Mensch und Maschine

Der Roboter mit empfindlichen Zähnen

Vor allem Hollywoods Drehbuchautoren können sich eine Zukunft ohne sie nicht vorstellen: Roboter, Humanoide oder Androide teilen in Science-Fiction-Welten mit uns Menschen Arbeitsplatz und Freizeit. Auch wenn sie wenig mit einem rollenden Blecheimer namens R2D2 aus „Star Wars“ gemein haben werden, scheinen die Filmemacher mit ihren Ideen nicht weit weg von der Realität zu liegen. Den prozessorgesteuerten Hightech-Geschöpfen steht eine unaufhaltsame Karriere bevor. Hersteller von Robotern in Deutschland konnten ihren Umsatz vergangenes Jahr um 22 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro verbessern – Tendenz steigend. Auch vor Zahnkliniken und Zahnarztpraxen machen die Maschinenmenschen nicht halt – bislang jedoch mit eher mäßigem Erfolg.

So manchen Zahnmedizinstudenten beschleicht ein mulmiges Gefühl, wenn er vor seinem ersten richtigen Patienten steht: Was sage ich – merkt er, dass ich nervös bin? Was, wenn etwas bei der Behandlung schief läuft?

Um den Sprung ins kalte Wasser für Studenten ein wenig angenehmer zu gestalten, hat sich jüngst das japanische Unternehmen Kokoro Co. Ltd. in Zusammenarbeit mit Dr. Naotake Shibui von der Nippon Dental University in Tokio etwas ausgedacht. Roboter sollen die zahnmedizinische Ausbildung revolutionieren. Nach zweijähriger Entwicklungszeit präsentierten die Robotikspezialisten nun der Öffentlichkeit eine silikonhäutige asiatische Schönheit, die jungen Zahnmedizinern in spe bei ihren ersten Gehversuchen in puncto Arzt-Patienten- Kommunikation weiterhelfen soll. Seit September 2007 ist ein Prototyp der Roboterdame mit dem Namen Simroid an der „Dental school“ in Tokio im Einsatz. Simroid soll kurioserweise Studenten beibringen, im Patienten den Menschen, und nicht ein Objekt zu sehen. Dazu verfügt der Roboter nicht nur über 32 sensorbestückte Zähne, sondern auch über die Fähigkeit zu Minimalkonversation und menschenähnlichen Bewegungen von Kopf und Armen. Simroid rollt mit den Augen, zwinkert, verzieht das Gesicht und sagt „Autsch!“, wenn der Bohrer den „Nerv“ eines Zahns erreicht hat. Rutscht dem Studenten ein Instrument zu tief in die Mundhöhle, reagiert der Dummy mit einem Würgereflex und sollte ein Jungzahnarzt der seelenlosen Dame zu dicht auf die Pelle rücken, registrieren auch dies Druckrezeptoren im Bereich der Brust. Sieht die zahnmedizinische Grundausbildung also einer rosigen Zukunft entgegen? Werden Maschinen bald scheuen Studenten mühelos das zwischenmenschliche Einmaleins vermitteln?

Schauspieler bevorzugt

Joachim Beck, Lehrkoordinator an der Uniklinik Heidelberg sieht dies eher skeptisch und hält die Innovation aus Fernost für den deutschen Lehrbetrieb für wenig relevant. Auch in Heidelberg steht seit geraumer Zeit das Thema Kommunikation mit dem Patienten vermehrt im Mittelpunkt der Ausbildung. Doch Gesprächsführung üben die Heidelberger zu Beginn mit ihren Kommilitonen, später mit engagierten Laienschauspielern, die verschiedenste Patiententypen simulieren. In Berlin sieht Oberarzt Dr. Peter Purucker vom Institut für Parodontologie der Charité die Lage ähnlich: Technischer Fortschritt müsse auch zur Verbesserung der Ausbildung genutzt werden, doch Simulationspatienten seien eine viel kostengünstigere Alternative, um den zahnmedizinischen Nachwuchs mit alltäglichen Praxisfällen vertraut zu machen. In Zeiten knapper Kassen ist dies gewiss ein schlagendes Argument gegen Simroid, der in seiner jetzigen Version mit knapp 62 000 Euro zu Buche schlagen würde – ohne Deutschkenntnisse und Updates.

Roboter als Aufpasser

Doch hochwertige Robotertechnologie muss nicht immer aus Asien kommen. Die drei Roboterkollegen Ofro, Mofro und Asendro haben ihre Wurzeln in Berlin. Sie haben gerade erst einen Großeinsatz hinter sich. Nach einer 7 300 Kilometer weiten Reise in die Volksrepublik China haben diese Modelle sozusagen „in heikler Mission“ bei den olympischen Spielen mitgewirkt. Ihre Aufgabe war es, das Gelände der Sportveranstaltungen gegen unbefugte Eindringlinge abzusichern. Die chinesischen Auftraggeber hatten sich für die drei elektronischen Wächtertypen entschieden, weil sie bereits bei der Fußball-WM 2006 ihren Einsatz mit Bravour erledigt hatten. Ihre speziellen Qualitäten im Sicherheitsdienst verdanken die drei allerdings weniger einer guten Nahkampfausbildung als vielmehr ausgefeilter deutscher Ingenieurskunst. Als Vorzeigeprodukte des Robotikunternehmens Robowatch haben gleich mehrere Expemplare der drei Robotermodelle während der Sommerspiele für die Sicherheit in und um Stadien gesorgt. Eigenständig patrouillierten sie nachts übers Gelände. Sie nehmen bei Weitem mehr wahr als jeder ihrer menschlichen Kollegen. Dank ihrer Wärmebildkameras erkennen sie auch sich versteckende Personen und mithilfe der Radarsensorik können sie sogar durch Wände schauen. Ausgestattet mit Sirenen und Alarmleuchten können sie unerwünschte Besucher in die Flucht schlagen – für weitere Maßnahmen sind im Ernstfall menschliche Kollegen zuständig.

Prestigeobjekt Roboter

Auch wenn die beschriebenen Beispiele ein wenig nach Science Fiction klingen, dürften sie Vorboten für unsere nähere Zukunft sein. Roboter werden peu à peu den Weg heraus aus den Maschinenhallen der Industrie in unser alltägliches Leben beschreiten.

Am wenigsten Berührungsängste mit den mechanischen Helferlein im Wohnzimmer scheint man in Japan zu haben. Besonders die humanoiden, also menschenähnlichen Roboter sind mittlerweile zum Prestigeforschungsobjekt großer Konzerne, wie Mitsubishi, Honda oder Toyota, geworden. Das mag zum einen mit der Technikverliebtheit der Asiaten zu tun haben. Doch gerade in Japan hat die Fokussierung auf diesen Forschungsbereich auch einen ganz pragmatischen Hintergrund: Der demografische Wandel beschert dem Land der untergehenden Sonne schon jetzt einen Anteil von 21,6 Prozent der Altersgruppe 65Plus an der Gesamtbevölkerung – und die Überalterung geht weiter. Bei einer Lebenserwartung von über 82 Jahren dürfte da die vollautomatische Pflegehilfe für so manchen Gesundheitsökonomen eine willkommeneLösung sein. Auch hierzulande steht uns ein ähnliches Schicksal bevor: Während weltweit im Schnitt nur etwa acht Prozent der Gesellschaft aus Senioren bestehen, liegt Deutschland zusammen mit Italien direkt hinter Japan bei 20 Prozent.

Kein Stiefkind der Forschung

Kein Wunder also, dass auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung Robotik-Projekte bereitwillig unterstützt. Allein die Entwicklung von Assistenzund Servicerobotern fördert das Ministerium bis zum Jahr 2009 mit etwa 33 Millionen Euro. Nicht mit eingerechnet sind dabei Gelder von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die seit 2001 einen ganzen Sonderforschungsbereich zum Thema „Humanoide Roboter“ fördert. Auf allen Ebenen werden dort die Grundlagen geschaffen, das Zusammenleben von Mensch und Maschine so komfortabel wie möglich zu gestalten.

Seit vielen Jahren schon dient der Roboter ARMAR als sogenannte Plattform den Wissenschaftlern als Testobjekt, um gewonnene Erkenntnisse in der Praxis auszuprobieren. Mittlerweile in der Version IIIb gelingt es ihm schon recht gut, sich in einer Laborküche zurechtzufinden.

Gelehrige Küchenhilfe

Insgesamt 60 Spezialisten haben mit an dem 1,70 Meter großen Humanoiden gearbeitet, um ihn fit für ein „Leben“ im menschlichen Alltag zu machen. Auf Rollen erkundet ARMAR kollisionsfrei seine Umgebung und lernt, verschiedene Küchenutensilien voneinander zu unterscheiden. Sogar Menschen kann er mit seinen vier Kameras in Augenhöhe als individuelle Personen erkennen. Auf Zuruf räumt er die Geschirrspülmaschine ein oder bringt eine Flasche Wein an den Tisch. Das besondere an der prozessorgesteuerten Haushaltshilfe ist ihre Fähigkeit zu lernen und vorgeführte Abläufe zu imitieren. So kann sie ganz nach den Wünschen des Besitzers handeln und immer wieder neue Herausforderungen Insgesamt 60 Spezialisten haben mit an dem 1,70 Meter großen Humanoiden gearbeitet, um ihn fit für ein „Leben“ im menschlichen Alltag zu machen. Auf Rollen erkundet ARMAR kollisionsfrei seine Umgebung und lernt, verschiedene Küchenutensilien voneinander zu unterscheiden. Sogar Menschen kann er mit seinen vier Kameras in Augenhöhe als individuelle Personen erkennen. Auf Zuruf räumt er die Geschirrspülmaschine ein oder bringt eine Flasche Wein an den Tisch. Das besondere an der prozessorgesteuerten Haushaltshilfe ist ihre Fähigkeit zu lernen und vorgeführte Abläufe zu imitieren. So kann sie ganz nach den Wünschen des Besitzers handeln und immer wieder neue Herausforderungen bewältigen. Bis ARMAR jedoch in Serie geht und zu einem erschwinglichen Preis neben DVD-Playern und Waschmaschinen im Elektronikfachmarkt steht, dürften noch einige Jahre vergehen. Zu komplex sind noch die vielen Anforderungen, die ein digitaler Hausgenosse bewältigen können muss.

Fit fürs Fußballfeld

Weniger anspruchsvoll sind die Regeln des liebsten Spiels der Deutschen: Beim Fußball muss bloß ein Ball mit den Füßen in ein Tor befördert werden – und das reizt scheinbar auch viele Robotik-Ingenieure. Spielerisch lernen zahlreiche Wissenschaftler anhand von Roboterfußballern wie sie Sensorik, Orientierung und Bewegung ihrer Forschungsobjekte optimieren können. Dass eine Menge sportlicher Ehrgeiz in ihrer Arbeit liegt, ließ sich zum Beispiel bei den Robo- Cup German Open auf der CeBIT 2008 beobachten.

46 Forscherteams, unter ihnen 22 deutsche, traten an, um ihre Kreaturen auf dem Feld gegeneinander kicken zu lassen. Aufgeteilt in verschiedene Ligen, wie humanoide, vierbeinige oder Rettungsroboter, hatten in den meisten Kategorien die deutschen Teams die Nase vorn. Auch bei den RoboCup World Championships ergattern die Deutschen zahlreiche Titel und brauchen sich hinter Japanern und US-Amerikanern nicht zu verstecken. Spannend dürfte werden, wer das selbstgesteckte Ziel der „RoboCup Federation“ als erster erreicht: Bis zum Jahr 2050 soll eine Elf vollständig autonomer Humanoider die amtierenden Fußballweltmeister aus Fleisch und Blut bezwingen.

Militärische Kampfmaschinen

Das Vorhaben erinnert stark an die Bemühungen eifriger Programmierer von Schachcomputern, die mit ihrem hoch gesteckten Plan einer überlegenen Maschine letztendlich erfolgreich waren. Zugleich wird bei diesen Bestrebungen auch klar, dass menschgemachte Geschöpfe immer weiter in unsere sozialen Strukturen eindringen. Als ebenbürtige Wesen werden sie Teil der Gesellschaft werden, und ob ihre Fähigkeiten dem Menschen ausschließlich das Leben erleichtern, ist fraglich. Im Internet kursierende Videos des martialisch anmutenden „Big Dog“ der Firma Boston Dynamics aus Massachusetts und zeigen eindrücklich, dass auch für militärische Zwecke Hightech-Wesen konzipiert werden. „Big Dog“ ist einen Meter lang, benzingetrieben, sechs Stundenkilometer schnell und kann 170 Kilogramm schleppen. Schwieriges Gelände ist für ihn kein Problem, und selbst wenn er getreten wird, kann er sich auf den Beinen halten.

Doch es müssen nicht gleich bösartige Kampfmaschinen im Stil eines „Terminators“ oder eines außer Kontrolle geratenen Unterhaltungsroboters aus dem Filmklassiker „Westworld“ sein, die den Menschenvor Probleme stellen werden. Denn eines Tages wird jeder selbst entscheiden müssen, wie viel künstliches Leben er in seiner Umgebung akzeptieren will.

Roboter ganz privat

Ohne Zweifel werden die Humanoiden bestimmte Bedürfnisse besser befriedigen können als so mancher menschliche Zeitgenosse. Während sich sehr einfache Modelle in Fabrikhallen schon vor Jahrzehnten als Jobkiller unbeliebt gemacht haben, scheinen sie künftig auch in unser Privatleben einzudringen. In unseren intimsten Bereichen werden sie ihre Fertigkeiten unter Beweis stellen können – und dort um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Der Autor und Experte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, David Levy, regt mit seinen Büchern eine breite Diskussion über das Zusammenleben von Robotern und Menschen an. Sex, Liebe und Heirat sind dabei keine Tabuthemen, sondern Schwerpunkt seiner Betrachtungen über unsere gemeinsame Zukunft. Als Sexualpartner sollen Roboter nicht bloß eine traurige Ersatzbefriedigung ermöglichen, sondern eher als Lehrmeister und Ideenlieferant für erfüllende Sexspiele fungieren. Weit darüber hinaus, erklärt Levy in einem Interview, werden auch tiefe emotionale Bindungen zwischen Mensch und Maschine entstehen. Denn alle relevanten Punkte, die nach Untersuchungen von Psychologen beim Menschen Liebesgefühle auslösen, lassen sich mit einer entsprechenden Software in das Verhaltensrepertoire eines Humanoiden einfügen.

Humanoide zum Heiraten

Auch wenn dies ein finsteres Szenario von zukünftigen gesellschaftlichen Verhältnissen zeichnet, stufen viele die Prognosen von Levy als realistisch ein: In einer Online-Umfrage des Nachrichtenportals MSNBC, an der sich mehr als 20 000 Menschen beteiligten, antwo antwortete ein Fünftel der Befragten, dass eine Mensch-Roboter-Ehe zwangsläufig kommen werde. Nur 46 Prozent hielten die Idee für abstoßend und konnten sich nicht vorstellen, dass Menschen ein Gebilde aus Schaltkreisen und Drähten heiraten wollen. Bevor es unseren künftigen Zeitgenossen gelingen wird, unsere Herzen zu erobern, müssen interdisziplinäre Teams aus Kommunikationswissenschaftlern, Psychologen und Ingenieuren den Maschinen allerdings noch viel Menschliches einhauchen. Ein als „Uncanny Valley“ (unheimliches Tal) bekanntes Phänomen macht den Entwicklern nämlich das Leben schwer: Während einfache kleine unbeholfene Roboter noch putzig oder niedlich erscheinen, verlieren die uns ähnlicher werdenden Maschinen deutlich unsere Sympathie. Seinen Namen verdankt der Effekt dem Kurvenverlauf in einer Grafik, in der die Akzeptanz eines Roboters gegen eine zunehmende Ähnlichkeit mit dem Menschen aufgetragen wird. Ab einem gewissen Grad an Ähnlichkeit bricht die Kurve ein – der nicht ganz perfekte Apparat stößt uns ab.

Sympathie und Ablehnung

Psychologen wissen nicht genau, ob das stereotype Verhalten der Humanoiden in uns eine enttäuschte Erwartungshaltung auslöst, oder ob ihre befremdlichen Minen und Gesten auf uns als krank und gestört wirken. Erst wenn das Verhalten und Aussehen von Robotern in hohem Maß dem menschlichen ähnlich wird, reagieren wir wieder mit positiven Gefühlen.

Ein internationales Konsortium namens LIREC (LIving with Robots and intEractive Companions) hat sich zum Ziel gesetzt, das Eis zwischen Mensch und Maschine zu brechen. Das psychologische Know-how dazu werden Dr. Carsten Zoll und Sybille Enz von der Otto-Friedrich Universität in Bamberg liefern. Sie arbeiten vorerst noch mit dem kleinen Roboter-Dinosaurier „Pleo“, der durch sein differenziertes Ausdrucksvermögen unterschiedlichste Reaktionen beim Menschen auslöst. Später sollen dann aber in einer Versuchswohnung größere Roboter zum Einsatz kommen, mit denen erstmalig das längerfristige Zusammenleben von Mensch und Roboter untersucht werden kann. Bis zum Start des Experiments hoffen die Forscher, den Humanoiden noch jede Menge sozialeKompetenz beibringen zu können. Nach Sibylle Enz' Hypothese wird die Maschine vom Besitzer niemals als menschgleiches Wesen angesehen werden, vielmehr vermutet sie eine ganz neue eigenständige Beziehungsform. Laut Enz seien daher der EU bei der Finanzierung des Großprojekts LIREC auch zentrale ethische Fragen wichtig gewesen: Für hoch entwickelte technische Schöpfungen müsse es eines Tages eine definierte Fürsorgepflicht geben – und in dieser Pflicht stehen beide Seiten gleichermaßen.

Dummies im OP-Saal

Momentan denkt mancher Roboter-Nutzer beim Anblick seines Gegenübers allerdings weniger an Fürsorge, sondern ist ganz froh, dass nicht ein Wesen aus Fleisch und Blut für bestimmte Aufgaben herhalten muss. Gemeint sind die 170 000 Euro teuren Übungsroboter für Medizinstudenten an der University of Portsmouth. Ähnlich wie Simroid für angehende Zahnärzte sollen auch diese Hightech-Puppen Berufsanfängern den Einstieg in die Arbeitsroutine erleichtern. Im ExPERT Centre der britischen Uni lernen Studierende an mit Technik bepackten Menschenmodellen, welche Therapie im Notfall die richtige ist. Alle Puppen haben Namen, Biographien und eine ganz persönliche Krankheitsgeschichte. In einer nahezu perfekten Simulation muss der Student auf Zwischenfälle reagieren: Herzstillstand – was tun? Schnell eine Adrenalin-Injektion, stimmt die Dosis? Sensoren im Blutkreislauf messen den Wirkstoff und lassen den Jungmediziner authentisch erleben, ob sein Kampf um das „Leben“ des Dummies erfolgreich war. Institutsleiterin Prof. Lesley Reynolds und ihre Mitarbeiter sind unverhohlen stolz auf ihre Lehrmethode und preisen die enormen Möglichkeiten, die die Dummies bieten. Lehren werde so effizient, risikolos für Patienten und könne auch lebensnah seltene Komplikationen demonstrieren. Angeblich sind sowohl Dozenten verschiedener Fachrichtungen als auch Studierende begeistert.

Hightech hilft Chirurgen

Doch so ambitioniert ein Einsatz von Robotern in der Lehre auch sein mag: Wesentlich Erfolg versprechender sind Ideen, bei denen die klare Überlegenheit von Maschinen gegenüber menschlichen Fähigkeiten zum Tragen kommt. Dort, wo präzise millimetergenaue Bewegungen über den Erfolg einer Aktion entscheiden, sind Roboter unschlagbar. Dass Roboter also auch im OP-Saal gute Dienste leisten können, ist demnach naheliegend. „Da Vinci“ ist einer von ihnen und befreit seit geraumer Zeit Männer von Krebsgewebe an der Prostata. Er hat bereits bewiesen, dass er es mit den Künsten seiner menschlichen Kollegen aufnehmen kann: Patienten leiden unter weniger Schmerzen sowie Blutverlust und können die Klinik schneller verlassen als nach herkömmlichen Eingriffen. Doch genau genommen ist „Da Vinci“ ohne menschliches Zutun recht hilflos. Ferngesteuert von einem Arzt kann er ohne zu zittern sauber schneiden, eine autonome Handlung ist ihm jedoch nicht möglich – weswegen Experten das Wort Roboter hier lieber meiden. Offiziell als „Weiterentwicklung der Schlüssellochchirurgie“ propagiert, macht „Da Vinci“ auch als Herz-Chirurg einen exzellenten Job. Ergebnisse einer Studie, die auf der diesjährigen Tagung der American Surgical Association in New York präsentiert wurden, sprechen mit weniger Komplikationen und schnelleren Erholungszeiten nach Bypass-Operationen eindeutig für die Hochtechnologie im Operationssaal. Obendrein rechnet sich der Automateneinsatz laut der Untersuchung für Krankenhäuser sogar wirtschaftlich.

Dentalroboter fallen durch

Das scheinbar enorme Potenzial der digitalen Operateure wurde auch auf zahnmedizinische Problemstellungen hin ausgelotet: Besonders im Bereich der Implantologie erwarteten die Forscher optimierte Behandlungsergebnisse dank präziser OP-Planung und Ausführung. Dr. Wolfgang Bolz von der Praxisklinik am Rosenkavalierplatz in München hat die ersten Testläufe junger ambitionierter Unternehmen in seiner Praxis begleitet. Doch zu einem alltagstauglichen „Implantations-Roboter“ haben die Konzepte nicht gereicht. „Um die Patientensicherheit zu gewährleisten, brauchte ein Team eine mehrstündige Vorbereitungszeit – ein wahnsinniger Aufwand“, schildert Bolz seine Erfahrungen. Daher scheinen die vor wenigen Jahren noch schlagzeilenträchtigen „Zahnarztroboter“, sich wieder zu einer Utopie zu verflüchtigen. Bei der Firma RoboDent hatte man schon früh erkannt, dass die Kosten- und Zeiterfordernisse eines vollautomatischen Robotersystems in der Implantologie zu hoch sind. Wie Produktmanager Sebastian Stopp erläutert, reichen die Möglichkeiten der menschlichen Hand aus, um gute Implantations-Erfolge zu erzielen. Wer die Errungenschaften moderner Technologien nutzen möchte, ist mit einer computerassistierten Navigation optimal bedient. Dabei greift ein Rechner auf gespeicherte Röntgen-Bilder des Patienten zurück und weist dem Zahnarzt am Monitor den Weg, den sein Bohrer nehmen soll. Weicht er vom geplanten Areal ab, warnt ihn ein Ton- oder Bildsignal.

Robos für die Zahnarztpraxis

Zumindest mittelfristig werden Robo- Dentisten also keinen Einzug in die Zahnarztpraxen halten. Doch schondenken Ingenieure über assistierende Systeme nach, die beispielsweise Instrumente reichen könnten. Nach Meinung von Dr. Robert Boesecke, Vorstand des Medizingeräteherstellers Precisis AG in Heidelberg, haben robotische Systeme in der Praxis eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten. Vom Führen des Saugers bis hin zur Zahnsteinentfernung sei da einiges denkbar. Und da Robotertechnik erstaunlich günstig sein kann, rechnet er dank wirtschaftlicher Vorteile der Zahnärzte auch mit einer zunehmenden Akzeptanz der Automaten. Ob also künftig Dentalhygienikerinnen und Zahnarzthelferinnen Konkurrenz bekommen, bleibt ein spannendes Thema. Ob Zahnärzte aber auf ein nettes Pausengespräch und ein freundliches Lächeln verzichten wollen, ist fraglich.

Dr. rer. nat. Mario B. LipsWissenschaftsjournalistDudenstr. 3410965 Berlin

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