Großbritannien

Der Hausarzt im Supermarkt

Neuer Trend im staatlichen britischen Gesundheitswesen: In zahlreichen Supermärkten finden Patienten seit kurzem neben Brot, Nudeln, Obst und Gemüse auch Hausarztpraxen. Das Gesundheitsministerium wünscht sich die Eröffnung von mehr primärärztlichen Versorgungsangeboten im britischen Lebensmitteleinzelhandel, um so den Versorgungs-Zugang zu verbessern.

Schon kursieren Gerüchte, wonach es durchaus denkbar sei, dass demnächst auch britische NHS-Zahnärzte ermuntert werden könnten, ihre Praxen in den großen Supermarktfilialen zu eröffnen. Zahnärztliche Berufsverbände in Großbritannien beobachten die Entwicklung mit großem Interesse. Freilich: Hausarztpraxen in britischen Supermärkten sind offenbar weit weniger erfolgreich und beim Patienten beliebt als von britischen Gesundheitspolitikern erhofft. Trotzdem hält das Londoner Gesundheitsministerium an seinem Ziel fest, in diesem Jahr zahlreiche staatliche Primärarztpraxen in großen Supermärkten zu eröffnen. Das erstaunt sowohl gesundheitspolitische Beobachter als auch die haus- und fachärztlichen Berufsverbände.

Erst kürzlich hatte Großbritanniens zweitgrößte Supermarktkette Sainsbury’s die Eröffnung einer Hausarztpraxis in einer ihrer Filialen in Manchester angekündigt. Dort sollen von diesem Frühling an Patienten des staatlichen britischen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS) einen Hausarzt finden, der sie behandelt. Anders als die etablierten NHS-Hausarztpraxen wird die Praxis im Supermarkt bis spät am Abend und auch an Wochenenden geöffnet sein.

Meinungsumfragen bei britischen Patienten zeigen immer wieder, dass die für Werktätige ungünstigen Sprechzeiten der staatlichen Hausärzte für viel Unmut sorgen. Sainsbury’s hofft nach eigenen Angaben, durch die neue Hausarztpraxis „mehr Kunden in unsere Filialen zu locken“. Die Praxis wird mit staatlich praktizierenden Primärärzten und Praxishelferinnen besetzt sein. Die Behandlung ist für den Patienten kostenlos. Allerdings ist das Versorgungsangebot auf einfache diagnostische und therapeutische Leistungen beschränkt, die keine aufwendigen Apparate benötigen.

Andere Hausarztpraxen in britischen Supermärkten mussten kürzlich wieder geschlossen werden, da sie von Patienten gemieden wurden. So machte nur wenige Monate nach der Eröffnung eine Hausarztpraxis in einer anderen Sainsbury’s-Filiale wieder dicht, da die Patienten ausblieben. Diese Praxis war vom größten britischen Privat-Krankenversicherer BUPA betrieben worden.

Trotz dieses Misserfolges drängt das Londoner Gesundheitsministerium weiterhin auf mehr Hausarztpraxen im Lebensmitteleinzelhandel. Gesundheitsminister Alan Johnson: „Es geht darum, Hausarztpraxen leichter zugänglich zu machen.“ Während die Ärzteschaft diese Entwicklung mit einiger Skepsis beobachtet, freut sich der Handel.

Andere Supermarktketten, wie das zu Wal- Mart gehörende Unternehmen Asda, bereiten ebenfalls die Einrichtung von staatlichen Hausarztpraxen zwischen Kühlregal und Backwaren-Abteilung vor. Nach Berichten englischer Medien sollen allein 2008 landesweit mehr als 20 neue Supermarkt-Praxen eröffnet werden.

Experten halten es für denkbar, dass demnächst auch die staatlichen Zahnärzte vom Londoner Gesundheitsministerium ermuntert werden könnten, neue Praxen im Lebensmitteleinzelhandel zu eröffnen. Dies wäre bei den britischen Patienten, die vielerorts große Probleme haben, einen staatlichen Zahnarzt zu finden, der bereit ist, neue Patienten zu behandeln, sicherlich sehr beliebt. Allerdings weist der britische Zahnärztebund (British Dental Association, BDA) darauf hin, dass die meisten staatlichen Zahnarztpraxen schon heute überlaufen seien. Insofern sei es sinnvoll, „einfach mehr NHS-Zahnarztpraxen zu eröffnen, und zwar egal wo“, hieß es bei der BDA in London.

Arndt StrieglerGrove House32 Vauxhall GroveGB-London SW8 1SY

 

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