Stellungnahme der DGP und der DGZMK

Behandlungsbedarf bei parodontalen Erkrankungen während der Schwangerschaft

Heftarchiv Zahnmedizin
Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK)

Schwangerschaft ist eine biologische Phase im Leben einer Frau, in der es zu erheblichen hormonellen Veränderungen kommt. Durch die Zunahme an weiblichen steroidalen Geschlechtshormonen, Östrogenen und Progesteron, werden via Rezeptoren auch extragenitale Strukturen – unter anderem das Parodont – beeinflusst. Die Gingiva besitzt Östrogen- und Progesteron-sensitive Rezeptoren [37, 38]. Über diese können die Hormone Einfluss auf die gingivale Gewebemorphologie der Schwangeren nehmen (erhöhte Gefäßpermeabilität [23], Gefäßproliferation [24], Fibroblastenproliferation [11, 26, 39]). Hierdurch können bereits bestehende plaque-induzierte Gingivitiden während der Schwangerschaft verstärkt [25] oder gingivale Erkrankungen auslöst werden. Im Zuge einer Schwangerschaft kann sich eine Epulis (pyogenes Granulom, Schwangerschaftstumor) als Sonderform dieser Beeinflussung ausbilden [5]. Dabei spielen Veränderungen der Immunabwehr (Abnahme an T3-, T4- und B-Zellen [1], verminderte Phagozytoseleistung durch Abnahme der Makrophagen und Granulozyten [36], verminderte Interleukin( IL)-6-Produktion [13, 20], gesteigerte ProstaglandinE2(PGE2)-Synthese [10, 28]) und der mikrobiellen Flora (Verschiebung des Gleichgewichts zu Gunsten der Anaerobier [18]) eine große Rolle.

Untersuchungen der letzten Jahre deuten darauf hin, dass eine unbehandelte Parodontitis ein Risikofaktor für eine Frühgeburt sein kann und demzufolge frühzeitig behandelt werden sollte.

Parodontalerkrankungen und Frühgeburt

Tierexperimentelle und klinische Studien zeigen einen möglichen Zusammenhang zwischen Parodontitis und untergewichtigen Frühgeburten.

Bei bestehender Parodontitis werden Bakterienprodukte gram-negativer Bakterien, zum Beispiel Lipopolysaccharide (LPS), freigesetzt. Makrophagen können nach Kontakt mit LPS verschiedene proinflammatorische Zytokine freisetzen, die eine wichtige Rolle bei der parodontalen Destruktion des Hart- und Weichgewebes spielen [19]. Bei parodontal erkrankten Patienten lassen sich erhöhte Werte an IL-6 [21], IL-8 [12], Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-a) [21], IL- 1b [35] und PGE2 [22] in der Sulkusflüssigkeit nachweisen. Im Fruchtwasser wurden diese Zytokine ebenfalls nachgewiesen und zeigen einen Anstieg bei Frauen mit vorzeitiger Wehentätigkeit [27].

Tierexperimentelle Studien

Tierexperimentelle Untersuchungen am Goldhamster haben gezeigt, dass LPS gram-negativer Bakterien (Escherichia coli und Porphyromonas gingivalis) einen dosisabhängigen, schädlichen Einfluss auf das fetale Gewicht (signifikant niedrigeres Fetalgewicht [6, 8]) haben und zu Missbildungen führen können [7]. Klinische Studien

Die Studien von Offerbacher und Mitarbeitern [32, 33] konnten unter Berücksichtigung aller anderen erfassten Risikofaktoren (multivariate Regressionsanalyse) zeigen, dass eine Parodontitis das Risiko für eine Frühgeburt um das 7,5-fache erhöhen kann. Prospektive Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und untergewichtigen Frühgeborenen hin [14]. In einer kürzlich erschienenen Meta-Analyse von Khader und Ta´ani (2005) [16] auf der Basis von zwei fallkontrollierten und drei prospektiven Kohorten-Studien, hatten schwangere Frauen mit parodontaler Erkrankung ein 4,3-fach höheres Risiko für eine Frühgeburt und ein 5,3-fach höheres Risiko für ein untergewichtiges Frühgeborenes im Vergleich zu Patientinnen mit gesundem Parodont.

Erste Trends einer Interventions-Pilotstudie zeigen, dass eine nicht chirurgische Parodontitistherapie den Schwangerschaftsverlauf günstig beeinflussen kann. Die Raten einer Frühgeburt waren in einer unbehandelten Kontrollgruppe höher als in der behandelten Testgruppe [15].

Im Gegensatz dazu finden sich Studien, die keinen Zusammenhang zwischen Parodontitis und untergewichtigen Frühgeburten zeigen konnten [9, 29]. Sowohl die Ethnizität als auch der unterschiedliche sozioökonomische Hintergrund der Studienpopulation in den verschiedenen Untersuchungsgruppen darf hierbei nicht vernachlässigt werden. Afro-amerikanische Frauen haben ein 2,4-fach höheres Risiko ein untergewichtiges und ein dreifach höheres Risiko ein sehr untergewichtiges Kind zur Welt zu bringen [17]. Auch in einer erst kürzlich erschienenen Studie aus Deutschland, in der nur deutsche schwangere Kaukasierinnen aus mittlerem und hohem sozioökonomischem Hintergrund teilnahmen, war das Vorliegen einer Parodontitis nicht mit einem erhöhten Risiko für ein untergewichtiges Kind assoziiert [31].

Parodontale Behandlung

Eine Parodontitistherapie während der Schwangerschaft muss sich am jeweiligen Befund, an bereits vorhandenen Risikofaktoren oder Komplikationen für eine Frühgeburt und am Schwangerschaftsalter orientieren (Tabelle).

Im ersten Trimenon und in der letzten Hälfte des dritten Trimenon sollten keine zahnärztlichen Wahleingriffe vorgenommen werden [3]. Sofern notwendig, erhalten die Patientinnen eine professionellen Zahnreinigung mit Mundhygieneunterweisung. Eine Schmerztherapie sollte in jedem Fall durchgeführt werden [3], da die Stresssymptomatik unter Schmerzen einen ungünstigeren Einfluss auf Mutter und ungeborenes Kind nehmen kann, als die negativen Folgen einer Behandlung.

Ergibt die Parodontaluntersuchung einen Hinweis auf eine entzündliche Zahnfleischerkrankung so ist das zweite Trimenon die sicherste Zeit, eine nicht chirurgische Parodontitistherapie durchzuführen [34].

Eine Röntgendiagnostik sollte nur ab dem zweiten Trimenon in Einzelfällen und unter Abwägung einer kritischen Nutzen-Risikoanalyse durchgeführt werden. Durch das Tragen einer Bleischürze wird die fetale Exposition auf ein Minimum reduziert, das sich gegen Null bewegt [2] (siehe hierzu auch Stellungnahme der DGZMK „Zahnärztliche Behandlung in der Schwangerschaft“,www.dgzmk.deoder www.zm-online.de ).

Chirurgische Parodontalbehandlungen sollten auf die Zeit nach der Geburt verschoben werden. Ein pyogenes Granulom, das die Nahrungsaufnahme behindert, Schmerzen verursacht oder stark blutet, sollte auch schon während der Schwangerschaft entfernt werden. Bestehen diese Beschwerden nicht, empfiehlt es sich, erst nach der Geburt die Exzision der Gewebewucherung vorzunehmen, da es in den meisten Fällen zu einer Spontanremission des sogenannten Schwangerschaftstumors kommt [3].

Liegt bei der Patientin ein erhöhtes Frühgeburtenrisiko vor (Gynäkologisches Konsil), sollte vor einer parodontalen Behandlung, bei der es zu einer transienten Bakteriämie kommt [4, 30], nach Rücksprache mit dem behandelnden Kollegen eine Antibiotikaprophylaxe überdacht werden. Bei der Auswahl der Antibiotika in der Schwangerschaft gelten die bestehenden DGP/ DGZMK Richtlinien zur Antibiotikaprophylaxe und -therapie aus dem Jahr 2003.

PD Dr. Petra Ratka-KrügerDr. Daniela Deimling, MDSDr. Mirjam KunzeHugstetter Straße 5579106 Freiburg

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