Projekt „Gesundheitsfördernde Praxen“

Erfolgsfaktor Kommunikation

Heftarchiv Gesellschaft
pr
Patienten vertrauen ihrem Arzt, aber sie verstehen ihn nicht immer. Ärzte können dies ändern. Das ergab eine Studie der Universitäten Witten-Herdecke und Göttingen zu „Gesundheitsfördernden Praxen“, die der AOK-Bundesverband unterstützt hatte und die auf einer Fachtagung in Frankfurt/M. vorgestellt wurde. Dabei ging es um Konzepte für eine bessere Kommunikation zwischen Arzt und Patient in der Hausarztpraxis.

Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient zu verbessern und hierfür praxisrelevante Anstöße zu geben – dafür macht sich die AOK stark. In diesem Kontext fand am 27. Februar an der Universität Frankfurt/Main eine Fachveranstaltung des AOK-Bundesverbandes statt. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Hans Jürgen Ahrens forderte in seiner Einleitung mehr Engagement für Projekte, die zur Verbesserung der Arzt-Patienten-Kommunikation beitragen. Dazu müsse das Thema während des Medizinstudiums und auch in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung mehr in den Blick genommen werden. „Eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist ein wichtiger Faktor für den Behandlungserfolg und damit ein wesentlicher Bestandteil einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung“, betonte er.

Die Fachtagung verstehe sich als ein Auftakt für eine intensive Diskussion über neue Ansätze in der Arzt-Patienten-Kommunikation über Fachund Schulgrenzen hinaus, hieß es bei der AOK. Im Mittelpunkt stand die Vorstellung eines dreijährigen Forschungsprojekts, das von den Universitäten Witten-Herdecke und Göttingen gemeinsam durchgeführt wurde. Ein Wissenschaftlerteam rund um Dr. Ottomar Bahrs. Göttingen, untersuchte, wie Konzepte für eine bessere Kommunikation zwischen Arzt und Patient in der Hausarztpraxis umgesetzt werden können.

Hintergrund ist, dass der Anteil von Menschen mit chronischen Krankheiten kontinuierlich zunimmt. Chronische Krankheiten gehen zwar in der Regel mit Beeinträchtigungen einher, müssen aber nicht unbedingt alle Aspekte und Bereiche des Lebens betreffen. Es stellt sich die Frage, was Menschen gesund erhält beziehungsweise was ihre Gesundheit nachhaltig stärken kann. Die Wissenschaft spricht hierbei von salutogenen Ressourcen.

Dem Hausarzt kommt bei der Betreuung chronisch Kranker auch im Hinblick auf Prävention und Gesundheitsförderung eine wichtige Rolle zu. Deshalb hat sich das Projekt die Förderung der Wirklichkeit und Möglichkeit einer salutogenetischen Orientierung in der hausärztlichen Versorgung zum Ziel gesetzt. Es wurden exemplarische Fälle aus der hausärztlichen Praxis für die Aus-, Fort- und Weiterbildung aufbereitet, sei es per Video, als Hintergrundinformationen oder Diskussionsanleitungen. Außerdem erfolgte die Evaluation in interdisziplinären videogestützten Qualitätszirkeln. Ergänzend fanden themenbezogene Workshops und Interviews mit Patienten und Behandelnden statt.

Ein wichtiges Fazit des Wissenschaftsteams: Das hausärztliche Gespräch gebe dem Arzt die Möglichkeit, biographisches Kontextwissen über den Patienten zu nutzen. Die Bedeutung der Krankheit erschließe sich vor dem Hintergrund vorheriger individueller und familiärer Krisenerfahrung und des sozialen Kontextes. Ein Punkt, der häufig vernachlässigt werde, sei, dass sich Diagnose und Therapie immer auch auf die Lebenswelt des Patienten beziehen sollten. Jeder Patient integriere seine chronische Krankheit in spezifischer Weise in sein Leben, der Krankheitsgeschichte entspreche jeweils auch eine Gesundungsgeschichte.

Zeit effektiver nutzen

Die Untersuchung arbeitete heraus, dass zwar die Arzt-Patienten-Konsultation in der zur Verfügung stehenden Zeit begrenzt sei, die vorhandene Zeit aber nicht immer effektiv genutzt werde. Eine Berücksichtigung der Signale der Patienten hätte einen anderen Gesprächsverlauf ermöglicht. Es fanden sich Hinweise darauf, dass Patienten ihren Arzt weniger in Anspruch nähmen, wenn sie im Gespräch mehr Raum hätten. Wünschenswert wäre, so die Wissenschaftler, wenn mehrzeitlicher Spielraum für den Arzt auch mit einer entsprechenden Anerkennung (zum Beispiel einer Vergütung bestimmter gesundheitsförderlicher Gesprächstypen) verbunden wäre. Dazu gehöre aber eine Änderung der strukturellen Rahmenbedingungen.

Als Erfolg versprechende Methode arbeitete das Wissenschaftsteam den sogenannten Bilanzierungsdialog heraus. Hintergrund: Es erscheint sinnvoll, Gespräche zu institutionalisieren, in denen die Gesamtsituation des Patienten ins Zentrum rückt. Der Bilanzierungsdialog schafft für Arzt und Patient eine Interaktionssituation, in der beide aus der Routine heraustreten und sich gemeinsam neu orientieren können. Vergangenheit und erwartete Zukunft werden miteinbezogen, um eine realistische Zielvereinbarung zu treffen und konkrete Behandlungsschritte zu ermöglichen.

Auf Basis der Projektergebnisse haben die Wissenschaftler Schulungsmaterialien (videodokumentierte Gespräche, Begleitheft) zusammengestellt, die zum Beispiel im Unterricht, in der Fort- und Weiterbildung oder in Qualitätszirkeln eingesetzt werden können. Darüber hinaus wurde ein Fortbildungskonzept entwickelt mit interdisziplinären Qualitätszirkeln als Basis, ergänzt durch themenbezogene Begleitworkshops zur Arzt-Patienten-Kommunikation, Salutogenese, biographisch orientierte Einzelfallbetrachtung, Selbstreflexion und Einübung des Gesprächstyps „Bilanzierungsdialog“.

Qualitätszirkel bewährt

Das Instrument der Qualitätszirkelarbeit auf Basis von videodokumentierten Konsultationen habe sich, so die Wissenschaftler, als Forschungs- und Fortbildungsinstrument gut bewährt. Hierbei gehe es unter anderem um die Analyse nonverbaler Interaktionen oder hilfreiche Techniken der Gesprächsführung. Am Prozess der „Gesundheitsfördernden Praxen“ sei nicht nur der einzelne Arzt, sondern auch das gesamte Praxisteam beteiligt. Wichtig seien außerdem die Vernetzung im Kollegenkreis und gute Kontakte zu den anderen an der Versorgung beteiligten Ärzten und Therapeuten.

Sowohl das Wissenschaftsteam der Universitäten Witten-Herdecke und Göttingen wie auch der AOK-Bundesverband unterstrichen, dass die Ergebnisse des Projekts Relevanz für die Ausgestaltung von Disease Management Programmen (DMP) hätten. AOK-Chef Ahrens betonte, dass gerade bei chronischen Erkrankungen Arzt und Patient zu einem eingeschworenen Team würden, das auch einen langen Weg gemeinsam durchhalten könne. Die Idee eines partnerschaftlichen Verhältniss sei zum Beispiel bei den DMP-Programmen bereits umgesetzt worden. Die aktive Teilnahme des Patienten sei eine wichtige Säule der Therapie im Rahmen der Chronikerprogramme und werde erreicht durch spezielle Schulungen oder durch gemeinsame Vereinbarungen von Therapiezielen.

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