Aktuelle Untersuchung:

Mundgesundheit und MLQ in Heidelberger Altenheimen

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Ziel der Untersuchung

In dem Kollektiv der in vielen Bereichen gehandicapten Menschen, die in Pflege – und Altenheimen leben, erscheint es besonders wichtig, gerade die subjektive Einschätzung der oralen Situation zu kennen. Dies hilft, einen Behandlungsbedarf einzuschätzen, und gibt Hinweise auf mögliche individuelle Behandlungsziele.

Da sich bisher in Deutschland durchgeführte Studien zur mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität auf nicht in Heimen lebende Personen unter 79 Jahren beschränkten, wurde in mehreren Altenheimen in Heidelberg eine Erhebung der MLQ durchgeführt. Zusätzlich wurde der Mundgesundheitszustand überprüft.

Methode

In fünf Heidelberger Altenheimen wurden Probanden mit niedriger Pflegestufe (158 Teilnehmer, 83 Jahre im Mittel, davon 20 Prozent Männer) zahnmedizinische Befunde und zur Einschätzung der MLQ das OHIP vor Ort in den Heimen erhoben. Insgesamt wurde die Studie 196 zufällig ausgewählten Probanden angeboten, somit lag der Prozentsatz derjenigen, die teilnahmen, bei 81 Prozent. Die Untersucher dokumentierten die Art der prothetischen Versorgung, die Anzahl der Zähne, den DMFT-Index und die Anzahl an kariösen Läsionen sowie den Plaque- und Blutungsindex. Die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mit dem OHIP-G49 erfragt. Der Bogen wurde als Interview ausgefüllt. Die Fragen bezogen sich auf den letzten Monat. Um eine besonders deutliche Beeinträchtigung zu messen, wurden die Antworthäufigkeiten der „oft“- und „sehr oft“-Antworten betrachtet.

Ergebnisse

MundgesundheitIm Mittel hatten die Probanden noch acht eigene Zähne. Der mittlere DMF-T-Index lag bei 25, der niedrigste DMF-T eines Probanden war drei. Die Probanden mit eigenen Zähnen hatten durchschnittlich an zwölf Prozent von diesen kariöse Läsionen. Der mittlere GI-Grad lag bei eins. Nur vier der Probanden mit eigenen Zähnen hatten einen Plaqueindex von Null.

OHIPÜber 40 Prozent aller Probanden gaben an, im letzten Monat bei mindestens einer Frage des OHIP „oft“ oder „sehr oft“ beeinträchtigt gewesen zu sein. Die Anzahl dieser „oft”- und „sehr oft”-Antworten reichten bei den einzelnen Probanden von nur einer Antwort bis hin zu über zwanzig. Die häufigsten Beeinträchtigungen wurden in der Unterkategorie „Funktionelle Beieinträchtigung” gefunden, die wenigsten Beeinträchtigungen zeigten sich in der Kategorie „soziale Beeinträchtigung”. Am meisten wurden schlecht sitzende Prothesen bemängelt.

Ein Unterschied im Grad der Beeinträchtigungen, gemessen am Gesamtwert des OHIPs, zwischen verschiedenen Arten von Zahnersatz konnte nicht festgestellt werden. Signifikanten Einfluss auf das OHIP-Ergebnis zeigte sich aber bezüglich des Halts einer Prothese und dem Alter einer herausnehmbaren Prothese. Ältere Prothesen und schlecht haltende Prothesen erhöhten den Grad an Beeinträchtigung der Lebensqualität.

Diskussion

Auch diese Untersuchung in Altersheimen bestätigt wieder, dass sich in zu geringem Maße die Mundgesundheit älterer Menschen in Heimen zu verbessern scheint. Sowohl der Anteil an zahnlosen Probanden und auch der DMF-T-Index liegen im Bereich der Vergleichswerte der DMS-I und DMS-III aus den Jahren 1989 beziehungsweise 1997. Kaum einer der Probanden unsere Studie mit eigenen Zähnen hatte plaquefreie Zahnoberflächen. Mehr als zehn Prozent der eigenen Zähne hatten kariöse Läsionen. Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint, dass der letzte Zahnarztbesuch im Mittel über drei Jahre zurücklag. Somit erwächst auch dem Pflegepersonal eine Verantwortung, die weniger darin bestehen kann, minimalste kariöse Läsionen zu diagnostizieren, sondern den Altenheimbewohnern den Zugang zu zahnärztlichen Dienstleistungen anzubieten und für die Bewohner, die interessiert sind, eine Behandlung zu organisieren.

Im Bezug auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität war ein erheblicher Anteil der Probanden im letzten Monat oft oder gar sehr oft bei mindestens einer Frage des OHIP beeinträchtigt. Dies zeigt somit eine Beeinträchtigung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität dieser Bevölkerungsgruppe, gerade auch im Vergleich zu einer für die deutsche Bevölkerung repräsentativen Studie [17].

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass der häufig mangelhafte objektive Mundgesundheitszustand auch mit einer eingeschränkten mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität einhergeht, wobei diese Einschränkung sich bei Jüngeren mit ähnich schlechtem Mundgesundheitszustand vermutlich deutlicher bemerkbar machen würde.

Der Einfluss zahnärztlicher Parameter auf die MLQ ist aber begrenzt. Die Art des Zahnersatzes scheint für dieses Kollektiv – im Gegensatz zu anderen Kollektiven – keinen signifikanten Einfluss auf die MLQ zu haben. Dies zeigen auch Ergebnisse anderer Studien, die einen Rückgang des Einflusses des Zahnersatzes auf die MLQ im Alter und auch beim Heimklientel beschreiben. Die Funktionstüchtigkeit des jeweiligen Zahnersatzes hingegen – der Halt; das Alter, mit dem die Funktion häufig nachlässt – zeigte aber durchaus wichtigen Einfluss auf die MLQ. Den Ergebnissen dieser Untersuchung zufolge könnte ein Erkennen und Behandeln, beispielsweise einer Prothese, die insuffizienten Halt hat, die MLQ steigern. Somit besteht für den Zahnarzt eine Möglichkeit, die Lebensqualität zu erhöhen.

Es ist aber bekannt, dass zahnärztliche Faktoren nur einen Teil der Varianz in der MLQ erklären können. Es gibt weitere Faktoren – wie die allgemeine körperliche Verfassung, Bildung und sozialer Status – die ebenfalls die MLQ beeinflussen. Somit bleibt der Einfluss des Zahnarztes auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität wichtig – aber begrenzt.

Es müssen weitere Untersuchungen durchgeführt werden, um den Einfluss von Prophylaxemaßnahmen und prothetischen Interventionen – von kleinen Reparaturen bis hin zu Neuanfertigungen – auf die MLQ zu evaluieren. Das Ziel dieser Studien sollte die Entwicklung einer optimalen Behandlungsstrategie für in Heimen lebende Senioren sein.

Dr. Alexander HasselDr. Ulrich KokeProf. Dr. Peter RammelsbergPoliklinik für Zahnärztliche Prothetik, – GerostomatologieIm Neuenheimer Feld 40069120 Heidelbergalexander.hassel@med.uni-heidelberg.de

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