Keramik-Symposium: Zirkonoxid und Implantate

Bewertung klinischer Erfahrungen mit Vollkeramik in der Implantatprothetik

Heftarchiv Zahnmedizin
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Der Blick in die Fachpresse zeigt, dass Zirkonoxidkeramik (ZrO2) nicht nur für Kronen- und Brückengerüste verwendet wird, sondern auch auf neue Indikationsfelder vorstößt – teilweise noch mit experimentellem Charakter. Das zeigte sich auf dem 6. Keramik-Symposium der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde e.V. (AG Keramik), das zusammen mit dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) stattfand.

Unter dem Leitgedanken „Vollkeramik – Evolution durch revolutionäre Materialien und Techniken“ stellte Prof. Axel Zöllner, Universität Witten-Herdecke, seine Erfahrungen mit ZrO2 in der Implantatprothetik zur Diskussion. Mit der ZrO2-Keramik steht der Praxis ein hoch belastbarer Prothetik-Werkstoff zur Verfügung. Dies belegen inzwischen mehrere universitäre Studien mit Überlebensdaten, die bis zu sieben Jahre frakturfreie Gerüste dokumentieren. Die biologische Verträglichkeit wurde mit dem FDA-Zulassungsverfahren bestätigt. Obwohl ZrO2 mit dieser Qualifikation das Feld der Implantatprothetik betreten hat, empfahl Zöllner, den Einsatz von Oxidkeramik für Suprastrukturen noch sorgfältig zu erwägen. So haben sich ZrO2-gefräste Abutments auf Enossal-Pfeilern aus Titan universitär noch nicht ausreichend qualifiziert, obwohl diese Technik bereits Eingang in die Praxis gefunden hat (Abbildung 1). Zöllner riet, die Pfeilerkappen von Implantatkronen mit anatomisch gestalteten Höckern auszustatten, um die Verblendung zu unterstützen und das Risiko einer Verblendfraktur (Chipping) zu vermeiden. Der Trend, Sofortimplantate mit vollkeramischen Suprastrukturen zu komplettieren, muss noch beobachtet werden, obwohl hier schon bedeutende Fortschritte erzielt worden sind.

Um Gingiva-Rezessionen zu vermeiden, sind supragingival gelegte Kronenränder angezeigt. Hierbei verhindern ZrO2-Abutments mit Gingivaformern das Durchschimmern des Titanpfostens. Das Kürzen und Formschleifen von konfektionierten ZrO2-Abutments birgt laut Zöllner die Gefahr, dass Überhitzung die Struktur nachhaltig schädigt und Mikrorisse entstehen. Damit Abutments dem natürlichen Emergenzprofil der Gingiva entsprechen, präferiert Zöllner, Mesiostrukturen individuell über einen digitalen Scan vom Modell anzufertigen. Das CARES-System (Straumann) bietet die Möglichkeit, individualisierte Abutments sowohl aus Titan als auch aus ZrO2 herzustellen, die mit dem Enossalteil verschraubt werden (Abbildung 2). Die finale Implantatkrone kann als VMK sowie aus Oxidkeramik (Al2O3, ZrO2) mit Verblendung oder als gerüstfreie Vollkrone aus Lithiumdisilikat-Keramik gefertigt werden (Abbildung 3).

Computer bereitet Implantation vor

Die Beschaffenheit des Knochenbetts kann heute mit der computerassistierten Radiologie abgebildet und die Position sowie die Eindringtiefe der zu inserierenden Enossalpfosten vorausbestimmt werden (Abbildung 4). Dabei hilft die stereolithografisch hergestellte Bohrschablone (NobelGuide), die Knochenbohrungen exakt zu setzen. Das CT-Scan ermöglicht auch, die Morphologie der Mesiostrukturen und Keramikgerüste im voraus zu berechnen. In geeigneten Fällen wird sogar eine Implantatbrücke vorgefertigt und zum Zeitpunkt des Eingriffs mit dem Sofortimplantat inkorporiert. Somit kann nach Glauser (2006) mit der schablonengeführten Chirurgie ohne Öffnen des Mukoperiostlappens das Enossalteil inseriert werden.

 Einteilige Zylinder- und Konus-Implantatpfeiler, industriell aus endgesintertem ZrO2 gefertigt, bieten auf den ersten Blick optimale ästhetische Eigenschaften (Abbildung 5). Die Osteoblastenbesiedlung am Enossalteil schreitet bei ZrO2 jedoch langsamer voran als bei Titan. Deshalb riet Zöllner aufgrund ausstehender Langzeitbeobachtungen zur Osseointegration noch zur Zurückhaltung, obwohl einige Studien Überlebensraten vom 92 bis 96 Prozent nach zwei bis drei Jahren prognostizieren. Eine schnellere Ausbreitung der Osteoblasten zeigen Enossalpfeiler aus ZrO2, deren Oberflächen maschinengefräst und aufgerauht sind.

Zwischen Krone und Implantat

PD Dr. Andreas Bindl, Universität Zürich, stellte mit „CAD/CAM-gefertigten Implantatversorgungen“ die Herstellung individualisierter Abutments aus ZrO2-Keramik vor. Bei Verwendung einer metallischen Suprastruktur rät Bindl, die Fügestelle von Kronenrand und Abutment aus ästhetischen Gründen subgingival abzusenken, um ein Durchschimmern des Metalls zu vermeiden. Aus parodontologischer Sicht ist jedoch eine supragingivale Platzierung des Kronenrandes vorteilhaft, um mechanische Reize auf das Parodont zu verhindern. Ferner kann die Fügestelle leichter gepflegt werden. Deshalb ist der Einsatz von ZrO2 als Abutment-Werkstoff angezeigt, um das Parodont zu schonen und die Ästhetik zu verbessern. Industriell präfabrizierte ZrO2-Abutments können laut Bindl im Mund manuell in Form geschliffen, die Stufe passend tiefergelegt und dann mit dem Enossalteil dauerhaft verschraubt werden.

Dieses individualisierte Aufbauteil kann mit der Cerec-Kamera lichtoptisch gescannt und aus der Zahndatenbank eine passende Krone ausgewählt sowie einokkludiert werden. Eine vollanatomisch geformte, gerüstfreie Silikatkeramikkrone kann aus einem Silikatkeramikblock, der wie Schmelz und Dentin über verschiedene Farbpigmentdichten verfügt, ausgeschliffen werden (Vita TriLuxe, Ivoclar Multishade). Eine Verblendung ist hierbei nicht erforderlich. Die Krone wird nach Politur oder Glasierung mit Monomerphosphat-Kleber auf dem Abutment dauerhaft befestigt. Dieses Verfahren hat sich in Zürich in bisher dreijähriger Beobachtung bewährt (Abbildung 6).

Sofortimplantate – klinisch möglich

Die zunehmende Kenntnis der biomechanischen Wirkung enossaler Implantate auf den periimplantären Knochen und ein wachsendes Patienteninteresse an einer Verkürzung der Behandlungsdauer haben die Nachfrage nach einer Implantation mit sofortiger, prothetischer Versorgung angeheizt. Unter dem provokanten Leitgedanken „Zahn raus – Schraube rein – Krone drauf“ analysierte Zahnarzt Sören Hansen, Wolfsburg, die Optionen für eine sofortige, verzögerte oder späte Implantatversorgung. Die Sofortversorgung nach Zahnverlust ermöglicht laut Hansen eine optimale Erhaltung der vorhandenen ossären und gingivalen Strukturen ohne aufwendige, rekonstruktive Maßnahmen. Das Sofortimplantat ist aber nur angezeigt, wenn ein ausreichendes Knochenangebot für die Primärstabilität vorhanden und das Weichgewebe entzündungsfrei ist. Damit können Papillen erhalten, ein alveolärer Kollaps und das chirurgische Öffnen des Mukoperiostlappens vermieden werden. Im anterioren Bereich des Unterkiefers und bei Schaltlücken im Seitenzahn bestehen dafür meist gute Voraussetzungen; bei Freiendsituationen ist Zurückhaltung angeraten. Im Oberkiefer mit überwiegender Spongiosa ist das Sofortimplantat im anterioren Bereich bei kleineren Schaltlücken und geringen Belastungen inzwischen eine bewährte Option. Im OK-Seitenzahnbereich sind kleine Schaltlücken bis Zahn 4 geeignet, andere Areale sind für Implantate kritisch. Bei intakter Alveole findet keine Atrophie des Limbus alveolaris in vertikaler und horizontaler Richtung statt; die Resorptionsfähigkeit des Knochens wird genutzt. Das Sofortimplantat ist aber dann problematisch, wenn die Knochensprungdistanz von 1,5 bis 2 Millimetern überschritten wird und Bindegewebe einwächst. Relativbewegungen zwischen Implantat und umgebendem Knochenbett müssen vermieden werden. Studien belegen mittlerweile in angezeigten Fällen die Praxistauglichkeit der Sofortversorgung von Einzelimplantaten in der anterioren Maxilla. Risikofaktoren sind Okklusionskontakte, Kontakte bei Potrusions- oder Sideshift-Bewegungen; beim Patienten sind es Nikotinkonsum, Bruxismus, Parodontopathien. Ein klinisch aussichtsreiches Ergebnis bietet die „verzögerte Sofortimplantation“, die sechs bis zwölf Wochen nach epithelialer Wundheilung und vor der knöchernen Konsolidierung erfolgt (Abbildungen 7 und 8). Grundsätzlich muss von der Sofortbelastung einer provisorischen Implantatkrone laut Hansen abgeraten werden, um die Einheilphase nicht zu stören – auch beim zahnlosen Oberkiefer. Eine Frühbelastung kann nach drei Wochen eingeleitet und progressiv parallel zur Remodellation des Knochens schrittweise gesteigert werden. Eine sprichwörtliche Sofortbelastung ist nur bei primärer Verblockung von mindestens vier Implantaten im Unterkiefer zu empfehlen. Bei der Sofortversorgung eines Einzelzahnimplantates bietet laut Hansen ein chairside arbeitendes CAD/CAM-System (Cerec) erhebliche Vorteile. Dadurch kann eine Suprakonstruktion ohne Abdruck und Modell kurzfristig hergestellt werden. Implantatkronen aus Silikatkeramik oder verblendeter Oxidkeramik sollten geklebt oder zementiert, jedoch nicht verschraubt werden, um eine Pfostenlockerung auszuschließen. Enossalpfosten mit stabiler Konusverbindung zum Abutment sind laut Hansen jenen mit Hexa- oder Octa-Verbindung vorzuziehen.

Manfred KernArbeitsgemeinschaft für Keramik in derZahnheilkunde e.V.Postfach 100 11776255 Ettlingeninfo@ag-keramik.de

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