Gleichheit versus Freiheit
Frank Spieth von der Linkspartei/PDS machte es sich einfach. Er richtete den politischen Spieß kompromisslos auf den Veranstalter: „Mit so fundamentalistischen Positionen werden Sie irgendwann nicht mehr ernst genommen.“ Eine heftige Reaktion auf den Eingangsvortrag des FVDZ-Bundesvorsitzenden Dr. Karl-Heinz Sundmacher. Aber der ließ keinen Zweifel, dass nach Ansicht des Verbandes „bei allen bislang angekündigten Maßnahmen“ im gesundheitspolitischen Bereich „nicht das Prinzip ‘mehr Freiheit’, sondern ‘mehr Gleichheit’ dominiert“. Mit der Umsetzung der Schmidtschen Pläne würde „Freiberuflichkeit im Gesundheitswesen endgültig abgeschafft und der finale Schritt zur Staatsmedizin mit abhängig Beschäftigten gemacht“. Die Alternative? „Eine Begrenzung des zahnmedizinischen Leistungskatalogs der GKV, Pflicht zur Versicherung von notwendigen und unverzichtbaren Kernleistungen, Abbau der Sachleistung, Ausbau der Kostenerstattung über Festzuschüsse, letztendlich Privatisierung des Zahnmedizinbereichs der GKV.“
Grundsätze, die denen des FDP-Abgeordneten Daniel Bahr nicht fern sind: „Es ist nicht sinnvoll, mehr Gleichheit zu betonen“, so der gesundheitspolitische Sprecher der FDP. Freiheit sei aber kein Hindernis für Solidarität, betonte Bahr im Sinne des FDP-Vorschlags für die langfristige Privatisierung des deutschen Krankenversicherungssystems.
Liberaler als noch vor einem Jahr stellte die nicht mehr an die Koalition mit der SPD gebundene Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Birgit Bender, die grünen Positionen heraus. Sie forderte „den Ausbau von Wahlmöglichkeiten für die Versicherten“ – allerdings innerhalb des Sachleistungssystems. Zwar dürfe das Gleichheitsziel, so die Grünen-Sprecherin, nicht überbetont werden, aber es bleibe bei der Absicht einer Bürgerversicherung.
Natürlich sieht auch die jetzt mit der CDU/CSU liierte SPD zwischen Freiheit und Gleichheit keinen Gegensatz. Gesundheitsausschuss-Mitglied Mechthild Rawert (SPD), weiß „im Grunde schon lange, woran unser Gesundheitswesen krankt“. Und die Therapie? Sie bleibt neben der altbekannten Forderung nach mehr Wettbewerb unter Leistungserbringern und der Bürgerversicherung vielleicht bis zu den Landtagswahlen am 26. März ein Geheimnis.
Auf dem dritten Weg
Auch der Koalitionspartner verschweigt Näheres: Zahnarzt Dr. Rolf Koschorrek (CDU) fokussiert auf das Modell der Niederlande, das „eine interessante Diskussionsgrundlage“ für den „3. Weg“ zwischen Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie sei. Die Einbeziehung der PKV in das System sei allerdings zur Verbreiterung der Einnahmen-Basis „ungeeignet“. Koschorrek: Die „bislang Privatversicherten als auch die privaten Versicherungsunternehmen genießen Vertrauensschutz“. Koschorrek bekannte sich aber auch klar zu mehr Wettbewerb: „Krankenkassen und Leistungserbringer sollen stärker über Umfang, Preise und Qualität verhandeln können“, allerdings „ohne dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen ausgehöhlt wird.“
Näheres bot der CDUler aber zur Absicht der Gesundheitsministerin, die Behandlungspflicht für Beihilfeberechtigte und standardtarifierte Privatversicherte einzuführen: „Die Koalition beabsichtigt nicht, die Gebühren in GOÄ und GOZ grundsätzlich abzusenken. Wir wollen keine rationierte Einheitsversorgung zu Einheitshonoraren“, versicherte Koschorrek, verwies aber auch auf den Druck der Länder, Beihilfeausgaben zu sparen und „die Versicherungsprämien für ihre Beamten im Griff zu halten.“
Gernot Schlösser, Vorstandsvorsitzender von der AXA Krankenversicherung AG, ahnt dagegen die Absicht für den Druck auf die PKVKostenschraube: Schmidts Ansinnen sei, die PKV in den Risikostrukturausgleich einzubeziehen und an die Altersrückstellungen zu kommen. Adressiert an die Zahnärzteschaft betonte Schlösser in Sachen GOZ-Novellierung: „Wir kommen nicht zusammen. Wir wollen Kosten senken, Sie wollen die Neubeschreibung ausloten.“
Tiefe Einschnitte in die Erträge der Zahnärzte befürchtet der stellvertretende FVDZ-Bundesvorsitzende Dr. K. Ulrich Rubehn: „Die Zwangsabsenkung auf den Standardtarifsatz bedeutet ... eine Minderung auf etwa 30 Prozent des vorherigen Ertrages.“ Generell warnt Rubehn vor den Vereinheitlichungs-Maßnahmen im „Babysitter-Staat“ Deutschland. Dr. Ernst-J. Otterbach, 2. stellvertretender Bundesvorsitzender, bemängelte, dass die positiven Ansätze der europäischen Rechtsprechung „unsere Verantwortlichen in der Politik weniger zum Umdenken motivieren“. Sie propagieren die gewonnene Freizügigkeit, um die vermeintlich teure und von Bürokratismen befrachtete Behandlung“ von heimatlichen Gefilden ins Ausland zu verlagern.
Sundmachers Resümee vor den Journalisten: „Das System steht auf der Rasierklinge, aber mehr Gleichheit mach es nicht zukunftsfähig.“