Leitartikel

Information erster Güte

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die stärkere Beteiligung von Patienten am medizinischen Entscheidungsprozess ist nicht nur eine gesundheitspolitische Forderung, sondern auch professionspolitische Notwendigkeit. Die Wissenschaft spricht von Partizipativer Entscheidungsfindung, kurz PEF genannt, oder von Shared Decicion Making. Sie gewinnt im komplexen Verhältnis zwischen dem Arzt und seinem Patienten zunehmend an Bedeutung und wird gerade von uns Zahnärzten als Bestandteil einer souveränen Zahnarzt-Patienten-Beziehung ausdrücklich begrüßt. Besonders seit Einführung der Festzuschuss-Systematik rückt dieser Aspekt stark in den Vordergrund. Deshalb hat gerade die Zahnärzteschaft in diesem Bereich eine Vorreiterrolle übernommen.

Der Patient kann sich nur dann am medizinischen Entscheidungsprozess adäquat beteiligen, wenn ihm – neben der individuellen Beratung durch den Zahnarzt – auch weitere Gesundheitsinformationen zur Verfügung stehen. Hier kann er auf ein ganzes Spektrum an Instrumentarien zugreifen. Dazu zählen zahlreiche, auch evidenzbasierte Informationen von Institutionen und Fachgesellschaften. Dazu gehört das qualitätsgesicherte flächendeckenden System der Patientenberatungsstellen der Kammern und KZVen. Hinzu kommt die Möglichkeit, das Zweitmeinungsmodell der KZBV in Anspruch zu nehmen, sich eine Zweite medizinische Meinung einzuholen, eine Begutachtung zu veranlassen oder im Streitfall die Schlichtungsstelle der Zahnärztekammer einzuschalten.

Fein säuberlich ist dabei das Zweitmeinungsmodell der KZBV zur Festzuschussberatung von der Zweiten Meinung, also der Abklärung einer medizinischen Entscheidungssituation bei schwerwiegenden Eingriffen oder vor einer kostenintensiven Behandlung, zu unterscheiden – Dinge, die in der Öffentlichkeit immer wieder vermischt werden. Zudem wird der Begriff oft missbraucht im Rahmen von auktionsählichen Internetbörsen, die wissenschaftlich wie auch berufsrechtlich bedenklich sind. BZÄK und KZBV sorgen für Klärung und werden in Kürze eine ausführliche Stellungnahme zu der Gesamtthematik veröffentlichen.

So viel aber jetzt schon: Das Zweitmeinungsmodell der KZBV erweitert das Patientenberatungsangebot insbesondere zur Zahnersatzversorgung vor dem Hintergrund des Festzuschuss-Systems. Die Patientenberatungsstellen bieten neutrale und fachlich fundierte Beratung zu Heil- und Kostenplänen an. KZBV und BZÄK fördern diese Initiative als sachdienliche Entscheidungshilfe für Patienten, die in Sachen Zahnersatz Bedarf an zusätzlichen Informationen haben. Davon zu unterscheiden ist die Zweite Meinung: Der Patient hat das Recht, sich zur Abklärung einer schwierigen medizinischen Entscheidungssituation eine weitere Meinung einzuholen. Sie kann nur von einem Fachmann (Arzt oder Zahnarzt) erfolgen und dient der Abklärung einzelner Fragen oder bezieht sich auf die Absicherung der diagnostischen und therapeutsichen Entscheidung des ersten Zahnarztes. Voraussetzung der Entscheidungsfindung ist eine ausführliche Befunderhebung und Diagnostik. Aufgrund fachwissenschaftlicher Erkenntnisse sind hier die Möglichkeiten in den letzten Jahren stark gestiegen. Zu verweisen ist hier auf das System der Neubeschreibung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, wo in eine Basis- sowie in eine erweiterte Untersuchung und Befunderhebung unterschieden wird. Wichtig für die Therapieentscheidung sind außerdem verhaltensdiagnostische Erkenntnisse sowie die extraorale und intraorale Befunderhebung. Das Ganze ist ein komplizierter Prozess, an dessen Ende die neue Diagnose und Therapieplanung stehen. Dabei kann die erste Meinung bestätigt werden – aber es können auch unterschiedliche Vorschläge erfolgen.

Im Mittelpunkt bei all dem steht für die Zahnärzteschaft der gut aufgeklärte Patient: Im Rahmen des fundierten Systems von Patientenberatung und Zweitmeinung/ Zweiter Meinung übernehmen die zahnärztlichen Organisationen ihre Verantwortung für eine qualitätsgesicherte Information des Patienten und leisten einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsförderung in der Zahnheilkunde.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dietmar OesterreichVizepräsident der Bundeszahnärztekammer

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