Lichtverhältnissen gemischten Acrylfarben mit Pinsel, Air-Brush, Schwamm oder anderen Kunstgriffen aufgetragen. Acrylfarben trocknen schnell, das verkürzt die Arbeitszeit. Die anschließende Klarlackierung in verschiedenen Glanzarten verleiht dem Bild eine größere Tiefe, intensivere Kontraste und eine edle Note. Und schützt. Als Orientierungswert nennt der Künstler zum Beispiel für Wandmalerei im Wartezimmer einer pädiatrischen Praxis rund drei Jahre, bis nachgebessert werden muss. Drei bis vier Tage Produktionszeit veranschlagt Horváth für ein Wandbild von drei mal drei Metern. Vorausgesetzt, die Auftraggeber haben ihn vorab genau über ihre Wünsche informiert. Eine Woche hat er für die Entwürfe gebraucht, bis auch die Details stimmten: „Wenn ich an der Wand anfange, habe ich bereits das fertige Bild im Kopf.“ Schaut der Auftraggeber zwischenzeitlich herein, bringt ihn das daher nicht aus der Ruhe, dennoch kann er auf Änderungswünsche eingehen. Das muss ein Auftragsmaler unbedingt können, damit der Kunde sich in seinem Umfeld wohl fühlt. Und der Künstler muss damit rechnen, dass seine Pläne nicht in allen Details umgesetzt werden. In der Kasseler Praxis etwa sei auf seinen Clou der Säulengestaltung verzichtet worden, nämlich durch auf das Plexiglas geklebte Unterwasserelemente mehr Tiefe zu suggerieren, erinnert sich Horváth. Die Zahnärzte haben so die Option, diese Finessen später noch anzubringen.

Sollen im Zuge einer Renovierung Wände bemalt werden, schaut sich der Künstler die Räume am besten an, solange die Möbel an ihrem Platz stehen, damit nicht später das besondere Detail hinter der Arbeitsplatte, dem Bildschirm oder der Leuchte verschwindet. Von dem Motiv hängt ab, ob zwingend ein geglätteter Untergrund benötigt wird, welcher Putz sich eignet und mehr. Sinnigerweise handelt ein Praxischef aus, dass der Künstler ihm bei dieser besonders dauerhaften Bindung an ein Bild ein Unikat malt. Damit sich das Motiv nicht an der nächsten Ecke wiederfindet.

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