Gastkommentar

Machtkampf

Das Kernelement der Eckpunkte zur Gesundheitsreform 2006 ist der Gesundheitsfonds. Zwischen Politik und Kassen dürfte ein harter Kampf um die Finanzautonomie entstehen. Letztlich geht es dabei um Machtfragen.

Hartwig Broll
Gesundheitspolitischer Fachjournalist in Berlin

Trotz der Vielzahl von strukturellen und kostendämpfenden Maßnahmen, die in den Eckpunkten zur Gesundheitsreform 2006 vorgesehen sind, dürfte sich die Hauptauseinandersetzung im anstehenden Gesetzgebungsverfahren um den Gesundheitsfonds drehen. Mit dem Fondsmodell möchte die Politik nichts weniger, als den Kassen ihre Finanzautonomie weitgehend zu entziehen. Lediglich der eventuell erforderliche Zusatzbeitrag darf in seiner Höhe noch von der einzelnen Kasse festgelegt werden – und alle Kassen werden versuchen, einen solchen zusätzlichen Beitrag tunlichst zu vermeiden.

Der bundeseinheitliche, durch regional organisierte Einzugsstellen erhobene Krankenversicherungsbeitrag macht die Kassen letztlich zu Zuweisungsempfängern, ein doch sehr staatsnahes System, vergleichbar einem überdimensionalen Hartz IV. Gleichzeitig verlören die Kassen auch die Aufgabe, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag einzuziehen, bislang eine für die Kassen durchaus lukrative Tätigkeit, der sie nach den Angaben des Bundesgesundheitsministeriums 30 000 Stellen verdanken. Diese Mitarbeiter sollen zukünftig für den Gesundheitsfonds den Beitragseinzug durchführen – eine gigantische, auf dem Reißbrett entworfene Bürokratie.

Und was hat die Politik mit dem Fondsmodell gegenüber dem jetzigen Zustand gewonnen? Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ein bundesweit einheitlicher, nur durch Gesetz oder Verordnung zu ändernder Krankenversicherungsbeitrag ein Signal der Stabilität und Verlässlichkeit, das sie an die Arbeitgeber aussendet – eventuell erforderliche Zusatzbeiträge müssten schließlich die Arbeitnehmer allein aufbringen. Und diese Zusatzbeiträge – handele es sich nun um Prämien in Euro und Cent oder um prozentuale Beiträge – seien ein sehr viel deutlicheres Preissignal in Richtung der Versicherten. Gleichzeitig versichert die Politik den Kassen und deren Mitgliedern, dass man den Fonds zumindest anfangs so ausreichend ausgestalten wolle, dass ein Zusatzbeitrag weitgehend nicht erforderlich sein werde. Mehr Wettbewerb bei – zumindest zunächst – einheitlichen Beiträgen, dieses Kunststück in der Argumentation hätte man in einer früheren Sozialisiationsphase der Kanzlerin sicherlich Dialektik genannt.

Ansonsten ist der politische Gewinn durch den Fonds äußerst überschaubar. Weder dient er zur Einbeziehung weiterer Versicherter auf Kosten der PKV, noch der Einbeziehung weiterer Einkommensarten. Die eigentliche Reform der Finanzierungsgrundlagen der GKV wurde schlicht verschoben. Der weitere Gesetzgebungsprozess wird zeigen, ob man sich seitens der Politik tatsächlich mit den Kassen, ihren Selbstverwaltungen und Verbänden anlegen will, um ein derart bescheidenes, noch dazu höchst umstrittenes Ergebnis zu erhalten.

Denn dass sich die Kassen mit dem Fonds nicht abfinden werden, erscheint nach Lage der Dinge als sicher. Finanzfragen sind immer auch Machtfragen, und deswegen darf man davon ausgehen, dass die Kassen und ihre Verbände nichts unversucht lassen werden, zumindest dieses Element der Eckpunkte wieder zu kippen.

Und derzeit erscheinen die Chancen dazu auch gar nicht so schlecht. Wahrscheinlich ist sich auch die Politik darüber im Klaren, dass sich der Fonds zumindest nicht bis zum Beginn des Jahres 2008 wird realisieren lassen. Es droht eine Technologiekatastrophe, die der bei der elektronischen Gesundheitskarte in nichts nachsteht.

Hinzu kommt, dass selbst der BMG-Abteilungsleiter Franz Knieps öffentlich geäußert hat, es sei noch gar nicht entschieden, ob der Fonds zukünftig die Beiträge einziehen werde. Aber wozu braucht man ihn dann überhaupt noch?

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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