Kinderzahnhilfe Brasiliens

Prophylaxe mit Internetdatenbank

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Die Kinderzahnhilfe Brasilien hat ein Hilfsprojekt in der Favela Rocinha in Rio de Janeiro gestartet. Mithilfe einer internetbasierten Datenbank koordiniert der Verein von Deutschland aus Prophylaxemaßnahmen für die Kinder des großen brasilianischen Armenviertels.

Im Februar dieses Jahres, eine Woche nach dem Karneval, stellten sich dreißig Vier- bis Sechsjährige aus der Kirchengemeinde Nossa Senhora da Nazaré im Gemeindezentrum der Favela Rocinha in Rio de Janeiro vor, um sich vom Karlsruher Zahnarzt Dr. Norbert Lehmann untersuchen und behandeln zu lassen. Ergebnis des Anfangsstatus: ein dmft-t von 4,5. Ein im internationalen Vergleich sehr schlechter Wert.

Mit dieser Bestandsaufnahme der Pilotgruppe hat die praktische Phase eines sozialen Projekts begonnen, das Lehmann im Juni vergangenen Jahres initiierte, um die zahnmedizinische Versorgung in der Favela nachhaltig zu sichern und den Kariesbefall innerhalb von fünf Jahren zu halbieren. Um die Initialphase des Vorhabens bis 2010 finanziell abzusichern, gründete Lehmann den Verein Kinderzahnhilfe Brasilien (Kibra), dessen Zweck die Förderung mildtätiger Projekte in dem südamerikanischen Land ist.

Bereits nach drei Jahren soll die Gemeinde für die Zahnhygiene ihrer Mitglieder und Schüler eigenständig Sorge tragen können. Schon Ende Juni dieses Jahres will Kibra 500 und bis zum Jahresende rund 2 500 Kinder betreuen. Dies ist dem Verein zufolge nur durch aktive Mitarbeit der Favela-Bewohner und mittels computergestützter Analyse zu erreichen.

Mütter machen mit

Ein entscheidender Pfeiler des Konzepts der Hilfsorganisation sind die Mütter in der Favela Rocinha. Da sie in der Regel wenig über Gesundheitsfragen wissen, unterrichtet sie Kibra in speziellen Kursen.

Wichtiges Bindeglied zwischen Kibra und den Kindern im Projekt sind zudem sogenannte Kontaktmütter. Fünf von ihnen bilden ein Team; jeweils einer Mutter sind 15 bis 20 Jungen und Mädchen zugeordnet. Sie wissen, wo die von ihnen betreuten Kinder wohnen, wo sie zur Schule gehen und wie ihre familiären Verhältnisse sind. Dies sei notwendig, da es in den Favelas keine Straßennamen und Hausnummern gebe, betont der Verein.

Speziell von Kibra ausgebildete Frauen aus der Favela übernehmen auch den Unterricht und das Zahnputztraining der Kinder. Plant eine dieser Prophylaxeassistentinnen einen Termin, informiert sie die Kontaktmütter. Diese tragen dann Sorge dafür, dass die ihnen zugeteilten Kinder vollzählig erscheinen. Die Aus- und Weiterbildung der Assistentinnen übernehmen neben Lehmann vier ehrenamtlich arbeitende brasilianische Zahnärzte.

Datenfluss von Rio nach Karlsruhe und zurück

„Es handelt sich um das weltweit erste, durch eine internetbasierte Datenbank gesteuerte Prophylaxehilfsprogramm für Kinder aus städtischen Armenvierteln“, sagt Lehmann. Die Datenbank ermögliche eine genaue Verlaufskontrolle über Hilfsprojekte. Den Verein hätten daher bereits Anfragen anderer Hilfsorganisationen zwecks Kooperation erreicht.

In Brasilien vermerkt die Prophylaxeassistentin die Teilnahme jedes Kindes mithilfe eines Laptops in der Kibra-Datenbank. Das System meldet, ob ein Kind erschienen ist oder aber nicht: Hat der kleine José in Rio sein Putztraining geschwänzt, löst dies auf dem Computer von Zahnarzt Lehmann im 10 000 km entfernten Karlsruhe einen Alarm aus. Dieser geht an die Prophylaxehelferin in der Favela, die dann die für José verantwortliche Kontaktmutter benachrichtigt. Diese wiederum sucht das Kind auf und sorgt dafür, dass der Termin nachgeholt wird.

So können Kibra zufolge Aktivitäten, wie Teilnahme am Hygieneunterricht, Putztraining, Fluoridierung, Plaquekontrolle und Zahnbürstenwechsel, lückenlos für jedes Kind überwacht werden.

Mit der eigens entwickelten Datenbank könne die Hilfsorganisation neben Einzelfallkontrollen auch Statistiken und Verlaufskontrollen der gesamten zahnmedizinischen Maßnahmen erstellen. Zudem erlaube das System einen Vergleich mit anderen Populationen, da sie auf internationalen zahnmedizinischen Standards basiere. So könnte der Erfolg des Hilfsprogramms überprüft werden.

Bereits 2011 soll das Projekt sowohl personell als auch finanziell unabhängig sein: Um die zahnmedizinische Versorgung dauerhaft gewährleisten zu können, werde die Gemeinde pro Monat von jedem Schüler einen Real, umgerechnet 25 Cent, erheben. Dies könnten die meisten armen Familien aufbringen. Laut Berechnungen von Lehmann können damit 5 000 Schüler einen Zahnarzt und eine Prophylaxehelferin finanzieren.

Das Projekt finanziert sich über Geld- und Zahngoldspenden sowie Mitgliedsbeiträge. Kibra setzt auf Kollegen, die einen ideellen oder materiellen Beitrag leisten wollen. Kooperationspartner ist die Egidius-Braun-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), die die Spenden bescheinigt und kostenlos treuhändlerisch verwaltet.

Reinhard SoglJournalistOb der Eichhälden 1876228 Karlsruhereinhard.sogl@t-online

Kontakt:Dr. Norbert LehmannLange Straße 8476199 KarlsruheTel.: 0721/882 311http://www.kibra.org

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