Gesundheitsberufe im Spannungsfeld Europa

Motor Freiberuflichkeit

Für Zahnmediziner, Ärzte und Apotheker in Deutschland ist gewiss: Freiberuflichkeit und ein funktionierendes Gesundheitswesen gehören untrennbar zusammen. Wie die europäischen Regeln und Richtlinien in dem Zusammenhang unsere Versorgungslandschaft verändern, das wollten der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) und die AG Gesundheit am 5. September in Berlin von Insidern wissen.

„Seitens der Regierung gibt es Bestrebungen, die Freiberuflichkeit abzuschaffen“, stellte BFB-Präsident Dr. Ulrich Oesingmann eingangs fest und machte damit deutlich, dass auch hierzulande Pläne kursieren, den Freiraum der Freiberufler einzuschränken. Während einige Politiker die Versorgung in Richtung einer durchstrukturierten Befehlsmedizin beugen wollten, hielten jedoch auch viele Kollegen das Ringen um die Freiberuflichkeit für eine rein fachliche Debatte statt für die Wahrnehmung sozialer Verantwortung in Zeiten von Verantwortungslosigkeit. Oesingmann: „Der positive Wert für die Gesellschaft scheint in Vergessenheit geraten zu sein.“

Dass das Bild der Freiberuflichkeit zurzeit stark gesetzgeberisch geformt wird, bekräftigte auch Eike Hovermann (SPD), Sprecher der AG Gesundheit. Vom Ergebnis der Verhandlungen zu EBM und GOZ, aber auch zur Zukunft der Krankenhäuser werde die Freiberuflichkeit enorm berührt sein. Zu erwarten sei ein Regulierungsschub, der alles Bisherige in den Schatten stellt und zudem immer stärker von der EU-Gesetzgebung ummantelt wird. Diese Einschätzung teilte auch der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp. Er hielt allerdings dagegen: „Im Sinne der Gesellschaft muss als Maxime stets gelten, dem Freiberufler so viel Staatsferne und Unabhängigkeit zu garantieren wie möglich.“

Gesetzgeberisch bestehen hier durchaus Spielräume – auch im Spannungsfeld Europa. Darauf machte Prof. Dr. Helge Sodann von der FU Berlin aufmerksam. Beispiel Krankenkassen. Zwar habe der EuGH entschieden, dass die Kassen als Körperschaften öffentlichen Rechts nicht als Unternehmen einzustufen sind. Er könne aber durchaus auch zu anderem Urteil gelangen. Erstens, weil sich für die GKV neue Freiräume eröffnet hätten, Stichwort Boni. Zweitens, weil sich das Sozialprinzip durch die mit dem GKV-WSG eingeführten Wahltarife und Selbstbehalte weiter relativiert habe. Die damit verbundene Risikoselektion verstärke die „schleichende Verdünnung des Solidarprinzips.“ Sodan: „Die GKV verliert quasi den Auftrag.“ Umgekehrt enthalte der Basistarif Aspekte des Solidarprinzips und nähere die PKV damit der GKV an. Beide müssten deshalb kartellrechtlich gleichbehandelt werden.

„Die Dualität von PKV und GKV schwindet“, pflichtete ihm Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke, TU Berlin, bei. Trotz ihrer bedrohten Lage sei die PKV allerdings in einem Strukturkonservatismus verhaftet. Während die GKV inzwischen Teile des traditionellen PKV-Geschäfts für sich reklamiere, verharrten die Privaten noch in Bewegungslosigkeit.

Andreas Meusch, Techniker Krankenkasse, stellte heraus, dass Einrichtungen wie der Spitzenverband Bund und der Fonds die Stellschrauben Richtung Staat weitergedreht hätten: „Diese Eingriffe bringen nicht mehr Markt, im Gegenteil.“ Was den G-BA betrifft, betonte dessen Vorsitzender Dr. Rainer Hess: „Zurzeit ist der Handlungsspielraum nicht eingeschränkt.“ Hess appellierte aber an die Selbstverwaltung, nicht nur das eigene Feld zu beackern, sondern die Möglichkeiten im G-BA zu nutzen, um an den Entscheidungsprozessen zu partizipieren: „Eine starke Selbstverwaltung ist ein Motor für die Freiberuflichkeit.“

Auf die Frage von Moderatorin Gudrun Schaich-Walch (SPD), was diese Entwicklungen für die Arzt-Patienten-Beziehung bedeuteten, antwortete Weitkamp: „Die Arzt-Patienten-Beziehung wird wesentlich dadurch bestimmt, dass der Patient selbst in der Lage ist, zu entscheiden, welche Leistungen für ihn wichtig sind. Die Kostenerstattung erleichtert ihm diese Entscheidung, sie schafft Transparenz und zudem die Möglichkeit, sich in Europa frei behandeln zu lassen.“ Weitkamp: „Uns Freiberuflern kann es deshalb nicht egal sein, wie der Patient versichert ist.“ Werde, wie es aussehe, eine neue Dienstleistungsrichtlinie verabschiedet, müssten die Mediziner sich dafür einsetzen, dass mit ihr die freie Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in Europa verbrieft sei. Hier wie teilweise bereits angedacht eine Beweislastumkehr bei Behandlungsfehlern einzuführen, wäre ein schlimmer Ansatz, führte er doch zu einem enormen Anstieg der Versicherungsnotwendigkeiten und damit letztlich zu einer Defensivmedizin. Weitkamp und Oesingmann stellten daher klar: „Der Arzt in Freiberuflichkeit ist die überzeugende Form der Versorgung für die Bürger in Deutschland.“

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