Zwischenziel beim neuen EBM erreicht

Zehn Prozent mehr Honorar für die Ärzte

Heiß umkämpft – das erste entscheidende Zwischenziel beim neuen Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) der Ärzte ist erreicht. Am 19. Oktober klärten KBV und Krankenkassen bei den Honorarverhandlungen im Erweiterten Bewertungsausschuss letzte strittige Fragen. Ergebnis: Ab 2009 steigen die Punktzahlen der Ärzte um mindestens zehn Prozent. Die Hausärzte sind die Gewinner der Reform.

Pünktlich zum 1. Januar soll der neue EBM kommen. Damit ist ein Baustein im Rahmen der ärztlichen Honorarreform umgesetzt. Weitere werden folgen. Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Köhler spricht von einem „wichtigen Meilenstein“. „Aber“, so Köhler, „zufrieden bin ich noch nicht, da sich – wie wir das auch immer gesagt haben – erst ab 2009 die angespannte Honorarsituation der Ärzte und Psychotherapeuten verbessern kann.“ Wegen der gesetzlichen Aufrechterhaltung der bisherigen Budgetierung im Jahr 2008 würden die beschlossenen Verbesserungen im Wesentlichen aber erst 2009 voll wirksam.

Strittig war lange die Höhe des kalkulatorischen Arztgehaltes. Der Wert konnte jetzt von bisher 95 000 Euro jährlich auf 105 000 Euro angehoben werden, dem liegt eine Wochenarbeitszeit von 51 Stunden zugrunde. Damit wurde den Tariferhöhungen für Ärzte in Krankenhäusern Rechnung getragen. Die Einbeziehung der Mehrwertsteuererhöhung wurde berücksichtigt. Leistungen werden mit zehn Prozent mehr Punkten, bei Hausärzten mit 21 Prozent mehr Punkten bewertet. Allerdings ist es den Ärzten nicht gelungen, zusätzlichen Personalbedarf in den Arztpraxen und einen höheren Zeitaufwand durch gesteigerten Bürokratieaufwand in den neuen EBM einzukalkulieren.

Mehrbelastung

Derzeit liegt der Punktwert bei 3,72 Cent. Multipliziert mit der nun beschlossenen höheren Punktzahl von zehn Prozent für die einzelne ärztliche Leistung würde sich für die Kassen eine Mehrbelastung von 2,4 Milliarden Euro ergeben. Presseberichten zufolge (so etwa die Ärzte-Zeitung vom 22. 10. 2007) erachtet Köhler diesen Betrag für 2009 für die Ärzte als sicher. Alles hängt aber davon ab, welchen Orientierungswert Kassen und KBV im Herbst 2008 vereinbaren werden, um den neuen Sockelbetrag für das Honorarwachstum zu definieren und auf welche morbiditätsabhängigen Leistungsmengen sich KVen und Kassen einigen. Die Neuregelung weist jeder ärztlichen Leistung eine an dem Arbeitsaufwand des Arztes und den Kosten der Praxis orientierte Punktzahl zu. In einem zweiten Schritt wird der Wert des einzelnen Punktes ermittelt. Er betrug zuletzt im Durchschnitt bundesweit besagte 3,72 Cent. Die KBV habe, so die GKV-Spitzenverbände in ihrer Presseerklärung, eine Höherbewertung der Leistung von insgesamt 36 Prozent gefordert und dies mit der Mehrwertsteuererhöhung, höheren Vergütungen der Krankenhausärzte, einer verringerten ärztlichen Produktivität und dem kalkulatorischen Ansatz einer zusätzlichen Arzthelferin je Praxis begründet. Die Spitzenverbände hätten diesen Antrag als nicht ausreichend begründet beziehungsweise als teilweise fehlerhaft zurückgewiesen und Gegenanträge zur angemessenen Bewertung von Leistungen gestellt. Mit ihren Forderungen habe sich die Kassenseite jedoch am Ende nur teilweise durchsetzen können.

Im nächsten Jahr müssen die Ärzte wegen der Budgetierung jedenfalls erst einmal mit einem Verfall des Punktwerts rechnen, da die Kassen nur ein begrenztes Gesamthonorar zur Verfügung stellen werden. Die Honorarsteigerungen wird es also erst 2009 geben.

Köhler betont, dass nun wichtige Grundlagen für die Honorarreform ab 2009 gelegt seien. Sie werde den Vertragsärzten und Psychotherapeuten eine Gebührenordnung in Euro und Cent bringen. Ab 2009 werde das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen übergehen, damit erfülle sich eine alte Forderung der Ärzteschaft.

Hartes Ringen

Den Ergebnissen ging ein hartes Ringen voraus. Der Zeitrahmen für die Durchführung war eng, es drohte eine Ersatzvornahme durch das BMG und wegen der weit auseinanderliegenden Forderungen von Krankenkassen und Ärzten ließ sich ein Kompromiss nur durch Einigung im Erweiterten Bewertungsausschuss – unter der Vermittlung des Leiters, Prof. Dr. Jürgen Wasem, Universität Duisburg-Essen – finden.

Zugrunde liegt dem Ganzen die Gesundheitsreform. Sie legte seinerzeit fest, die Honorarregelungen für die Vertragsärzte und -psychotherapeuten zu ändern. Es sollten feste Euro-Beträge entstehen und die Honorarregeln insgesamt vereinfacht werden. Im neuen EBM sind die einzelnen Facharztgruppen sehr unterschiedlich behandelt. Während die Leistungsbewertung bei den Hausärzten um besagte durchschnittliche 21 Prozent steigen werden, wird die Leistung aller Fachärzte durchschnittlich ab 2009 nur um 5,38 Prozent besser bewertet. Die Orthopäden erhalten zum Beispiel ein Plus von lediglich 0,15 Prozent, Radiologen werden mit plus 10,16 Prozent bewertet, Neurologen mit plus 5,65 Prozent oder die Psychotherapie mit 16,30 Prozent.

Kritik aus den Fachverbänden

Kritische Stimmen werden aus den Fachverbänden laut. So spricht der Hartmannbund-Vorsitzende Dr. Kuno Winn von einem „Betrug auf hohem Niveau.“ Das zusätzliche Punktzahlvolumen werde 2008 aufgefressen von floatenden Punktwerten bei einer nahezu unveränderten Gesamtvergütung. Außerdem sorgt sich Winn um die unterschiedlichen Anhebungen bei den einzelnen Facharztgruppen und befürchtet einen innerärztlichen Konflikt um die Vergütungsanteile. Der Erfolg der Verhandlungen sei erst mit der Festlegung des neuen Punktwertes im Herbst 2008 zu beurteilen. Der Internistenverband rechnet vor, dass die aktuelle Unterfinanzierung in der ambulanten Versorgung bei acht Milliarden Euro liege, deshalb seien die zusätzlich in Aussicht gestellten 3,5 Milliarden Euro, die die Kassen auf der Basis heutiger Punktwerte im Jahr 2009 eventuell zusätzlich zahlen würden, zu wenig, wie Präsident Wolfgang Wesiak in der Ärzte-Zeitung (24. 10. 2007) zitiert wird. Die Aussicht auf den Euro-EBM und die Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen betrachtet er allerdings als positiv.

Der Hausärzteverband zeigt sich dem Zeitungsbericht zufolge zurückhaltend und will den neuen EBM erst einmal eingehend analysieren. Als einen richtigen Schritt bezeichnet Verbandschef Dr. Ulrich Weigeldt, dass Teile der Honorarstruktur, die die Hausärzte selbst entwickelt hätten, nun im EBM sichtbar seien und dass Multimorbidität anerkannt werde. Enttäuscht zeigte man sich darüber, dass für die Hausärzte nicht schon Honorarverbesserungen vereinbart worden seien, trotz drückender Unterversorgung und Nachwuchsmangel.

KBV-Chef Köhler meine, so das Deutsche Ärzteblatt (22. 10. 2007), dass die Hausärzte mit dem Behandlungsergebnis zufrieden sein könnten. Sie könnten von 2008 an durchschnittlich 1 562 Punkte pro Behandlungsfall abrechnen, bislang wären es nur 1 289 Punkte. Dazu kämen Kostenerstattungen und Laboruntersuchungen.

Erste Aufarbeitung in der Öffentlichkeit

Eine erste öffentlichkeitswirksame Aufarbeitung der Honorarreform der Ärzte erfolgte am 25. Oktober 2007 im Rahmen der Veranstaltung „KBV kontrovers – Die Honorarreform: reich an Chancen oder arm an Perspektiven?“. Franz Knieps, Abteilungsleiter im BMG, zeigte sich erfreut, dass es nicht zu einer Ersatzvornahme gekommen sei und dass die Selbstverwaltung ihre Konflikte selbst gelöst habe. Die Reform sah er für die Ärzte als reich an Chancen an. Sie werde die Verdienst- und Tätigkeitsmöglichkeiten der Ärzte verbessern. Auf eine Mengensteuerung könne aber nicht verzichtet werden.

KBV-Chef Köhler betonte, dass mit dem EBM 2008 die Basis für die neue Vergütung der Ärzte gelegt sei. Weitere Vorarbeiten müssten folgen. Durch die Pauschalierung sei die Transparenz nicht mehr ausreichend gewährleistet. Diese sei aber notwendig, um Leistungen und Morbiditätsentwicklungen zu dokumentieren. Sein Zwischenfazit: 2008 gebe es zusätzliche Belastungen und nicht mehr Geld. Eine Entspannung sei erst 2009 zu erwarten. Er sei aber zuversichtlich, dass sich die Instrumente bewähren würden.

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