Gastkommentar

Mutmaßungen über eine Bundes-AOK

Die Krankenkassenlandschaft wird sich weiter ändern. Gedankenspiele der Bundesgesundheitsministerin über eine Bundes-AOK aber bleiben rätselhaft. War es ein Versuchsballon? Aber wohin sollte der aufsteigen? War es ein Ablenkungsmanöver, um Luft aus der Diskussion über den kommenden Einheitsbeitrag abzulassen?
Dr. Rudi Mews
Parlamentskorrespondent in Berlin

Flirten kann man ja schon mal, auch wenn dieser eher anheimelnd besetzte Begriff für manche Krankenkassen in einer Art Zwangshochzeit zu enden droht. Denn wer heiratet schon gern aus finanziellen Gründen und nicht aus Liebe? In der gesundheitspolitischen Szene gilt schon jetzt als ausgemacht, dass der Gesundheitsfonds weitere Kassenfusionen beschleunigen oder sogar ursächlich auslösen werde. Einige Propheten, beispielsweise Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, sagen sogar eine kommende Welle von Fusionen voraus. Warum die Bundesgesundheitsministerin aber ausgerechnet in diesem Herbst per Zeitungsinterview eine Diskussion über den Zusammenschluss aller Allgemeinen Ortskrankenkassen zu einer Bundes-AOK ausgelöst hat, bleibt enigmatisch, wenngleich Ulla Schmidt dies mit möglichen Einsparungen bei den Verwaltungskosten begründete. Angeregt hat sie damit jedenfalls nicht zuletzt Spekulationen bei den AOK-Beschäftigten, deutlichen Protest bei einigen AOK-Spitzenfunktionären und Widerspruch bei Politikern.

Die Interpretationen sind zahlreich. Interessant ist die Frage, ob die Gesundheitsministerin vielleicht selber nicht mehr an die Wirksamkeit ihres Gesundheitsfonds und den neuen Risikostrukturausgleich glaube. Doch darauf wäre die Antwort einfach: Die Ministerialen im Bundesgesundheitsministerium und im Kanzleramt sind fast die Letzten unter den Bedenkenträgern im Gesundheitswesen, die sich von den positiven Auswirkungen des Fonds noch überzeugt zeigen. Eine andere Vermutung, der Sozialdemokratin Schmidt falle es schwer zu akzeptieren, dass die AOK-Kassen noch der Länderaufsicht unterstehen, ist zu einfach. Denn der Hang zur Zentralisierung ist Genossen immanent, ansonsten wären sie keine. Ob dieser Wunsch freilich realisierbar ist, kann erst die nächste Bundestagswahl entscheiden. Schwerer wiegt schon die Frage, wie sich eine solche Ballung von Verhandlungsmacht gegenüber den Leistungsanbietern des weißen Marktes auf jenen Wettbewerb auswirken würde, der zwar im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung noch eine hervorgehobene Rolle gespielt hat, aber inzwischen auch unter Gesundheitsökonomen nur noch als marginal gehandelt wird.

Christa Stewens, Ex-Sozialministerin in Bayern, bezeichnete eine Bundes-AOK als inakzeptablen Machtblock, der alle anderen Leistungserbringer dominieren würde. Jürgen Peter, Vorstand der AOK Niedersachsen, lehnte die Gedankenspiele Frau Schmidts ab, weil er um die Kundennähe seiner Kasse fürchtet. Uwe Deh, AOK-Chef in Sachsen-Anhalt, verlautbarte schlicht, die Ministerin streue der Öffentlichkeit Sand in die Augen. Ahrens meinte diplomatisch, die AOK habe ihre Aufstellung noch immer den Markterfordernissen angepasst, Beispiel dafür sei die AOK Rheinland-Hamburg. Er könnte sich aber auch Fusionen mit Partnern außerhalb des AOK-Systems vorstellen.

Für die zahllosen Skeptiker gegenüber dem Gesundheitsfonds, nicht zuletzt die verfasste Zahnärzteschaft, lancierte indessen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein Fünkchen Hoffnung, das zugleich zum Menetekel für die Gesundheitspolitikerinnen Merkel und Schmidt werden könnte. Die bayerische FDP-Vorsitzende kündigte an, die neue schwarz-gelbe Regierung des Freistaates werde im Falle der Insolvenz einer bayerischen Krankenkasse sofort eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel starten, den Fonds zu stoppen. Dies sei mit der CSU im Koalitionsvertrag fest vereinbart. Und den hat Horst Seehofer, neuer Ministerpräsident in München, bekanntlich mit unterschrieben.

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