Expertise zur Novellierung der GOZ

Elementare Prinzipien werden verletzt

Mit der Vorlage einer „Konsolidierten Fassung des Gebührenverzeichnisses“ hat die Arbeitsgruppe des Bundesgesundheitsministeriums ihre Arbeit am Leistungsverzeichnis einer neuen GOZ vorerst abgeschlossen. In einer fundierten Expertise an das BMG nahmen die BZÄK, die DGZMK und die wissenschaftlichen zahnärztlichen Fachgesellschaften Stellung. Die Quintessenz der Zahnärzte: Die Ausrichtung des Papiers am Bema ist unverkennbar – und aus fachlichen Gründen nicht vertretbar.

Bei der Erarbeitung des BMG-Leistungsverzeichnisses war die Bundeszahnärztekammer zeitweise beratend eingebunden. In dieser Funktion hat sie seit dem ersten Treffen der Arbeitsgruppe immer wieder darauf hingewiesen, dass die Beschreibung der Behandlungsleistungen in einer neuen Gebührenordnung zwingend am aktuellen Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft auszurichten ist. Als fundierte Grundlage hatte die BZÄK die in Zusammenarbeit mit der KZBV und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde entwickelte „Neubeschreibung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ erarbeitet und vorgelegt.

Zwar erkennen die BZÄK und die Fachgesellschaften an, dass in Teilen des jetzt vorliegenden Leistungsverzeichnisses die Anregungen der Bundeszahnärztekammer erkennbar berücksichtigt wurden. Insgesamt aber hat sich die BMG-Arbeitsgruppe über den von den Zahnärzten vorgelegten fachwissenschaftlichen Katalog hinweggesetzt und das Leistungsverzeichnis im Wesentlichen am Einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) ausgerichtet.

Sie kommen daher zu dem Schluss, dass das Papier fachwissenschaftlich fehlerhaft sei und elementare Prinzipien und Grundsätze einer modernen Zahnmedizin in Deutschland verletze. Es ignoriere anerkannte oralepidemiologische Forschungsergebnisse und verhindere eine präventionsorientierte, risikoadaptierte und individualisierte Behandlung. Die Mängel schlagen sich in ausnahmslos allen Abschnitten des Leistungsverzeichnisses nieder, wie die BZÄK und die Fachgesellschaften betonen. Bei dem erkennbaren Versuch, die Gebührenordnung in eine Erstattungsordnung umzuwandeln, würden an zahlreichen Stellen Einschränkungen definiert, die zahnmedizinisch-fachlich nicht haltbar seien und dem Einzelfall nicht gerecht würden. Da die GOZ die Behandlung von Menschen beschreibe, welche in ihrer Individualität unterschiedlichste Behandlungskonzepte erforderten, sei es unerlässlich, dass eine Gebührenordnung die Berücksichtigung dieser Individualität ermögliche. Willkürliche Leistungseinschränkungen verhinderten eine risikoadaptierte Behandlung des einzelnen Patienten.

Kernbotschaften der Stellungnahme

Die Kernbotschaften der Stellungnahme werden anhand ausgesuchter Beispiele im Folgenden in gestraffter Form aufgezeigt:

• Die Erhebung desMundhygienestatusist auf einmal pro Kalenderjahr beschränkt. Gerade in der Kinderzahnheilkunde zeigt sich besonders deutlich, welche fatalen Wirkungen eine solche Beschränkung hat. Die Leistung dient neben der Kontrolle auch der Motivation zur verbesserten Mundhygiene. Eine einmalige Berechenbarkeit pro Jahr ist zur Motivation absolut unzureichend. Auch außerhalb der Kinderzahnheilkunde stellt sich die Beschränkung als willkürlich dar. Insbesondere bei Patienten mit hohem Parodontitis- und Kariesrisiko ist eine erneute Erhebung des Mundhygienestatus in kürzeren Abständen erforderlich.

• Problematisch sind die Bestimmungen zurFluoridierung. Bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen, kann in Abhängigkeit vom Kariesrisiko zwei- oder mehrmals jährlich eine Applikation eines fluoridhaltigen Lackes erfolgen. Wissenschaftlich ist eine maximal dreimalige Berechnung pro Jahr nicht zu begründen. Bei kariesaktiven Kindern sollte die Frequenz der Fluoridlackapplikation unbedingt mehr als zweimal pro Jahr betragen, weil dann eine verbesserte kariesreduzierende Wirkung festzustellen ist. Die Empfehlungen der aktuellen Leitlinie zur Fluoridierung stützen sich auf Studien mit mehr als dreimaliger jährlicher Applikation von Fluoridlacken. Insofern entspricht die Vorgabe „maximal dreimal pro Kalenderjahr berechnungsfähig“ nicht den aktuellen Empfehlungen.

• Auch die Beschränkung derzahnärztlichen Frühuntersuchungauf den Zeitraum nach dem 30. Lebensmonat geht für die Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko an der Realität vorbei. Frühkindliche Karies setzt im Extremfall bereits kurz nach dem Durchbruch vor allem der Oberkieferfrontzähne ein. Es ist kaum zu begründen, einerseits Empfehlungen zur frühzeitigen Kontrolle auszusprechen, diese andererseits jedoch nicht in der Gebührenordnung widerzuspiegeln.

• Der Ansatz zurKariesrisikobestimmung, bei dem das Kariesrisiko erst bei Kindern über sechs Jahren zu bestimmen ist, ist unzureichend. Spätestens mit der Etablierung des Begriffs „Frühkindliche Karies“ wurde deutlich, dass Kariesrisikobestimmung bereits in der Durchbruchs- und der Funktionsphase des Milchgebisses eine wichtige Rolle spielt.

• Die Gebührenposition überEntfernung von harten und weichen Zahnbelägenist inhaltlich mit der bestehenden GOZ-Position vergleichbar. Jedoch ist diese nicht mehr zahnbezogen, sondern nur sitzungsbezogen berechenbar. Es gibt international keine Studie, die belegen würde, dass eine fachgerechte Entfernung von harten und weichen Zahnbelägen einschließlich Politur im genannten Zeitrahmen von 4,2 Minuten möglich ist. Es muss eine zahnbezogene Abrechnungsmöglichkeit geschaffen werden.

• Es ist festzuhalten, dass die vorhandenen Mängel in der Prävention zwingend zuhöheren Kosten im Gesundheitswesenführen werden, da diese nicht nur eine Ausweitung der restaurativen Maßnahmen mit sich bringen, sondern letztlich auch eine höhere Anfälligkeit und kürzere Verweildauer der Restauration bedingen.

• Insgesamt zeigt sich, dass dieBedeutung der Diagnostikfür eine der Individualität des Patienten Rechnung tragende Behandlung verkannt wird; auch und gerade, weil diese Leistungen durchgängig unterbewertet sind.

• Bei der großensozialmedizinischen Bedeutung der Parodontopathien, die auch in der Vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS IV) erneut deutlich zum Ausdruck kommt, ist es völlig unverständlich, weshalb die Fachargumente der Wissenschaftler, die nicht nur national, sondern international mit gleicher Stimme reden, in die Gestaltung der Gebührenordnung keinen Eingang gefunden haben. Es ist heute schon absehbar, dass es für einen Patienten und für einen Zahnarzt nicht zumutbar ist, nach den jetzt vorliegenden Entwürfen verantwortungsvoll zu diagnostizieren oder lege artis zu therapieren.

Appell mit Nachdruck

Die BZÄK, die DGZMK sowie die Unterzeichnenden der einzelnen wissenschaftlichen Fachgesellschaften appellieren mit Nachdruck an das BMG, die Verantwortung gegenüber der Gesundheit der Bevölkerung wahrzunehmen. Die Beratung über das Gebührenverzeichnis sollte auf der Grundlage der „Neubeschreibung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ wieder aufgenommen werden. „Da bereits mit der Neubeschreibung und deren Umsetzung in eine Honorarordnung der Zahnärzte erforderliche Vorarbeiten geleistet sind, wird eine Wiederaufnahme der Beratungen auf dieser Basis letztlich zu keinen nennenswerten Verzögerungen im Verordnungsverfahren führen.“, heißt es in dem Papier. „Letztlich kann und darf es auf ein oder zwei Monate ohnehin nicht ankommen, wenn das hohe Gut der Gesundheit der Patienten auf dem Spiel steht!“ pr/BZÄK

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