Leitartikel

In die richtige Spur

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es gibt neue Gesetze, die sind wie neue Autos: manche haben Kinderkrankheiten, oftmals läuft die Produktion nicht rund und mitunter stellt sich schon nach wenigen Wochen heraus, wo vorab nicht genügend intensiv geprüft, nachlässig produziert oder schlampig verarbeitet wurde. Und es gibt auch Montagsautos. So ist das auch mit neuen Gesetzen. Ein wesentlicher Unterschied jedoch ist folgenreich: es gibt keine (Gesetzes-) Rückrufaktionen.

Derlei Ungemach wird derzeit beim Vertragsarztrechtsänderungsgesetz und beim Wettbewerbsstärkungsgesetz deutlich. Da passt einiges nicht zusammen, da stehen sich manche in letzter Minute geänderten Regelungen im Wege, da finden sich manche Betroffene für ein Dreivierteljahr im rechtlosen Raum.

Für die KZBV beginnt nun die Kärrnerarbeit, die von der Politik vollmundig als Liberalisierung gepriesenen vermeintlichen Freiräume mit den Korsettstangen „Budget", „HVM" und „Sicherstellung der Versorgung" in eine funktionierende Form zu kriegen.

Für den Vorstand, der sich mit der Umsetzung des neuen Reformpaketes befassen muss, kann daher nur das gelten, was Köhlers Vorvorgänger Roman Herzog über bundesdeutsches Recht gesagt hat: „Gegen Gesetze darf man nicht verstoßen, aber man soll sie von Anfang an vernünftig interpretieren."

Wenn jetzt die Verhandlungen zur Neuregelung des Bundesmantelvertrages zwischen Krankenkassen und Ärzten beginnen – sie müssen die Bestimmungen des neuen Rechtspakets umsetzen –, wird den Verhandlungspartnern viel abverlangt. Was die Parlamentarier auf Vorlage des Bundesgesundheitsministeriums verabschiedet haben, fügt sich eben keinesfalls nahtlos in den bestehenden Rechtsrahmen tausender von Gesetzesparagrafen und Verordnungen.

Wenig hilfreich sind dabei schon im Vorfeld aufkeimenden Störrufe, die zahnärztliche Standesvertretung wolle die vom Gesetzgeber geschaffene Liberalisierung durch restriktive Umsetzung „torpedieren" oder gar die Politik „austricksen".

Nein – und abermals nein! Aber wir müssen, ganz im Sinne Roman Herzogs, bestehendes und durch die jüngste Reform nun einmal nicht verändertes, also auch künftig gültiges Recht mit berücksichtigen.

Liberalisierung heißt für uns, Regelungen zu schaffen, die es den niedergelassenen Zahnärzten ermöglicht, sich und ihre Praxisstruktur flexibel auf neuere Zeiten einzustellen und auf fachliche und betriebswirtschaftliche Veränderungen zu reagieren. Liberalisierung heißt nicht, berufsrechtliche Grundlagen zu unterpflügen und eine freiberuflich geprägte (zahn-) ärztliche Versorgung einem gewerblich orientierten Wildwuchs zu opfern. Die Gründung einer Zweitpraxis zur Verbesserung der Versorgung – einverstanden; die Anstellung von Zahnärzten, auch um veränderten internen beruflichen Entwicklungen Rechnung zu tragen – o. k.! Aber welche segensreiche Verbesserung der Versorgung haben die Patienten in – zum Beispiel – Cuxhaven, wenn ihr dort ansässiger (Haus-) Zahnarzt eine überregionale Berufsausübungsgemeinschaft (merke neues Kürzel: ÜBAG) mit Praxen in – zum Beispiel – München und/oder Bautzen gründen will? Und Liberalisierung heißt auch nicht, bei weiterhin begrenzten Mitteln das Fahrwasser für ausgefuchste kollegoide Budget-Manöver zu verbreitern.

Liberalisierung muss also heißen, dass das große MVZ und die kleine Einzelpraxis wettbewerblich unter gleichen Bedingungen agieren können. Hier ist es – gerade auch aus Gründen der Versorgungssicherheit – die Aufgabe der Selbstverwaltungen, gleiche Voraussetzungen zu schaffen und die neuen Gesetzesmaßgaben mit den weiterhin bestehenden Strukturen abzustimmen.

Die jetzt zu erarbeitenden Regelungen des Bundesmantelvertrages werden also die Feinjustierung des neuen Gesetzesfahrwerkes vornehmen müssen. Die neue Fahrdynamik muss in der richtigen Spur „auf die Straße" gebracht werden. Agile Motorleistung muss mit stabilisierenden Stoßdämpfern und den nun mal beibehaltenen Bremssystemen (besser: Systembremsen) abgestimmt werden. Freiberufliche Versorgungsstrukturen und eine bewährte Versorgungsqualität unserer Patienten fliegen sonst schon aus der ersten Kurve.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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