Lymphatische Hyperplasie am Gaumen

Differentialdiagnose der palatinalen Weichgewebs-Raumforderung

204849-flexible-1900
Heftarchiv Zahnmedizin

Eine 67-jährige Patientin wurde mit einer gut zwei Zentimeter durchmessenden, zuletzt über rund acht Monate deutlich progredienten Raumforderung am linken Gaumen vorstellig (Abbildung 1). Eine Verdickung der Schleimhaut war an gleicher Stelle bereits einige Jahre früher aufgetreten, bioptisch war allerdings zum damaligen Zeitpunkt lediglich eine entzündliche Veränderung der Schleimhaut nachgewiesen worden. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich eine schmerzlose, livide erscheinende Schwellung, die das Gaumengewölbe linksseitig ausfüllte. Die Läsion war von glatter Schleimhaut ohne Verhornungsstörungen vollständig bedeckt und zeigte keine Entzündungszeichen. Es fiel vor allem eine sehr prominente oberflächliche Gefäßzeichnung auf, die zunächst an ein neoplastisches Geschehen denken ließ.

Der Befund wurde lokal exzidiert. Im Anschnitt des Präparates zeigt sich ein knapp sieben Millimeter dicker, unmittelbar subepithelial gelegener, spärlich vaskularisierter septierter Tumor mit einer umgebenden bindegewebigen Kapsel (Abbildung 2). Die Wunde wurde der freien Granulation unter der Prothese überlassen. Im weiteren Verlauf über mittlerweile ein Jahr ist kein erneuter Progress aufgetreten.

Histologisch zeigte sich unter einem regelhaft geschichteten und dysplasiefreien Plattenepithel ein lymphatisches Infiltrat (Abbildung 3), das die submukös gelegenen, muzinösen Speicheldrüsen verdrängt hatte. Die flächigen lymphatischen Aggregate wiesen herdförmige und variabel große Keimzentren mit Kerntrümmer-Makrophagen auf (Abbildung 4). In der Ausschnittsvergrößerung wird die dichte Ansammlung von Lymphozyten in einem retikulären Bindegewebe erkennbar (Abbildung 5).

Die lymphatische Hyperplasie ist eine nicht neoplastische lymphoproliferative Erkrankung, die sich nur sehr selten im Bereich der oralen Schleimhäute manifestiert. Über eine isolierte Manifestation am Gaumen wurde bislang nur sporadisch berichtet, es sind hier nur rund 20 Fälle beschrieben worden [1, 2]. Das Krankheitsbild betrifft bevorzugt Frauen im mittleren und vor allem im fortgeschrittenen Lebensalter [3]. Laborchemische Parameter werden durch das Krankheitsbild nicht beeinflusst.

Klinisch imponieren die schmerzlosen Läsionen meist unilateral und finden sich, sofern der Oberkiefer betroffen ist, im Bereich des hinteren Hartgaumens. Im klinischen Verlauf ist ein sehr langsames aber kontinuierliches Wachstum typisch. In Einzelfällen wurden spontane Remissionen beobachtet aber auch rezidivierende Läsionen sind beschrieben worden. Die Ätiologie der lymphatischen Hyperplasie ist bislang unklar. Vermutet wird unter anderem eine chronisch irritative Entstehung. Zusammenhänge zum Sjögren-Syndrom oder zur HIV-Erkrankung konnten nicht nachgewiesen werden.

Die besondere klinische Bedeutung des Krankheitsbildes liegt in der diagnostischen Abgrenzung gegenüber einem extranodalen malignen Lymphom und insbesondere in der Abgrenzung zu Tumoren der kleinen Speicheldrüsen am Gaumen. Gerade das Adenoid-Zystische Karzinom kann unter einem praktisch gleichartigen klinischen Bild imponieren und über ähnlich lange Zeiträume symptomarm verlaufen (Abbildung 5).

Im vorliegenden Fall lag mit der deutlichen pathologischen Gefäßzeichnung ein wichtiges Alarmsignal vor, dass zwingend eine histologische Absicherung des Befundes indizierte. Aus diesem Grunde wurde auch eine Exzisionsbiopsie durchgeführt, um eine Fehlinterpretation durch ein nicht-repräsentatives Areal zu vermeiden.

Für die Praxis soll dieser Fall auf die differentialdiagnostische Problematik der Raumforderung am Gaumen hinweisen, die grundsätzlich einer histologischen Absicherung bedarf.

Dr. Dr. Christian WalterPriv.-Doz. Dr. Dr. Martin Kunkel Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität,Augustusplatz 255131 Mainz

Dr. Torsten HansenInstitut für Pathologie Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Langenbeckstr. 155101 Mainz

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