Gesundheitsfonds

Aufwand ohne Ende

Er schafft Bürokratie, stürzt die Kassen in die Pleite, ist der Einstieg in die Staatsmedizin und sorgt dafür, dass der Beitrag explodiert. Das sagen die einen. Mit ihm gibt es mehr Wettbewerb um die beste Versorgung. Sagt Ulla Schmidt.

Bis zu 2,50 Euro pro Mitglied verschlingt der Gesundheitsfonds pro Jahr, meldete jüngst der AOK-Bundesverband. Allein durch mehr Bürokratie. Ob die Hochrechnung der Boulevardpresse „Krankenkassen: 1,5 Milliarden extra – für die Verwaltung!“ für alle gesetzlichen Krankenkassen gilt, sei derzeit aber schwer zu beurteilen, schränkte AOK-Sprecher Udo Barske ein. Dennoch schlage der Aufwand enorm zu Buche: Kostentreiber sei dabei die Mitarbeiterqualifikation genauso wie die Werbung für den kostengünstigen Lasteneinzug und der Aufwand für Mahnverfahren. Besonders teuer werde es dann, wenn geprüft werden muss, ob die Sozialklausel greift und der Zusatzbeitrag ein Prozent des Gehalts übersteigt. Bei Zusatzbeiträgen müssen die Kassen nämlich Einzelkonten einrichten. „Aufwand ohne Ende“, wie DAK-Vizechef Claus Moldenbauer urteilte.

Der Erfinder des Gesundheitsfonds, der Dortmunder Ökonom Wolfram Richter, rechnet deshalb bereits für 2009 mit den ersten Kassenpleiten. Das seien dann die GKVen, die sich nicht auf den schärferen Wettbewerb durch den Fonds eingestellt hätten. Der werde einen enormen Druck ausüben, sagte er der „Berliner Zeitung“. Durch Zusammenschlüsse und Insolvenzen ginge die Zahl der heute rund 210 gesetzlichen Krankenkassen „drastisch zurück“, prophezeit der Experte. „Die Zeiten, in denen man eben mal eine Betriebskrankenkasse gegründet hat, um unter den Versicherten Rosinenpickerei zu betreiben, sind endgültig vorbei.“

Die AOK erwartet einen Beitragsanstieg von bis zu 0,9 Punkten. AOK-Chef Hans Jürgen Ahrens sagte, er gehe davon aus, dass der einheitliche Beitragssatz zwischen 15,5 und 15,8 Prozent liegen werde. Aktuell liegt er schon auf einem historischen Höchstsatz von 14,9 Prozentpunkten, einschließlich des Zusatzbeitrags von 0,9 Prozent, den nur die Mitglieder zahlen. Ahrens begründete seine Schätzung in der „FAZ“ mit den zugesagten Mehrausgaben für Ärzte und Kliniken – 6 Milliarden Euro oder mehr. Hinzu kämen die laufenden Kostenzuwächse für Arzneimittel und Krankengeld. In wenigen Jahren, so Ahrens, würden sämtliche Kassen von ihren Versicherten nicht nur den ohnehin kräftig gestiegenen Beitrag, sondern auch noch eine Zusatzprämie kassieren.

Finanzielles Fiasko

„Insgesamt werden die Kassenmitglieder dann also 1,9 Beitragssatzpunkte ohne Arbeitgeberbeteiligung aufbringen müssen“, sagte Ahrens im „Tagesspiegel“. Von einer paritätischen Finanzierung könne bei einer solchen Lastenverteilung keine Rede mehr sein. Der „Akt der Solidarität“ könne für manche Kasse sogar zum „finanziellen Fiasko“ werden. Weil die Rentner und Geringverdiener ganz schnell die Ein-Prozent-Grenze erreichten, werde man sich an den besser Verdienenden schadlos halten müssen – mit der zu erwartenden Folge, dass jene der teuren Kasse den Rücken kehren und deren Einnahmesituation weiter verschlechtern.

Ahrens hat trotzdem gut reden: Begünstigt der Fonds doch die AOKen und große Ersatzkassen wie die Barmer. Verlierer sind die günstigen, wie etwa die Techniker oder viele BKKen. Ihre Mitglieder werden künftig mehr bezahlen müssen – für die gleiche Leistung. Voller Widersprüche sei die Reform, klagen denn auch die Experten. So werde der Preiswettbewerb über den einheitlichen Beitragssatz ausgehebelt – und über den Zusatzbeitrag durch die kalte Küche wieder eingeführt. „Der Gesundheitsfonds ist ein weiterer Schritt auf dem Weg in die Staatsmedizin“, rügte überdies Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe und schlug eine Probephase vor. „Die Regierung legt nach wirtschaftlicher Opportunität und haushaltspolitischer Machbarkeit fest, wie viel Geld für die Versorgung der Patienten ausgegeben werden darf“, tadelte er. Der tatsächliche Versorgungsbedarf gerate völlig aus dem Blick. Hoppe: „Der Fonds in seiner gegenwärtigen Form ist eine zentralistische Geldsammelstelle, die unter gefälligem Namen Rationierung verfestigen wird.“

Die Einzige die mit mehr Wettbewerb in der GKV rechnet: Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Selbst der Zusatzbeitrag stärke ihrer Ansicht nach den Wettbewerb. „Es wird endlich einen offenen Wettbewerb um die beste Versorgung geben“, sagte sie der „Sächsischen Zeitung“.

Klarheit gibt es erst Ende Oktober. Dann will das Kabinett den Einheitssatz für 2009 beschließen.

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