Leitartikel

Globalisierung - Raum für Gestaltung

Sehr verehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

die weltgrößte Dentalmesse IDS in Köln hat ihre Tore geschlossen, die Bilanz kann sich sehen lassen. Wieder einmal waren Ausstellerwie Besucherrekorde zu verzeichnen, die Veranstalter sprachen von der umfassendsten und attraktivsten Internationalen Dental Schau aller Zeiten.

Für den Praxisalltag konnten wir wichtige Botschaften aus Köln mit nach Hause nehmen: Natürlich dreht es sich auf der Messe primär um innovative Perspektiven, um Techniken, um Produktneuheiten und um Fortschritte der Dentalindustrie für die Praxis. Doch es geht dabei um viel mehr, nämlich um zukünftige Trends in unserer Disziplin: Zahnmedizin ist kein rein technisches Fach, sondern vielmehr ein Teil der Medizin. Sie nimmt den gesamten Menschen in den Fokus.

Deswegen spielen neue Aspekte der Diagnose und Befunderhebung für unsere Berufsausübung eine so besondere Rolle – zum Wohle der Patienten. Ich nenne nur das Stichwort Präventionsorientierung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Die Erfolge des präventiven Ansatzes hatte ja erst jüngst wieder die Vierte Deutsche Mundgesundeitsstudie (DMS IV) gezeigt. Auch diesbezüglich hat die Messe Impulse gesetzt – als Plattform für wissenschaftlichen und fachlichen kollegialen Austausch auf der Höhe der Zeit.

Allenthalben lesen und hören wir von der Gesundheitsbranche als Wachstumsmarkt und von der Jobmaschine Gesundheitswesen, zu der auch die Zahnarztpraxen mit ihren Beschäftigten ihren Beitrag leisten. Umso bedauerlicher ist es, dass die aktuelle Gesundheitspolitik konjunkturell eher als Stimmungsbremser wirkt. Die Zahnärzte reagieren – wer kann es ihnen verdenken? – entsprechend mit Investitionsunlust. Einvernehmlich hörte man auf der Messe alle sagen: Es gibt jetzt zur Zeit aus zahnärztlicher Sicht zwei schwierige Länder auf der Welt mit gebremstem Wachstum – Deutschland zuerst und dann Frankreich. Die gesundheitspolitischen Regulationstendenzen – wirken sich eher innovationshemmend und beschäftigungsfeindlich aus. Aus wirtschaftlichen Gründen ist der Regulationswahn der Gesundheitspolitiker hin zu einem offensichtlichen Weg in die Staatsmedizin jedenfalls nicht nachzuvollziehen. Hinzu kommt, dass der politische Dilettantismus einer von politischen Zwängen getriebenen Reform inzwischen abstruse Blüten treibt. Auch das macht unternehmerisches Planen in der Praxis nicht gerade einfach. Das Gerangel um die Reform, die bereits korrigiert werden muss, bevor sie überhaupt in Kraft tritt, zeugt von einem Armutszeugnis der Regierung und einem Beleg dafür, dass es der Koalition nicht etwa um Sachfragen, sondern allein um den Machterhalt geht.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass mit mehr Steuerung durch den Staat auch die wirtschaftlichen Probleme im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen seien. Geradezu das Gegenteil ist der Fall. Nach und nach ist die Politik nun dabei, das subsidiäre System der Selbstverwaltung und der freiberuflichen Praxisstrukturen durch staatliche Zwänge zu ersetzen. Dabei haben sich genau diese Strukturen über mehr als ein halbes Jahrhundert bestens bewährt. Freiberuflichkeit und freiberufliche Selbstverwaltung sind ein Teil unserer demokratischen Ordnung, sie funktionieren gut und in eigener Verantwortung des Berufsstandes und dürfen nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Einer rein ökonomischen Betrachtungsweise der zahnärztlichen Berufsausübung ist auch in Zukunft eine klare Absage zu erteilen. Wir werden jedenfalls alles dafür tun, die Freiberuflichkeit weiterhin in unserer nationalen wie internationalen politischen Arbeit zu verteidigen und zu erneuern.

Und noch etwas bot uns Zahnärzten die IDS: Den Blick über den nationalen Tellerrand. Im Gegensatz zu manchem, der die Globalisierung als Schreckgespenst betrachtet, sehe ich darin neue Möglichkeiten – für die Dentalindustrie, den Dentalhandel, aber auch für den Zahnarzt selbst in seiner Praxis. Das Kennenlernen neuer Ideen, Techniken und Forschungsergebnisse aus anderen Ländern, der Austausch von Fachlichkeit und Wissenschaft und die Kontakte zu Kollegen in aller Welt – das schärft nicht nur den Blick für das eigene Tun, sondern bietet auch Raum und Ideen für innovative Gestaltung. Und diese Option bietet für die Zahnärzteschaft Perspektiven – in der Standespolitik wie auch in der eigenen Praxis.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

IhrDr. Dr. Jürgen WeitkampPräsident der Bundeszahnärztekammer

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