GKV-WSG auf dem Prüfstein

Schlagwort versus Schlagkraft

Seit April gilt das Wettbewerbsstärkungsgesetz in der GKV (GKV-WSG). Aber macht das Gesetz seinem Namen alle Ehre? Taugen die Bestimmungen überhaupt dazu, den Wettbewerb unter den Kassen zu stärken? Das fragte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin Franz Knieps vom BMG, den Chef der AOK Rheinland Wilfried Jacobs und Jurist Prof. Wernhard Möschel von der Uni Tübingen.

Warum der BDI sich für das GKV-WSG interessiert? „Gesundheit ist ein Wachstumsmarkt“, erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Dr. Carsten Kreklau zu Beginn. „Es wäre ein großer Fehler, wenn wir uns dem Sektor nicht zuwenden.“ Auch im Gesundheitswesen ginge es schließlich um Angebot und Nachfrage, also um Konsequenzen wirtschaftlicher Art. Gesunde und leistungsfähige Bürger seien nicht nur für das BMG von Belang, sondern ebenso für den Standort Deutschland. „Wir brauchen einen funktionierenden Preis- und Innovationswettbewerb unter Anbietern und Nachfragern im Gesundheitssektor. Das Kartellrecht sollte daher ohne Abstriche auf die Krankenkassen angewendet werden“, forderte Kreklau. „Wir haben zwar ein GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz. Neue Konstrukte wie der Spitzenverband Bund und der G-BA stehen aber eher für Bürokratieaufbau als für einen wettbewerblichen Ordnungsrahmen.“ Für den BDI formulierte Kreklau die Erwartung, dass der Wettbewerb unwirtschaftliche Strukturen im System beseitigt und stattdessen neue Impulse auslöst. Bisher habe die Politik das Ziel allerdings noch nicht erreicht: „Das Rad zwischen sozial gestalteter Versicherungspflicht und der Dynamik im Gesundheitswesen ist noch nicht geschlagen.“

Kurz und kompromisslos fiel das Urteil des Rechtswissenschaftlers Möschel aus: „Das Gesetz taugt überhaupt nichts!“ Die Herausforderungen durch die demografische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt blieben aus seiner Sicht weiterhin bestehen. Möschel: „Das Etikett stimmt nicht!“

Das Gesetz solle den Wettbewerb ankurbeln, heble ihn de facto aber aus. Weil die gesetzlichen Kassen in Deutschland keine Unternehmen sind, die Wettbewerbsregeln sich jedoch an Unternehmen richten, sei das Kartellrecht für die GKV nicht anwendbar.

Etikettenschwindel

„Die AOK wurde nicht erst mit dem GKVWSG zum Unternehmen gemacht“, widersprach AOK-Chef Jacobs. „Das ist die AOK seit 15 Jahren.“ Im Wettbewerb stünden die Kassen längst – und zwar untereinander. Das GKV-WSG habe jedoch neue Spielregeln implementiert – nun könnte die AOK im Rheinland zum Beispiel Individualverträge mit Orthopäden abschließen. Was den Einkauf medizinischer Leistungen freilich behindere, seien die Budgets. Mit Blick auf den kommenden Einheitsbeitrag in der GKV hob er hervor: „Wenn wir den Wettbewerb nach vorne bringen, dann über Qualität.“ Unternehmenspolitisch müsse es gelingen, den Versicherten zu vermitteln, dass nicht allein der Beitrag entscheidend ist, sondern auch das Angebot. Diejenigen Kassen werden den Wettbewerb gewinnen, die den Patienten helfen, gut durch den Medizinbetrieb zu kommen, und die patientenorientierte Leistungen anbieten. Jacobs: „Dass wir alle Leistungen in der GKV gleich honorieren wollen – darin besteht unser Problem!“

„Wettbewerb ist kein Ziel, sondern ein Instrument auf dem Weg zu einer besseren Versorgung, der Förderung von Innovationen und einer Optimierung der Ressourcen“, betonte Knieps. Jeder habe unterschiedliche Vorstellungen, wie Gesundheit organisiert werden soll. „Ich muss sehen, wie ich politische Mehrheiten erziele, um das Gesundheitswesen zu verändern.“ Die Pläne von SPD, Union und FDP seien nicht kompatibel, die Vorstellungen vom Systemwechsel daher Illusion. Dennoch sei er mit dem Kompromiss zufrieden, weil er größere Spielräume für die Kassen eröffne, zum Beispiel im Arzneimittelrecht. Ziel sei es hier, eine Balance zwischen den Herstellern und den Krankenkassen herzustellen. Ganz ohne Regulierung geht es nicht, stimmte Möschel zu: „Märkte für Gesundheitsleistungen sind einfach komplizierter als Märkte für Autoersatzteile oder Kochlöffel.“ Nur streife das Gesetz lediglich die Randbereiche, statt die Strukturen generell zu verändern. Folge: Die Anreizsysteme für die Kassen blieben beschränkt. Ginge es nach ihm, wäre der Kurs ein anderer: „Das System der PKV flächendeckend ausweiten, die GKV abschaffen.“ Möschel stellte jedoch klar: „Wir stehen nicht vor dem Zusammenbruch, aber auch nicht vor einem Paradigmenwechsel. Allein mit Schwarz-Gelb ergäben sich gewisse Chancen.“

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