Handelsblattkonferenz zur Reform

Kompromiss bleibt Kompromiss

Zugegeben, es war purer Zufall, doch günstiger hätte der Zeitpunkt nicht sein können: Direkt nachdem die Koalition ihre umstrittenen Eckpunkte zur Gesundheitsreform vorgelegt hatte, lud das Handelsblatt am 6. Juli zur gesundheitspolitischen Debatte in Berlin ein. Auf dem heißen Stuhl saßen Annette Widmann-Mauz (CDU), Prof. Karl Lauterbach (SPD) und Daniel Bahr (FDP). Befragt von Prof. Eberhard Wille äußerten sie sich zu dem Kompromiss.

„Man kann sicherlich weiter werfen, aber ob das mit dem jeweiligen Koalitionspartner funktioniert, wage ich zu bezweifeln“, antwortete Annette Widmann- Mauz auf Willes Frage, ob sie mit dem Reformergebnis zufrieden sei. Bestimmte Leistungsbereiche aus der GKV auszugliedern, wäre mit der SPD nicht zu machen gewesen. Ohne Umschweife gab die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU zu, dass man zwar viel erreicht habe, die Wünsche und Vorstellungen aber nicht zu 100 Prozent durchsetzen konnte: „Ein Kompromiss ist ein Kompromiss.“

Geteilter Meinung

Den geplanten Gesundheitsfonds verteidigte sie dennoch als Einstieg in eine nachhaltige Finanzierungsstruktur, die mehr Transparenz in die Einnahmen wie Ausgaben der GKV bringen würde. Zugleich würde sich mit dem Modell der Druck auf die Kassen erhöhen, ihre Angebotsstruktur zu verändern. Widmann-Mauz: „In Zukunft heißt es: ein Beitrag, eine Stelle, ein Konto. Der Fonds vereinfacht den Beitragseinzug, baut damit auch die Bürokratie ab und entlastet die KVen von Arbeit.“

Im Unterschied zu Widmann-Mauz fällt das Urteil des SPD-Abgeordneten Prof. Karl Lauterbach fast vernichtend aus: „Was die Finanzierung angeht, hat die Reform nicht stattgefunden.“ In der Koalition hätte zusammen mit Merkel Einigkeit darüber bestanden, die Lohnnebenkosten über Steuern zu senken, doch dann hätte die Kanzlerin einen Rückzieher gemacht. Lauterbach: „Wir hatten das Problem der steigenden Beiträge – darum die Reform. Jetzt wird angekündigt: Steigende Beiträge. Die Reform ist deshalb gescheitert“. Den Fonds lehnt der Kölner Gesundheitsexperte ab: „Wir haben die gleiche Beitragsbasis. Über den Fonds wird es nur anders – komplizierter – abgewickelt.“

Für gut befinde er das Verhandlungsresultat nur im Hinblick auf die Strukturreform. „Positiv kann man sonst höchstens sagen: Es ist noch nichts verbaut.“

Verheerendes Signal

Ein „verheerendes Signal für den Arbeitsmarkt“ nannte Daniel Bahr, gesundheitspolitischer Experte der FDP, die Entscheidung, die Krankheitskosten nicht vom Lohn abzukoppeln. Der Fonds als gigantische Geldsammelstelle verwische, was der Einzelne für seine Gesundheit zahlt.

Individuelle Angebote, mit denen sich eine Kasse mit den anderen misst, fördere der Fonds nicht. Im Gegenteil. Statt über Leistungspakete liefe der Vergleich zwischen Kassen weiter allein über den Beitrag. Laut Bahr ebnen die Eckpunkte den Weg in ein zentralistisches Gesundheitswesen, weil sie den Wettbewerb zwischen den Kassen verhindern.

Ganze 95 Prozent der Gesundheitskosten liefen über den Fonds, der Rest über Steuern und höhere Beiträge, so Bahr. Der Steuerzuschuss sei also doch nicht nur für die Kinderbetreuung, sondern für allgemeine Finanzprobleme der GKV, folgerte der FDPAbgeordnete.

Nichts gefunden habe er zum Thema Generationengerechtigkeit und gerechtere Verteilung der Kosten. Insgesamt habe man die Probleme im Haushalt mit dem Fonds nur verlagert, nicht gelöst.

Bahr: „Wir hatten uns von der Reform mehr Transparenz, Wettbewerb, Freiheitlichkeit und Leistungsfähigkeit erhofft – hinter diesen Erwartungen bleiben die Eckpunkte weit zurück.“

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