Erster Kongress Westfälisch-Lippischer Zahnärztinnen

Zahnärztinnen gestalten ihre Zukunft

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Weit über 50 Prozent aller Examenskandidaten im Fachbereich Zahnmedizin sind heute weiblich. Aber nach einigen Jahren der Berufstätigkeit entscheiden sich viele von ihnen vorübergehend für die Familie. Der Wiedereinstieg in die Praxis wird nicht nur durch die Schwellenangst erschwert, sondern auch durch eine Reihe von Stolpersteinen, die die Politik und die Gesellschaft den jungen Müttern in den Weg legen. Diese „Steine“ kamen anlässlich des ersten großen Zahnärztinnenkongresses in Münster ziemlich ins Rollen.

Knapp einhundert Teilnehmerinnen informierten sich hier über mögliche neue Arbeitsmodelle vor dem Hintergrund des geänderten Berufsrechts und über das Thema Altersvorsorge in Berufsständischen Versorgungswerken, vor allem im Hinblick auf Anerkennung von Erziehungszeiten durch den Bund sowie die finanzielle Absicherung ihrer Familie. Dass es sich bei dem Kongress um eine Auftaktveranstaltung handelte, darauf verwies der Präsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Walter Dieckhoff, in seiner Begrüßung nachdrücklich. Er habe die Initiative von Dr. Ursula von Schönberg, Frauenbeauftragte der Kammerversammlung der Zahnärztekammer, von Anfang an unterstützt und sei stolz, dass Westfalen-Lippe erneut eine Art Vorreiterrolle einnehme, den „Nachwuchs abzuholen“, um ihn berufspolitisch zu stärken und so auszustatten, dass der wichtigste Aspekt des Berufsstandes, die Freiberuflichkeit, ein geschützter und erhaltenswerter Bereich bleibe.

„Wir müssen selber gestalten und uns nicht von außen formen oder verformen lassen!“, forderte Dr. Ursula von Schönberg, Mutter von zwei Kindern, die neben ihren vielen politischen Ämtern auch noch eine Volltags-Zahnarztpraxis betreibt. Aufgrund der wachsenden Anzahl weiblicher ZahnMedizin-Studenten müsse die Berufspolitik auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Gruppe eingehen, die grundsätzlich Kinderwunsch, Familie und Berufsausübung „unter einen Hut“ bringen möchte. Das forderte auch der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, in seinem schriftlichen Grußwort. Er wandte sich ausdrücklich dagegen, jungen Zahnärztinnen womöglich lebenslange Assistenzstellen anzubieten. Sie sollten im Gegenteil ermutigt werden, Verantwortung in eigener Niederlassung zu übernehmen, um damit dauerhafte Abhängigkeit zu vermeiden.

Qualifizierte Frauen nötig

Die CDU-Landtagsabgeordnete, Marie-Theres Kastner, Münster, wies auf das Problem vieler Frauen hin, zwischen Karriere und Kindern entscheiden zu müssen. Viele Akademikerinnen übernähmen alleine die Verantwortung für diese Entscheidung, die alarmierend häufig gegen Kinder ausfiele. Kämen beide Elternteile konsequent für die Erziehung der Kinder auf, gäbe es langfristig kein demographisches Problem. Zunehmende wirtschaftliche Unsicherheit, gefolgt von der Sorge um die Stabilität der Partnerschaft seien Hauptgründe gegen Kinder. Erst dann komme der Aspekt der unzureichenden Betreuungsangebote. Die Politik müsse Rahmenbedingungen schaffen, in denen die Menschen – vor allem Frauen – ihr Lebensmodell frei wählen könnten.

Als bundesweit einzige Präsidentin einer Landeszahnärztekammer berichtete Dr. Brita Petersen, Bremen, kritisch über den Status quo in der berufspolitischen Landschaft. Die geringe Zahl der niedergelassenen Zahnärztinnen gebe Anlass zu Bedenken. Im internationalen Vergleich hinke Deutschland auch hier weit hinterher. In Polen seien lediglich 22 Prozent der Zahnärzte Männer. Im nationalen Vergleich gebe es im Westen 39 Prozent Niederlassungen von Zahnärztinnen und im Osten 52 Prozent. Auch in der Berufspolitik seien zu wenig engagierte Frauen aktiv. Das bemängelte auch Dr. Kerstin Löwe, ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende des FVDZ, und stellte die Frage nach „Mode oder Quote“. Sie forderte auf zur Frage: „Was passt zu mir? – Wie will ich mein Leben gestalten?“

Ein starkes Plädoyer für den Erhalt der Freiberuflichkeit hielt Professor Dr. Susanne Tiemann, Köln. Sie wies nachdrücklich auf die Pläne der Politik hin, Medizinische Versorgungszentren als Regelfall der medizinischen Versorgung zu installieren. Die neuen Möglichkeiten der Berufsausübung sollten kritisch betrachtet werden. Grundlage bleibe das Berufsrecht, für das man kämpfen solle und das nicht angetastet werden dürfe. Es setze wie das geplante Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, VÄndG, das Berufsrecht teilweise außer Kraft.

Altersvorsorge ein Problem

Über neue Möglichkeiten der Berufsausübung im Hinblick auf das VÄndG berichtete der Rechtsanwalt Theo Sander, Münster. Mit dem geplanten VÄndG werden Neuregelungen zu Zweigpraxen, überörtlichen Sozietäten und Angestelltenverhältnissen geschaffen. Alle angestellten Zahnärzte werden demnach Mitglieder in der Kassenzahnärztlichen Vereinigung. Die Tätigkeit des Vertragszahnarztes soll nicht wie bisher an einen Vertragszahnarztsitz gebunden sein. Die Vertragszahnärzte können unter bestimmten Bedingungen überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften gründen. Zur Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung können ambulant tätige Kassenzahnärzte künftig auch Zahnärzte anstellen. Teilzulassungen sind ebenfalls vorgesehen. Michael Jung, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV), Köln, wies auf die aktuelle Diskussion über Kindererziehungszeiten hin, die für Zahnärztinnen nicht vom Bund in Form von Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung (gRV) übernommen werden. Obwohl diese Nichtübernahme klar gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Grundgesetz verstoße, bleibe der Bund bislang bei seiner Position. Ein vor fast einem Jahr gefälltes Urteil des Bundessozialgerichtes, das die Forderung als rechtmäßig bestätige, lasse noch auf eine Wendung in der Angelegenheit hoffen.

Zahnärztinnen mit Kindern oder Kinderwunsch sollten sich der dadurch bedingten Ausfallzeiten bewusst werden und mithilfe ihres Versorgungswerks rechtzeitig entsprechend gegensteuern, forderte Dr. Brigitte Ende, Vorsitzende des Aufsichtsrates des Versorgungswerkes der Landesärztekammer Hessen.

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