Repetitorium

Morbus Bechterew

Rund sieben Jahre dauert es vom Auftreten erster Symptome bis zur Diagnose „Morbus Bechterew“. Durch den konsequenten Einsatz bildgebender Verfahren ließe sich in vielen Fällen die Diagnose frühzeitiger stellen und durch eine adäquate Behandlung konsequenter den drohenden Versteifungen und Verformungen der Wirbelsäule entgegenwirken.

Der Morbus Bechterew gehört zu den Spondylarthropathien, einer Gruppe von Erkrankungen mit entzündlichen Veränderungen im Bereich des Achsenskeletts. Betroffen von der Entzündung sind vor allem die Wirbelkörper. Es besteht somit eine Spondylitis mit dem Risiko einer ossären Fusion. Die Erkrankung kann damit zur Versteifung (Ankylose) führen, weshalb der Morbus Bechterew synonym auch als Spondylitis ankylans oder als ankylosierende Spondylitis bezeichnet wird. Die chronisch-entzündliche Erkrankung gehört zum rheumatischen Formenkreis und wird im Volksmund gelegentlich auch als „Wirbelsäulen-Rheuma“ bezeichnet. Primär betroffen sind neben den Wirbelkörpern vor allem die Sakroiliakalgelenke, wobei die Entzündung aber auch auf periphere Gelenke, auf Sehnenansätze sowie auf die Augen und innere Organe übergehen kann. Der Begriff Morbus Bechterew geht auf den Erstbeschreiber, den russischen Neurologen Wladimir Bechterew, zurück.

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Neben dem Morbus Bechterew gehören reaktive Arthritiden (Reiter-Syndrom) sowie die juvenile Spondylarthropathie, die Psoriasis-Arthritis und entzündliche Veränderungen im Achsenskelett bei Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung zu den Spondylarthropathien. Die Erkrankungen sind in aller Regel nicht auf das Skelettsystem beschränkt. Es können vielmehr verschiedenste Symptome und Begleiterkrankungen auftreten.

Männer und Frauen gleich häufig betroffen

Die Häufigkeit der Spondylarthropathien wird allgemein auf etwa ein Prozent der Bevölkerung geschätzt, wobei die Prävalenz der gesichert diagnostizierten ankylosierenden Spondylitis nach Angaben der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew bei 0,1 bis 0,2 Prozent liegt. Kernspinuntersuchungen aber lassen vermuten, dass die Prävalenz einschließlich der milden Verlaufsformen eher bei 0,8 bis 0,9 Prozent der Bevölkerung liegen dürfte. Das aber würde bedeuten, dass in Deutschland rund 700 000 Menschen mit einem Morbus Bechterew leben, der damit nach der rheumatoiden Arthritis die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung darstellt. Das zunächst vorherrschende Krankheitssymptom ist der Rückenschmerz, wobei geschätzt wird, dass bei rund fünf Prozent der Menschen mit chronischen Rückenschmerzen eine ankylosierende Spondylitis vorliegt.

Bei den Häufigkeitsangaben ist eine gewisse Dunkelziffer nicht auszuschließen. Denn nicht immer nimmt der Morbus Bechterew einen eindeutigen Verlauf mit ausgeprägter Symptomatik. Das dürfte auch erklären, warum lange Zeit angenommen wurde, das Krankheitsrisiko sei bei Männern fünfmal höher als bei Frauen. Tatsächlich scheint der Morbus Bechterew bei Männern und Frauen gleich häufig aufzutreten. Die Wirbelentzündung wurde früher jedoch bei Frauen offensichtlich seltener als ankylosierende Spondylitis erkannt und entsprechende Veränderungen im Röntgenbild wurden nicht selten längere Zeit übersehen, da die Störung bei Frauen typischerweise zunächst einen eher milderen Verlauf zu nehmen scheint. Dies hat eine Erhebung der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew ergeben.

In einer Patientenumfrage stellte die Organisation weiter fest, dass die knöcherne Versteifung bei Frauen offenbar langsamer verläuft als bei Männern. Allerdings geben Männer – anders als Frauen – an, dass die Schmerzen nach einer Krankheitsdauer von 30 bis 40 Jahren langsam wieder abnehmen.

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Genetische Assoziation mit HLA-B27

Die Ursachen des Morbus Bechterew sind bislang unbekannt. Diskutiert wird ein Zusammenhang mit Infektionskrankheiten und speziell bakteriellen Infektionen, welche möglicherweise immunologische Veränderungen induziert.

Eindeutig dokumentiert ist eine enge Assoziation zu speziellen Gewebeverträglichkeitsantigenen (HLA-System) und hier speziell dem HLA-B27. Dieser genetische Marker findet sich auffallend häufig bei Patienten mit einem Morbus Bechterew, ist allerdings kein beweisendes Krankheitsmerkmal. Umgekehrt erkranken längst nicht alle Menschen, die Träger dieses genetischen Merkmals sind, an einer ankylosierenden Spondylitis. Neben dem HLA-B27 scheinen weitere Gene wie auch Umweltfaktoren die Erkrankung, respektive Krankheitsschübe zu triggern.

Rückenschmerz als Hauptsymptom

Typischerweise macht sich der Morbus Bechterew zunächst mit tiefsitzenden Rückenschmerzen bemerkbar. Die Schmerzen sind aber häufig anfangs noch vage, unspezifisch und werden daher nicht selten fehl gedeutet. Es treten häufige Lumbalgien auf, die Schmerzen sind meist morgens besonders stark und von einem ausgeprägten Steifigkeitsgefühl begleitet. Die Morgensteifigkeit bessert sich meist ebenso wie die Schmerzen im weiteren Tagesverlauf.

Weitere charakteristische Symptome einer frühen ankylosierenden Spondylitis sind Schmerzen im Gesäßbereich, die häufig von der rechten auf die linke Seite wechseln und umgekehrt. Die Schmerzen sind mit einer Bewegungseinschränkung in der Lendenwirbelsäule verbunden und strahlen oft bis in den Oberschenkel hinein aus. Sie bessern sich bei Bewegung und verschlimmern sich bei Ruhe.

Es gibt weitere Symptome, die auf die Erkrankung hinweisen können: Dazu gehört das Auftreten unsymmetrischer Entzündungen einzelner Gelenke wie etwa der Hüfte oder eines Kniegelenks, Fersenschmerzen oder allgemein Schmerzen aufgrund einer Entzündung in einem Sehnenansatzbereich, Veränderungen an den Augen wie eine Regenbogenhautentzündung (Iritis) sowie Schmerzen im Bereich des Brustbeins mit einer Einschränkung dessen Dehnungsfähigkeit, ohne dass eine Ursache hierfür erkennbar ist.

Sehr häufig klagen die Patienten außerdem über Allgemeinsymptome wie Müdigkeit bei zugleich schlechtem Nachtschlaf, über einen Gewichtsverlust und es fallen subfebrile Temperaturen auf.

###more### ###title### Diagnose oft erst nach Jahren ###title### ###more###

Diagnose oft erst nach Jahren

Wegen der oft unspezifischen initialen Symptomatik vergehen nach Angaben der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew im Mittel bislang immer noch rund sieben Jahre, ehe beim Rheumatologen tatsächlich die Diagnose einer „ankylosierenden Spondylitis“ gestellt wird. Die Patientenorganisation moniert, dass die Betroffenen oft zu lange beim Hausarzt behandelt und häufig viel zu spät dem Rheumatologen vorgestellt werden. Nach Angaben der Vereinigung müssen vier Beschwerden stets an einen Bechterew denken lassen. Das sind Schmerzen in den Morgenstunden verbunden mit einer Morgensteifigkeit, chronische Rückenschmerzen (länger als drei Monate) bei einem Patienten unter 40 Jahren sowie eine Besserung der Symptome bei Bewegung. Bei einem solchen Beschwerdekomplex verlangt die Organisation die Abklärung eines Morbus Bechterew beim Rheumatologen.

Von einem entzündlichen Rückenschmerz ist nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie auszugehen, wenn der Patient seit mehr als drei Monaten chronische Rückenschmerzen angibt, unter 45 Jahren alt ist und zusätzlich zwei der vier folgenden Parameter erfüllt sind:

  • Morgensteifigkeit für mehr als 30 Minuten

  • Verbesserung der Schmerzen durch Bewegung und nicht durch Ruhe

  • Erwachen in der zweiten Nachthälfte aufgrund von Schmerzen

  • Alternierender Schmerz im Gesäß.

Die Diagnose wird gestellt bei entsprechender Klinik und im Röntgenbild nachgewiesenen entzündlichen Veränderungen im Bereich des Iliosakralgelenks und der Wirbelsäule. Die Entzündung spielt sich dabei an der Grenzzone zwischen Knochen und Knorpel ab, wobei frühe Veränderungen, wie die Synvitis und Knochenmarksentzündungen, röntgenologisch nicht zu erfassen sind. Zur Diagnostik bereits in der Frühphase der Erkrankung empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie daher bei Beschwerden, die auch an einen Morbus Bechterew denken lassen müssen, eine Kernspinuntersuchung – und das vor allem, wenn ein positiver Test auf HLA-B27 vorliegt.

Individueller Krankheitsverlauf

Allgemein verbindliche Angaben zum Krankheitsverlauf sind beim Morbus Bechterew nicht möglich. Es gibt zum einem sehr milde, zum anderen aber auch recht aggressive Verlaufsformen. Dabei können die entzündlichen Veränderungen und die dadurch bedingten Schmerzen bei den Beschwerden im Vordergrund stehen. Es kann aber ebenso gut sein, dass den Patienten vor allem die zunehmende Versteifung und die damit verbundene Bewegungseinschränkung zu schaffen macht. Es gibt zudem Patienten, bei denen neben den Wirbeln weitere Gelenke von den Entzündungsreaktionen betroffen sind. Bei wieder anderen Patienten treten neben der Spondylitis Erkrankungen in anderen Organen auf. Der Morbus Bechterew manifestiert sich bei den meisten Patienten zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr. Er verläuft meist schubförmig mit sehr schmerzhaften Krankheitsphasen, aber auch mit Phasen, in denen die Patienten weniger Beschwerden angeben. Allerdings muss vor allem in den ersten Jahren mit einer fortschreitenden Versteifung der Wirbelgelenke gerechnet werden, was zur Verformung der Wirbelsäule mit entsprechenden Folgen für die Beweglichkeit und mit Behinderungen verbunden sein kann. Typisch sind Fehlhaltungen mit Lordose der Lendenwirbelsäule, eine Brustkyphose sowie eine Ventralneigung der Halswirbelsäule und ein fixierter Rundrücken.

Die Erkrankung kommt im Verlaufe von Jahrzehnten meist zur Ruhe, und auch nach rund 40 Krankheitsjahren sind bei entsprechend umfassender Behandlung 90 Prozent der Bechterew-Patienten durch ihre Behinderung nicht so eingeschränkt, dass sie dauerhaft fremde Hilfe benötigen. Auch wird die mittlere Lebenserwartung durch die Erkrankung praktisch nicht beeinträchtigt.

###more### ###title### Begleiterkrankungen des Morbus Bechterew ###title### ###more###

Begleiterkrankungen des Morbus Bechterew

Die wohl häufigste Begleiterkrankung der ankylosierenden Spondylitis ist die Iritis. Rund 40 Prozent der Patienten erleiden im Verlaufe ihres Lebens mindestens einmal eine solche Regenbogenhautentzündung. Deren charakteristisches Symptom sind Schmerzen, wobei die Augen vor allem bei Helligkeitsunterschieden schmerzen, dann also, wenn sich die Pupille verengt. Das Auge reagiert zudem druckempfindlich, und es kommt meist zu einer Rötung. Die Iritis ist eine ernst zu nehmende Komplikation, die unverzüglich der ophthalmologischen Behandlung bedarf. Es kann außerdem auch eine Uveitis, also eine Entzündung mit Beteiligung der Aderhaut, auftreten.

Da der Morbus Bechterew nicht auf die Wirbelsäule beschränkt ist, können im weiteren Krankheitsverlauf durchaus andere Organbereiche von den Entzündungen betroffen sein. Es kann zur Beteiligung der Lungen, des Herzens sowie der Nieren und des Nervensystems kommen. Auch tritt die ankylosierende Spondylitis bei rund acht Prozent der Patienten im Zusammenhang mit einer chronischen Darmentzündung, wie der Colitis ulcerosa oder einem Morbus Crohn, auf.

Therapie: medikamentös und physiotherapeutisch

Die ankylosierende Spondylitis ist bislang nicht heilbar. Die Behandlung ist folglich symptomatisch ausgerichtet und zielt darauf ab, die Beschwerden der Patienten zu beheben, die Beweglichkeit zu erhalten und die Progression der Veränderungen zu hemmen oder besser noch zu stoppen.

Basis der Therapie ist die Einnahme nicht steroidaler Antirheumatika, da diese antientzündlich und zugleich schmerzlindernd wirksam sind. Zum Einsatz kommen ferner Coxibe sowie Glukosteroide, die in den Gelenkspalt oder in Gelenknähe injiziert werden. Eine weitere Option sind krankheitsmodifizierende Basistherapeutika, die sogenannten DMARDs (Disease-Modifying Anti-Rheumatic Drugs). Allerdings sind die Wirkstoffe weniger wirksam als beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis.

Lassen sich mit den genannten Optionen die Beschwerden nicht adäquat lindern und die Entzündungsreaktionen zurückdrängen, so kann inzwischen auch mit den modernen Biologika behandelt werden. Es handelt sich um Wirkstoffe, die den proinflammatorischen Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha), der zur Gruppe der Zytokine gehört, in seiner Wirksamkeit blockieren. Drei Wirkstoffe aus der Gruppe der TNF-Blocker sind für die Therapie zugelassen, und zwar das Infliximab, das Etanercept und das Adalimumab. Für alle drei Substanzen wurde eine nachhaltige Besserung der Schmerzen, der Beweglichkeit und der Entzündungszeichen wie auch eine Besserung der Lebensqualität der Patienten in Studien belegt. Es wurde ferner eine Hemmung der Progression radiologischer Veränderungen unter der TNFBlocker-Therapie nachgewiesen.

Um die Effizienz der Behandlung wie auch der Reha-Maßnahmen zu steigern und somit Behinderungen der Patienten effektiver als es bislang geschieht vorzubeugen, schlägt die Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew die Errichtung spezialisierter Morbus-Bechterew-Zentren vor. Das wäre, so die Einschätzung der Patientenorganisation, auf lange Sicht effektiver und zugleich auch kostengünstiger.

Mit der medikamentösen Behandlung ist es nicht getan. Um Bewegungseinschränkungen entgegenzuwirken, müssen die Patienten intensiv mittels Krankengymnastik sowie einer Physiotherapie und einer Ergotherapie behandelt werden. In schweren Fällen sind zudem korrigierende operative Eingriffe zu erwägen.

###more### ###title### Allgemeine Vorkehrungen bis hin zur Sturzprophylaxe ###title### ###more###

Allgemeine Vorkehrungen bis hin zur Sturzprophylaxe

Wichtig ist eine umfassende Behandlung des Morbus Bechterew, die auch auf die möglichen Krankheitsfolgen Rücksicht nimmt. So ist eine regelmäßige Krankengymnastik erforderlich, um die Beweglichkeit möglichst weitgehend zu erhalten. Sie ist ferner bedeutsam, um dem erhöhten Osteoporoserisiko der Patienten entgegenzuwirken. Die sich versteifenden Knochen haben eine erhöhte Brüchigkeit, weshalb vor allem bei älteren Patienten eine adäquate Sturzprophylaxe unerlässlich ist.

Selbstverständlich sollte für Bechterew-Patienten eine gesunde Lebensführung sein, wobei insbesondere immer wieder auch auf ein Haltungs-Training und auf ausreichende körperliche Bewegung zu achten ist. Sportliche Aktivität steigert die Fitness, stabilisiert den Kreislauf, verbessert die Atemkapazität und erhält die Beweglichkeit. Allerdings sind nicht alle Sportarten für die Patienten gleichermaßen geeignet. Günstig sind im Allgemeinen Schwimmen, Skilanglauf, Wandern und das Fahrradfahren.

Die Autorin der Rubrik „Repetitorium“ ist gerne bereit, Fragen zu ihren Beiträgen zu beantworten

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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