Gewerbesteuerpflicht durch angestellte Zahnärzte

Grenzwerte zu ermitteln

Bisher konnten Zahnärzte in Praxen lediglich als Vorbereitungsassistent oder Entlastungsassistent in einem Anstellungsverhältnis tätig werden. Nach dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) besteht nun die Möglichkeit, auch in einem dauerhaften Anstellungsverhältnis die berufliche Tätigkeit auszuüben. Bleibt zu klären, ob und wann Gewerbesteuer anfällt

Durch die Möglichkeit der Anstellung von Zahnärzten und die damit verbundene Expansion der Zahnarztpraxis nach dem VÄndG stellt sich die Frage, ob die daraus erzielten Einkünfte noch als freiberuflich oder bereits als gewerblich zu qualifizieren sind – mit der Folge einer Gewerbesteuerpflicht. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) erzielt der in eigener Praxis tätige Zahnarzt grundsätzlich freiberufliche Einkünfte. Hierbei darf er sich auch fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen. Voraussetzung ist jedoch, dass er weiterhin aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist. Unter „Leitung“ ist nach der Verkehrsauffassung die Festlegung der Grundzüge für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und die Durchführung der Tätigkeiten, die Fällung von Entscheidungen in grundsätzlichen Fragen und Überwachung des Ablaufs der Tätigkeiten nach den festgelegten Grundregeln zu verstehen. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt es entscheidend darauf an, ob der Berufsträger tatsächlich in der Lage ist, die Verantwortung zu übernehmen (BFG-Urteil vom 25. Oktober 1963, Az.: IV R 373/60, BStBl 1963 III 595).

Die Mindestanforderung an den Freiberufler

So genügt es nicht, dass der Berufsträger seinen Auftraggebern gegenüber die Verantwortung für die ordnungsgemäße Ausführung der Aufträge übernimmt und dass er durch Arbeitsplanung und Arbeitsverteilung, durch stichprobenweise Überprüfung, Erteilung von Ratschlägen, Entscheidungen in Zweifelsfällen und durch Festlegung der Grundsätze für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und der dienstlichen Aufsicht über die Mitarbeiter tätig wird.

Eine eigenverantwortliche Tätigkeit liegt nur dann vor, wenn die persönliche Teilnahme an der praktischen Arbeit in ausreichendem Maße gewährleistet ist. Die fehlende Mitarbeit am einzelnen Auftrag muss auf Ausnahmen und Routinearbeiten oder Vertretungsfälle beschränkt bleiben.

Überträgt der Berufsträger Aufgaben, die nicht lediglich einfacher oder mechanischer Art sind, auf qualifizierte Mitarbeiter, ist erforderlich, dass die Mitarbeiter nicht nur überwacht werden, sondern auch deren Tätigkeiten als solche des Berufsträgers erkennbar ist.

Wesentliches Merkmal der freiberuflichen Tätigkeit in Abgrenzung gegenüber der gewerblichen Tätigkeit ist die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Freiberuflers (FG Münster, EFG 2006, 1913 ff.).

Eine – unter steuerlichen Gesichtspunkten ungefährliche – leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit liegt somit nach der Rechtsprechung dann vor, wenn der Zahnarzt

• für die andere Arbeitskraft den Tätigkeitsbereich oder die Durchführung der Tätigkeiten organisiert

• in grundsätzlichen Fragen die Entscheidungen selbst fällt

• die Überwachung der Tätigkeiten der anderen Arbeitskraft nach festen Grundregeln übernimmt.

Die Grenze zur Gewerblichkeit wird nach Ansicht des BFH aber überschritten, wenn sich der Zahnarzt nur noch um besonders wichtige oder besonders schwierige Aufträge selbst kümmert und alles andere den angestellten Zahnärzten überlässt (BFH, Beschluss vom 7. Oktober 1987, Az.: X B 54, 87).

Allerdings hat das Finanzgericht des Sachsen-Anhalt in einer 24. August 2006 Az.: 1 K 30035/02) ausgeführt, dass eine eigenverantwortliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bei Beschäftigung eines einzigen weiteren approbierten Zahnarztes auch dann noch eigenverantwortlich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sein kann, wenn der angestellte Zahnarzt mindestens Teile der zahnärztlichen Arbeit selbständig erledigt.

Das gilt jedenfalls dann, wenn die Patienten die von ihm betriebene einzige Zahnarztpraxis in einer ländlich geprägten Gemeinde mit zirka 2 000 Einwohnern lediglich als seine Praxis verstehen und in ihrem Vorstellungsbild bei zahnärztlichem Behandlungsbedarf den Praxisinhaber – und nicht etwa den vorübergehend angestellten Zahnarzt – aufsuchen; wenn letzterer ihnen vielmehr unabhängig von seiner Approbation und seiner persönlichen Qualifikation nur als Helfer des Praxisinhabers erscheint, weil der Inhaber bei komplizierten Angelegenheiten hinzugezogen wird und für wirkliche oder vermeintliche Schwierigkeiten stets im Hintergrund zur Verfügung steht.

Das Augenmerk auf der Eigenverantwortlichkeit

In einer Entscheidung vom gleichen Tage hat das Finanzgericht des Landes Sachsen- Anhalt (Az.: 1 K 982/03) für den ärztlichen Bereich entschieden, dass ein Angehöriger eines freien Berufes, der sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, freiberuflich tätig ist, wenn er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Daran fehlte es in diesem Fall, da in einer anästhesiologischen Praxis mit angeschlossenem Druckkammerzentrum mehrere Ärzte angestellt waren, die große Teile ihrer Tätigkeit in Abwesenheit des Praxisinhabers außerhalb der Praxisräume erbrachten. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde eingelegt (Az.: des BFH XI B 155/06); das Verfahren jedoch nach Rücknahme der Beschwerde eingestellt (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2007, Az.: XI B 155/06).

Der BFH hat in einer Entscheidung vom 31. August 2005 (Az.: IV B 205/03) zur eigenverantwortlichen Tätigkeit eines Krankengymnasten Stellung genommen. Die für die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit aufgestellten Grundsätze im Hinblick auf den Beruf der ambulanten Krankenpflege seien auch auf den Katalogberuf des Krankengymnasten übertragbar. Überlasse ein Krankengymnast seinen fachlich vorgebildeten Mitarbeitern selbständig sowohl die Anamnese als auch den Großteil der anfallenden Patientenbehandlungen, so sei er nicht eigenverantwortlich tätig.

Fazit

Aus den bisher vorliegenden Urteilen kann festgehalten werden, dass die Beschäftigung zumindest eines vollzeitangestellten Zahnarztes oder zweier halbtags beschäftigter Zahnärzte auch nach dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz steuerrechtlich unschädlich ist. Voraussetzung ist in jedem Falle, dass der Zahnarzt aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.

Eigenverantwortlich ist die Tätigkeit eines Steuerpflichtigen dann, wenn er über seine leitende Tätigkeit hinaus persönlich an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang teilnimmt. Der BFH hat in mehreren Entscheidungen (BFHE 152, 147, BFHE 77, 750 und BFHE 159/535) darauf hingewiesen, es stelle ein zusätzliches Erfordernis für eigenverantwortliches Handeln dar, dass jede einzelne Arbeitsleistung der Mitarbeiter als solche des Berufsträgers erkennbar sein muss. Sie müsse den „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen tragen (BFH, Urteil vom 01. Februar 1990, Az.: IV R 140/88, BStBl 1990 II 507; anders nur im Bereich der Laboratoriumsmedizin BFH, Urteil vom 21. März 1995, Az.: XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 792). Das setze eine größere Intensität der Mitarbeit des Steuerpflichtigen voraus. Das Berufsbild des Arztes sei in besonderem Maße durch den persönlichen individuellen Dienst am Patienten geprägt. Hiermit korrespondiere, dass er für jede Leistung, die in seiner Praxis erbracht werde, nicht nur die organisatorische, sondern auch die personelle, rechtliche und ethische Verantwortung trage (BFHE 152, 147). Somit kann der durch die Zahl der Aufträge und der Mitarbeiter gekennzeichnete Umfang eines Unternehmens eines einzelnen Freiberuflers nicht beliebig vergrößert werden, ohne dass dadurch die Freiberuflichkeit in Frage gestellt wird.

Zahnärzte, die beispielsweise angestellte Zahnärzte in Zweigpraxen selbständig arbeiten lassen, müssen damit rechnen, Gewerbesteuer auf ihre Einnahmen zahlen zu müssen.

Dr. jur. Karin ZiermannVorstandsbeauftragte KZBVUniversitätsstraße 7350931 Köln

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