Viele Vergiftungsfälle besonders im Frühjahr

Delikatesse Bärlauch kann leicht verwechselt werden

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Gerade im Frühjahr werden immer häufiger Vergiftungsfälle bei den zuständigen Vergiftungszentralen und in Krankenhäusern gemeldet. Ganz besonders häufig ist dies in den letzten Jahren zu beobachten, seit das würzige „Wildkraut“ Bärlauch als Tipp auf den Speisekarten der Sternepäpste und auf der Hitliste der Hobbygourmets steht.

Jeder, der im Frühjahr schon mal die A 5 Richtung Karlsruhe /Basel unterwegs war, kennt ihn. Den betörend typischen Geruch des Wildkrautes Bärlauch, eines parallelnervigen, in Büscheln wachsenden Blattwerks mit unscheinbaren weißen kleinen Doldenblüten und einer Höhe von bis zu etwa 45 Zentimetern. So wie sie im März/April bei den ersten Sonnenstrahlen auf feuchtem Waldboden (wie hier bevorzugt in den Wäldern der Altrheinarme oder anderen Flußauen) plötzlich auftaucht und ihren stark an Knoblauch erinnernden Duft verströmt, so schnell ist die Pflanze auch wieder verschwunden – bis zum nächsten Jahr. Die Tatsache, dass Bären nach ihrem Winterschlaf dieses Kraut, das im Volksmund auch unter Falscher Knoblauch, Wilder Knoblauch oder als Hexenzwiebel bekannt ist, als erste Nahrung zu sich nahmen, brachte der Delikatesse ihren Namen ein.

Seine Popularität als Bärlauchpesto über Nudeln, als Brotaufstrich, in Form eines Kräutermantels um das Sonntagsfilet oder als Farb- und Geschmacksbeiwerk zum Brotoder Nudelteig haben manchen Hobbykoch veranlasst, die aktuelle Küchenzutat vom Sonntagsspaziergang mit nach Hause zu bringen. Oftmals mit Folgen. Denn eine Verwechslung des Blattes mit dem der Herbstzeitlosen ist sehr schnell geschehen – wenn der Standort nicht berücksichtigt wird. Colchicum autumnale – die Herbstzeitlose – ist bekannt durch ihre krokusartigen, blau-violetten Blüten, die, wie derName schon sagt, im Herbst auf Trockenwiesen, die vornehmlich nährstoffarm sind, dem Betrachter Freude bereiten. Wer sie schon einmal gepflückt hat, hat sich sicherlich bewundert, dass es keine Blätter zur Blüte gab. Diese jedoch erscheinen im Frühjahr ohne Blütenstand und sind nach den trockenen Sommermonaten wieder verschwunden. Da auch Colchicum als Einkeimblättrige Pflanze zu den Liliengewächsen zählt, hat auch sie parallelnerviges Blattwerk, das dann mit der Bärlauchpflanze leicht zu verwechseln ist. Bärlauch jedoch braucht nährstoffreichen, feuchten Boden – idealer Ort sind also die im Frühjahr häufig überschwemmten Auenwiesen – und unbedingt einen schattigen, nicht zu warmen Platz zum Gedeihen. Das allein schon ließe eine Verwechslung gar nicht erst zu. Auch der Duft hilft, das richtige Kraut zu finden. Botaniker nennen als Unterscheidungsmerkmal vor allem den Geruch: Bärlauch riecht wie Knoblauch, die Blätter der Herbstzeitlosen haben im Gegensatz dazu keinen Geruch. Wer unschlüssig ist, zerreibt ein Blatt leicht zwischen den Fingern und prüft mit der Nase.

Vergiftung besonders nach Erhitzen

Wer Herbstzeitlose in den Salat mischt, kann unter Umständen noch mal Glück haben, werden die Blätter jedoch in der Suppe oder Sauce heiß gemacht, kann der Cocktail tödlich werden, so schreibt die Leiterin der Vergiftungs- und Informationszentrale (VIZ) Freiburg Dr. Maren Hermanns-Clausen. Besonders schwer betroffen sind ältere Patienten.

Die Symptome der „falschen Bärlauch-Vergiftung“ reichen vom normalen Durchfall über Erbrechen bis hin zum Multiorganversagen. In vielen Fällen waren die Leberwerte der Patienten deutlich erhöht, auch ein akutes Nierenversagen sowie Lungenödeme traten bei einigen Patienten auf. Der Wirkstoff Colchicin aus der Herbstzeitlosen bindet an das intrazelluläre Protein und hemmt dessen Polymerisation. Dies führt zu einer gestörten Proteinzusammensetzung im Golgiapparat, einer herabgesetzten Endozytose, einer veränderten Zellform, reduzierter Zellmotilität und einem Stop der Mitose im frühen Zellzyklus, der Metaphyse. „Körperzellen mit hoher Teilungsrate, wie das Knochenmark und die epitheliale Zellen des Gastrointestinaltraktes, sind besonders empfindlich“, so die Freiburger Wissenschaftlerin in einem Beitrag, der in der MMW Nr. 12 /2006 veröffentlicht wurde.

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