Leitartikel

Zahnärztliche Welt im Wandel

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist wohl eine der spannendsten Fragen und größten Herausforderungen, die die zahnärztliche Welt zurzeit bewegt: Warum gibt der Gesetzgeber der Selbstverwaltung die Möglichkeit, auf dem Weg zu Einheitsversicherung und Wettbewerb eigene Dienstleistungsgesellschaften zu gründen? Angesichts der Megaziele der Aufsicht – Zerschlagung der „Kartelle“, Abschaffung der Freiberuflichkeit – muss das argwöhnisch machen. Es wirkt wie ein Angebot zu einem „Tod auf Raten“. Das könnte es werden, sollten wir es nicht schaffen, die Interessensvertretung der Zahnärzte auf allen Ebenen zu koordinieren und Gegenmaßnahmen aufzubauen. Auch wenn die Vorstellung vom Abschied aus der scheinbar heilen Welt – keine Wettbewerber, kein Markt, keine Alternativen zum Sicherstellungsauftrag – schwer fallen mag: Es gibt keinen Weg zurück. Mit VÄndG und WSG wurden die Pflöcke zu tief eingeschlagen, als dass es möglich wäre, den Status quo einzufrieren und in dieser Kältestarre auszuharren.

Was sich abzeichnet, ist radikaler Wandel. Apotheker bilden Marktketten, Ärzte bereiten sich via Dienstleistungsgesellschaften und Kompetenzzentren auf einen Wettbewerb vor, dessen Terrain das BMG abgesteckt hat. Die schnellen Sprünge nach vorn zeigen: Heute werden die Weichen gestellt. Noch haben die Selbstverwaltungen die Macht, im Sinne ihrer Berufsgruppen das Gesundheitswesen zu gestalten. Allerdings müssen wir uns jetzt aufstellen. Denn die „schöne neue Welt” des Wettbewerbs ist Realität. Versorger, Anbieter und Körperschaften sind gleichermaßen betroffen. Wer meint, dass wir Zahnärzte verschont bleiben, der irrt. Die Gefahr ist groß, dass der Zahnarzt zu einer Art professionellem Dienstleister gemacht wird – mit einem entscheidenden Unterschied zu heute: Der „perfektionierte“ Vertragszahnarzt von morgen wird kündbar sein.

Nahziel des BMG ist es, durch Selektivverträge, Basistarif oder Praxisketten die Voraussetzung zu schaffen, ein System kombinierter Wettbewerbselemente zu etablieren, von dem der Staat bisher nur träumen konnte. Es ist der Weg zur Einheitskasse, zum Einheitssystem. Der Wettbewerb gibt den Versicherern – ob PKV oder GKV – die Möglichkeit, Patientenströme zu steuern. Auf Kostenträgerseite steht am Ende ein System weniger Marktmächte und Oligopole, das sich aus dem Topf von Voll-(„Grund“-) und Zusatzversicherungen füttert.

Die Kombination aus Kollektiv- und Selektivverträgen mit unterschiedlichen Konstellationen von Leistungsträgern gefährdet das von uns geschützte System rein kollektiver Vertragsverhältnisse. Konkurrenz in der Kollegenschaft und eine zunehmende Asymmetrie in den Verhandlungen zwischen einem künftigen Spitzenverband Bund der GKV und einer durch Selektivverträge geschwächten Allianz von KZVen und KZBV sind ein von Politik und GKVen bewusst herbeigeführtes System. Die strategische Basis heißt „Divide et impera!“.

Das schreit nach Widerstand, fordert die Interessensvertretung der Zahnärzteschaft auf allen Ebenen. Wir müssen uns aufstellen, den Oligopolen zu begegnen. Nicht durch Lamentieren und kurzsichtigen Protest. Im Gegenteil: Es geht um nüchterne Analyse, das gemeinsame Erarbeiten von Maßnahmen, um koordiniertes Vorgehen. KZVen und KZBV werden sich – gestützt durch intensiven Austausch im Rahmen eines Workshops in Bad Nauheim (die zm werden berichten) – für die Situation wappnen und gegensteuern. Es geht darum, das Kollektivvertragssystem möglichst zu erhalten und dort, wo es erforderlich ist, moduliert weiterzuentwickeln. Mehr noch: Wir müssen das Selektivvertragssystem mit unserem kollektivistischen Ansatz für den Berufsstand aktiv und für die Zahnärzte profitabel nutzen.

Sicher ist, dass wir auf der Strecke in diese Welt Veränderungen hinnehmen müssen. Wir brauchen ein „Migrationsmodell“, um den Anforderungen entsprechen zu können. Die Interessensvertretung unseres Berufsstandes dürfen wir nicht kampflos anderen überlassen. Bewegen wir uns nicht, werden wir bald fremdgesteuert sein. Praxisketten, Versicherer, aber auch fachfremde Kapitalgesellschaften dürften eine Kapitulation unserer Selbstverwaltung mit Freuden beobachten. Hier gilt es vorzubauen.

Noch haben wir die Chance, die Interessen des Berufstandes zu wahren, vielleicht sogar viel Bewährtes in ein weitgehend gespiegeltes, handlungsfähiges System zu retten. Die KZBV wird Vorschläge unterbreiten. Gehen müssen wir den Weg gemeinsam!

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Wolfgang EßerVorstandsmitglied der KZBV

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