Leitartikel

Hart, aber fair \r

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer das Geklappere der gesetzlichen Krankenversicherungen seit Verabschiedung des GKV-WSG verfolgt, wer sieht, was für ein Dickicht unterschiedlicher Angebote die Versicherer zurzeit heranziehen, um gesunde Kunden zu fangen, der könnte tatsächlich glauben, das Zeitalter des rigorosen freien Wettbewerbs im deutschen Gesundheitswesen sei eingeläutet.

Aber Vorsicht: Das deutsche Gesundheitswesen ist weit von dem entfernt, was wir unter freiem Markt verstehen. Vater Staat bestimmt, wo es lang geht – und zieht in Wirklichkeit die Leine immer kürzer.

Uns Zahnärzten hat das Wettbewerbs-Diktat dieses Ei an anderer Stelle ins Nest gelegt: Für uns hat das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz die Gebote für den gelockerten Wettbewerb unter Heilberuflern aufgestellt und ins SGB V gebrannt. Für uns ist dieses Stück „Freiheit“, das der Gesetzgeber den Freiberuflern hier mit gönnerhaftem Gebahren offeriert hat, selbstverständlich begrüßenswert.

Aber es ist trotzdem nur ein Lockern bestehender Fesseln. Der gesetzliche Handlungsrahmen, Budget und Bürokratie bleiben, wachsen und gedeihen. Wir haben die Bewegungsfreiheit, untereinander zu konkurrieren, bleiben aber alle im staatlich oktroyierten Käfig.

Das sind die Voraussetzungen, unter denen Deutschlands 56 000 Vertragszahnärzte sich künftig im „freien“ Markt behaupten müssen. Ob in Einzelpraxis, in Praxisgemeinschaft, Gemeinschaftspraxis oder auch in überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaft. Ob allein oder mit angestellten Kollegen in Praxen ganz anderen Typs.

Wir werden sehen, was der zurzeit mit den Kassenverbänden – noch sind es ja mehrere – zu verhandelnde Bundesmantelvertrag hier hergeben wird. Wir haben hier die – wenn auch begrenzte – Freiheit, die Maßgaben so zu interpretieren, dass der künftige Wettbewerb für alle möglichst faire Startvoraussetzungen schafft. Und das nicht nur im Sinne des Versorgungsauftrages, sondern auch als ureigene Aufgabe zahnärztlicher Selbstverwaltung.

KZVen und KZBV haben hier keine „Stunde Null“ vor sich, auch wenn der Gesetzgeber immer wieder versucht, den neuen Rahmen als Start in eine Ära der Liberalität darzustellen. Unsere Gestaltungsmöglichkeiten fußen auf bestehenden und gültigen Maßgaben: Versorgungsauftrag, Musterberufsordnung und Abrechnungssystematik sind nach wie vor der Handlungsrahmen, in dem wir uns auch in dieser Phase der wettbewerblichen Orientierung bewegen müssen. Selbstverständlich ist, dass wir hier den 56 000 Mitgliedern, den Patienten und den bisherigen Maximen für höchstmögliche Qualität in der Ausgestaltung der Zahnheilkunde verpflichtet sind. Und der Gesetzgeber wird sich, auch wenn ihm diese Denkweise augenscheinlich immer schwerer fällt, erneut ins Gedächtnis schreiben müssen, dass medizinische und zahnmedizinische Versorgung in Deutschland vorrangig nach qualitativen und nicht nur ökonomischen Maßstäben ausgerichtet sein muss.

Gerade in Tagen, in denen große Politik unter der Prämisse aufgezwungener Globalisierung immer wieder impliziert, Wettbewerb sei oberste Maxime, müssen wir uns ins Gedächtnis rufen, dass die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens gerade darauf beruht, dass wir Ärzte und Zahnärzte unseren Patienten eine Qualität bieten, die auf dem Globus ihresgleichen sucht. Klar, das muss möglichst ökonomisch erfolgen. Aber billiger ist hier eben nicht besser. Ob das Durchdrücken von Praxisketten mit genormter, standardisierter Qualität das Allheilmittel der Zukunft darstellen kann, ist eine andere Diskussion. KZBV und KZVen haben die Aufgabe, keine bisher erfolgreichen Wege zuzuschütten, bevor klar ist, wohin neue, sicherlich auch experimentell angefärbte Wege führen.

Diese Überlegungen führen zwangsläufig dazu, dass wir allen praktizierenden Ärzten die Voraussetzungen bewahren müssen, weiterhin für ihre Patienten sorgen zu können. Deshalb stehen wir bereit, die alte Maxime der „gleich langen Spieße“, bisher gebraucht für die Verhandlungen zwischen Zahnärzten und Kassen, auch für die Ausgestaltung des Wettbewerbs unterschiedlicher Praxisformen zu erhalten.

Wettbewerb darf, so viel Selbstbewusstsein hat der Berufstand, hart sein. Aber Fairness gehört dazu.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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