zm-Interview mit Dr. Dr. Weitkamp, Prof. Dr. Thomas Hoffmann und Dr. Jürgen Fedderwitz

Für Neues gut aufgestellt

Gesundheitsfonds, Basistarif, Selektivverträge und eine wachsende Versozialrechtlichung im Gesundheitswesen – der zahnärztliche Berufsstand steht in Zukunft vor großen Herausforderungen. Anlass zu einer professionspolitischen Standortbestimmung für die Organisatoren des sechsten Deutschen Zahnärztetages, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp (BZÄK-Präsident), Prof. Dr. Thomas Hoffmann (DGZMK-Präsident) und Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV-Vorstandsvorsitzender). Im Vorfeld des Großereignisses, das vom 22. bis 25. Oktober in Stuttgart stattfindet, hakten die zm bei den Spitzenvertretern nach.

 zm:Die Zahnärzteschaft steht vor nicht unerheblichen politischen und fachlichen Herausforderungen, die es künftig zu bewältigen gilt. Herr Dr. Weitkamp, inwiefern kann da ein Großereignis wie der Deutsche Zahnärztetag in Stuttgart Zeichen setzen?

Dr. Dr. Weitkamp:Nun, eine solche Großveranstaltung ist primär dazu da, um öffentlichkeitswirksam Pflöcke einzuschlagen. Das haben die Deutschen Zahnärztetage der vergangenen Jahre sehr eindrucksvoll bewiesen. Wir werden auch 2008 wieder unsere politischen Positionen nach innen wie nach außen ganz deutlich manifestieren. Das passiert dadurch, dass die drei zahnärztlichen Spitzenorganisationen BZÄK, DGMZK und KZBV das gemeinsame Forum Deutscher Zahnärztetag nutzen, um im Schulterschluss von Standespolitik und Wissenschaft ihre Botschaften nach draußen zu geben.

zm:Herr Prof. Hoffmann, und wie sehen Sie den Deutschen Zahnärztetag im Hinblick auf das Zusammenwirken von Standespolitik und Wissenschaft, wo sind in diesem Jahr die Schwerpunkte?

Prof. Dr. Hoffmann:Den Deutschen Zahnärztetag sehe ich in dieser Hinsicht als das wesentliche Ereignis des Jahres. Damit wird die Kooperation, die wir das ganze Jahr über eher geräuschlos praktizieren, kommunizierbar. Und zwar auf zwei Ebenen: Auf den Veranstaltungen der Standespolitik und auf denen der Wissenschaft. Darüber hinaus – und das sehe ich als sein Herausstellungsmerkmal – ist dieser DZT das Podium für alle Kolleginnen und Kollegen, auf der einen Seite die brennenden Fragen der wissenschaftlichen Basierung ihrer Tätigkeit und auf der anderen Seite auch die der politischen Hintergründe zu diskutieren. Einer unserer inhaltlichen Schwerpunkte in diesem Jahr ist es aus meiner Sicht, dem Familienzahnarzt oder Generalisten deutlich zu machen, dass er die tragende Säule in der zahnmedizinischen Betreuung unserer Bevölkerung nach wie vor ist, sein und bleiben wird. Darüber hinaus muss man aber ebenso all jenen Kolleginnen und Kollegen in allen Alterskonfigurationen, vor allem aber der jungen Generation, Möglichkeiten offerieren, vertiefende Fort- und Weiterbildungen, also Qualifizierungen, wahrnehmen zu können, die dann bestimmte Praxisprofillinien herauszubilden gestatten.

zm:In der Gesundheitspolitik beobachtet man ganz stark Vereinheitlichungstendenzen für das System, und dabei spielt ganz massiv der Gesundheitsfonds eine Rolle. Herr Dr. Fedderwitz, kommt er – oder kommt er nicht?

Dr. Fedderwitz:Darüber darf immer noch gewettet werden. Angela Merkel und Ulla Schmidt betrachten den Fonds offensichtlich als das wichtigste Projekt dieser Legislaturperiode. Ich persönlich hege so meine Zweifel, ob er noch zu stoppen ist. Ganz trefflich ist zum Beispiel das, was Professor Wasem in seinem jüngsten Gutachten über den Fonds ausführte, nämlich: Was genau geschehen solle, sei dem Gesetz eigentlich nicht zu entnehmen, da die Formulierungen an mehreren Stellen unbrauchbar und nicht umsetzbar seien. Jedenfalls: Für eine Abschaffung per gesetzlicher Regelung ist es schon zu spät. Es gibt zwar kritische Stimmen, doch etliche Experten basteln schon an der Realisierung – sei es beispielsweise durch eine angedachte Einführung in kleinen Schritten oder eine virtuelle Einführung sozusagen auf Probe. Deshalb sollten wir Zahnärzte wachsam sein, was die weiteren Entwicklungen angeht. Der Fonds ist – wenn man den Blick in die weitere Zukunft schweifen lässt – der Weg in die Einheitsversicherung. Und vom Konstrukt her ist er letztlich nichts anderes als ein – gesetzlich verbrieftes – Globalbudget, bei dem wir Zahnärzte ganz schnell unter die Räder geraten können. Ein Beschluss der letzten VV fordert die Regierung auf, den Fonds auszusetzen. Statt zusätzliche Bürokratie und Zentralismus einzuführen, sollten besser die föderalen Strukturen im Gesundheitswesen gefördert werden.

zm:In Kürze wird der Referentenentwurf zur Novellierung der GOZ auf dem Tisch liegen. Herr Dr. Weitkamp, kommt da ein ganz heißes Eisen?

Dr. Dr. Weitkamp:Das kann man wohl sagen! Und wir haben uns intensiv darauf vorbereitet, die Hintergründe sind ja bekannt und kommuniziert. Kritisch ist vor allem die geplante Öffnungsklausel. Damit droht letztlich, dass der gesamte Berufsstand in seiner jetzigen Form zerrissen werden kann. Wenn Selektivverträge mit den privaten Krankenkassen möglich sind, ist zu befürchten, dass die GOZ als Vergütungsgrundlage langfristig ausgehöhlt wird. Es mag zwar für manchen Kollegen zunächst von Vorteil erscheinen, eigene Verträge mit den privaten Krankenversicherern abzuschließen, letztlich führt das aber immer in eine einseitige Abhängigkeit. Ob die vorgesehenen Rahmenverträge, die mit der PKV abzuschließen sind, als Sicherheitsnetz benutzt werden können, erscheint zweifelhaft. Zumindest sollte man darauf nicht alle Hoffnung zum Besseren bauen.

zm:Die Diskussionen um Selektivverträge sind auch im Bereich der GKV von großer Relevanz. Herr Dr. Fedderwitz, wie präparieren sich hier die KZBV und die KZVen?

Dr. Fedderwitz:Selektivverträge und das Aufbrechen des Kollektivvertragssytems sind Themenfelder, die wir derzeit intensiv politisch aufbereiten. Bei den Ärzten hat das Ganze ja schon drastische Ausmaße angenommen – siehe Hausärztevertrag Baden-Württemberg. Wir müssen darauf gefasst sein, dass wir auf existenzielle Probleme zusteuern und wir müssen uns damit befassen, dass das KZV-System von jetzt auf gleich plötzlich wegbrechen kann. Derzeit arbeiten wir an Konzepten, wie wir die Interessen der Vertragszahnärzte stärken und eine Aushöhlung der vertragszahnärztlichen Versorgung verhindern können. Es geht also darum, sich in dem Strukturwandel, den das GKV-WSG eingeleitet hat, neu zu positionieren und das Kollektivvertragssystem entsprechend weiterzuentwickeln. Dabei müssen wir eine Zersplitterung der vertragszahnärztlichen Landschaft verhindern. Wir müssen gerüstet sein, falls die Politik sich für die Zerschlagung der zahnärztlichen Selbstverwaltung und damit für die Abschaffung der Freiberuflichkeit entscheiden sollte. Dazu gehört, dass wir auch im Selektivvertragssystem präsent sein müssen. Das wird ein großes Thema auf der KZBV-Vertreterversammlung zum Deutschen Zahnärztetag sein.

zm:Von der Standespolitik hin zur Fachlichkeit: Welchen politischen und fachlichen Herausforderungen wird sich die zahnmedizinische Wissenschaft stellen müssen?

Prof. Dr. Hoffmann:Wissenschaftspolitisch müssen wir, nachdem wir alle das Papier des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 2005 positiv aufgenommen haben, alles daran setzen, dieses umzusetzen und mit Leben zu erfüllen. Das bedeutet, dass die Zahnmedizin nicht nur in unterschiedlichen Praxisformen Veränderungen zeigen wird, sondern auch an den Hochschuleinrichtungen. Und hierbei kommt aus meiner Sicht den Quervernetzungen, zum Beispiel in der Forschungsexzellenz, in der Lehrexzellenz und in der Behandlungsexzellenz, eine höhere Präferenz zu als der Fächerdiversifizierung, um den nationalen und auch internationalen Wettbewerbsanforderungen gewachsen zu sein. Und wenn wir denn die Empfehlungen des Wissenschaftsrates gern aufnehmen und uns bei deren Umsetzung bemühen wollen, dann möchte ich aber auch an die Landes- und Bundespolitik appellieren, den vom Wissenschaftsrat empfohlenen Unterstützungen, nämlich der Schaffung von nicht kapazitätswirksamen Forschungsplanstellen, der kompletten Honorierung der zahnärztlichen Leistungen ohne Abschlag und der Integration von Naturwissenschaftlern in die zahnmedizinischen Zentren, nachzukommen sowie die Professuren attraktiver auszustatten, damit uns unser wissenschaftlicher Nachwuchs auch erhalten bleibt.

zm:Intensive Debatten hat es in jüngster Zeit in der zahnärztlichen Fachöffentlichkeit um den Basistarif gegeben – Spekulationen kreuzten sich mit Sachargumenten. Herr Dr. Fedderwitz ist das eine „Never ending story“?

Dr. Jürgen Fedderwitz:Das sieht nicht so aus. Argumente müssen ausgetauscht werden, aber die Emotionen müssen verschwinden und eine Versachlichung muss her. Klar ist: Der Basistarif ebnet politisch den Weg in die Einheitsversicherung. Er ist ein Element der GKV, das in die PKV gebracht worden ist. Aber er muss so unattraktiv wie möglich gemacht werden. Dennoch halten wir es – und da ist sich der KZBV-Vorstand mit den allermeisten KZVen einig – für sinnvoll, zu verhandeln. Wir dürfen es nicht den privaten Krankenversicherungen überlassen, in ihren Versicherungsbedingungen den Leistungstakt vorzugeben, nach dem wir Zahnärzte dann zu tanzen haben. Und: Verhandelt wird bereits, und wir müssen aufpassen, dass Regelungen aus dem ärztlichen KV-Bereich, die aus unserer Sicht unerträglich sind, nicht eins zu eins den Zahnärzten übergestülpt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen jüngsten Äußerungen unterstrichen, dass es primär keine Behandlungspflicht für den Zahnarzt in puncto Basistarifversicherte gibt. Sollte aber die Sicherstellung bedroht sein, sind die KZVen gefordert. Hierdurch ergibt sich Gestaltungsspielraum, den wir nutzen sollten. Unsere Maxime, die auch auf der jüngsten KZBV-Vertreterversammlung von den Delegierten eindeutig bestätigt wurde, lautet: Für den Zahnarzt so viele Freiräume wie möglich, Erhalt des Gebots der freien Arztwahl und des Primats der Kostenerstattung. Gesetzlich gesehen ist der Patient im Basistarif Privatpatient, aber mit eingeschränktem Leistungsanspruch.

zm:Herr Dr. Weitkamp, der BZÄK-Vorstand hatte sich seinerseits auf der letzten Klausurtagung in Aerzen eindeutig zum Basistarif positioniert. Wie lauten hier die Argumente?

Dr. Dr. Weitkamp:Ganz wichtig ist ein offener Informationsaustausch. Bei der Ausgestaltung des Tarifs ist die Verwirrung groß. Da hat der Gesetzgeber es sauber hinbekommen, die Grenzen zwischen GKV und PKV zu vermischen und damit der wachsenden Versozialrechtlichung in unserem Staat weiter Auftrieb zu verschaffen. Auch wir sehen die Gefahr der Entstehung eines Paralleluniversums zur GKV, wenn wir nicht aufpassen. Eine starke Privatversicherung bleibt aber für einen gesunden Wettbewerb unerlässlich. Wir im Vorstand haben unsere Position bekräftigt, dass wir die Einbindung von Basistarifversicherten in die körperschaftlichen Strukturen ablehnen. Bei allen Verhandlungen zum Basistarif sollten nur die aus dem Gesetz abzuleitenden verpflichtenden Vereinbarungen getroffen werden. Ganz ohne Verhandlungen entscheidet die Schiedsstelle – und dann spielen die Zahnärzte nur eine untergeordnete Rolle. Der Grundsatz der Kostenerstattung darf auf keinen Fall aufgegeben werden. Und keinesfalls darf der Basistarif zum Wegbereiter einer Einheitsversicherung werden.

zm:Herr Prof. Hoffmann, Ästhetik und Laser in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde – so lautet das diesjährige Motto des Wissenschaftskongresses. Welchen Anforderungen muss sich der Zahnarzt in der Praxis diesbezüglich aus Sicht der Wissenschaft stellen?

Prof. Dr. Hoffmann:Der Zahnarzt stellt sich in der Praxis täglich den hohen Anforderungen, dass alles, was er im präventiven oder im kurativen Sinne tut, nach hohen wissenschaftlichen Evidenzleveln und natürlich mit einem hohen ästhetischen Anspruch im Sinne des Patienten erfolgt. So sind die Absolventen ausgebildet und so bildet sich jeder Zahnarzt individuell fort. Die Wahl der Ästhetik als Hauptthema und des Lasers als Nebenthema erfolgte nicht, um eine Gruppe sogenannter ästhetischer Zahnheilkundler zu bedienen, sondern um die Mehrheit unserer Mitglieder als Allgemein- oder Familienzahnärzte im wissenschaftlichen Programm anzusprechen. Um ihnen für ihre Arbeit auf hohem ästhetischem Niveau entsprechende Impulse zu geben beziehungsweise Erfahrungen auszutauschen und um den Patienten eine prognoseorientierte Therapie angedeihen zu lassen. Genauso verhält es sich mit dem Laser, bei dem es nicht darum geht, nun alle zu Laseranwendern zu machen, sondern dem Interessierten die wissenschaftliche Basis für die Entscheidung zu liefern.

zm:Ein Programm also, das Generalistenwie Spezialwissen vermittelt. Über Generalisten- und Spezialistentum, Herr Dr.Weitkamp, wird derzeit eine sehr vehemente berufspolitische Auseinandersetzung geführt. Worum geht es?

Dr. Dr. Weitkamp:Es geht um Diskussionen, die harte Fakten um den Bologna-Prozess, um die neue Approbationsordnung und um die Weiterbildungsordnung außer Acht lassen. Aber eine saubere Analyse der Fakten tut not. Ganz klar ist zu betonen: Ein zweistufiges System von Bachelor und Master in der Ausbildung ist für die Medizin und Zahnmedizin abzulehnen und der Bologna-Prozess liefert keine Begründung für postgraduale Masterstudiengänge. Erst nach dem Staatsexamen geht es in die postgradualen Studiengänge, die zum postgradualen Master führen. Dies beruht weniger auf dem Bologna-Prozess als vielmehr auf dem Hochschulrahmengesetz. Durch das modulare System der zahnärztlichen Fort- und Weiterbildung will die BZÄK zusammen mit der DGZMK und VHZMK Qualitätskriterien für postgraduale Studiengänge voraussetzen, den Wildwuchs eindämmen und Transparenz fördern. Der Vorstand wird – gemäß Auftrag der letzten Bundesversammlung – zeitnah einen Vorschlag für eine Novellierung der Musterweiterbildungsordnung vorlegen und hierbei die berufsbegleitenden postgradualen Fortbildungen sowie europarechtliche Vorgaben berücksichtigen. Die Gesamtproblematik wird auf der Bundesversammlung in Stuttgart einer intensiven Beratung unterzogen. Das grundsätzliche Berufsbild des Zahnarztes als Generalist – ergänzt um Schwerpunktwissen und entsprechende Fertigkeiten, darf nicht in Frage gestellt werden.

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