Gastkommentar

Monster der Finanzpolitik

Ähnlich wie die Pendlerpauschale wird auch die Reform der Erbschaftssteuer zum Streitfall in der Steuergesetzgebung.
Walter Kannengießer Sozialpolitik-Journalist

Karlsruhe hat die Einschränkung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt. Der Fiskus muss Milliarden zurückzahlen. Dies ist als Warnung an den Gesetzgeber zu verstehen, die Verfassung in der Steuergesetzgebung mehr als bisher zu beachten, auch bei der Erbschaftsteuer.

Wenn dieser Kommentar erscheint, dürfte bekannt sein, ob Bundespräsident Köhler das neue Erbschaftsteuergesetz unterzeichnet und damit in Kraft gesetzt hat, oder ob er dem von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetzentwurf die Unterschrift verweigert. Dann könnte die Erbschaftsteuer zunächst einmal nicht mehr erhoben werden. Karlsruhe hatte entschieden, dass das bisher geltende Recht nur noch bis Ende 2008 angewendet werden darf. Der Gesetzgeber sollte gewährleisten, dass die unterschiedlichen Vermögen im Erbfall zunächst einheitlich nach Marktpreisen bewertet werden, ehe sie der Steuer unterworfen werden. Einzelne Vermögensarten könnten dann steuerlich begünstigt werden, wenn dies dem Gemeinwohl Rechnung trage.

Monatelang haben die Großkoalitionäre nach Kompromissen gesucht. Was sie am Ende beschlossen haben, soll dem Staat wie bisher Einnahmen von etwa vier Milliarden Euro sichern, was nicht einmal einem Prozent der gesamten Steuereinnahmen entspricht. Die Erbschaftsteuer ist damit nicht einmal fiskalisch zu rechtfertigen. Ihre Existenz vermag allenfalls Umverteilungsideologen und Populisten zu befriedigen.

Die Besteuerung der Erben wird ein bedeutsames Thema bleiben, und zwar gleichgültig, wie sich der Bundespräsident entschieden hat. Sollte das Gesetz am Jahreswechsel in Kraft treten, wird Karlsruhe das letzte Wort behalten. Sollte schon Köhler den Gesetzentwurf stoppen, wird über eine Neuauflage der Reform geredet. Was die Verfassungsrichter bei der Pendlerpauschale moniert haben, gilt auch für die Erbschaftsteuer. Es sei verfassungswidrig, die ungleiche steuerliche Abzugsfähigkeit der Kosten für Fahrten zum Arbeitsplatz nur mit dem zu erwartenden Spareffekt für die Staatskasse zu begründen. Bei der Erbschaftsteuer hatte sich die Koalition darauf festgelegt, dass es beim Steueraufkommen von mindestens vier Milliarden Euro bleiben solle. Diesem „Eckwert“ sind die Steuerbeschlüsse untergeordnet worden. So werden im Erbfall Geschwister, Nichten und Neffen dramatisch schlechter gestellt als bisher; sie werden wie Nichtverwandte belastet. Die Besteuerung beginnt nach einem Freibetrag von 20 000 Euro mit Sätzen von 30 Prozent (bisher 12 Prozent) und endet mit einem Satz von 50 Prozent (bisher 40 Prozent). Nichtverwandte wurden bisher mit Sätzen von 17 bis 47 Prozent belastet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die neuen Vermögenswerte die bisherigen in der Regel weit übersteigen. Die Steuer führt zur Enteignung.

Die für Eheleute, Kinder und Enkel vorgegebenen Freibeträge (500 000, 400 000 und 200 000 Euro) sowie die Steuersätze (von 7 bis 30 Prozent) lassen sich noch vertreten, zumal Eltern und Kinder Wohnimmobilien steuerfrei erben, wenn die Begünstigten darin zehn Jahre wohnen bleiben. Hinterbliebene werden an großen Wohnungen festhalten, Kinder, die sich beruflich verändern wollen und umziehen müssen, werden mit Erbschaftsteuer belastet, wenn sie ihre Wohnung vermieten oder verkaufen. Mobilität wird bestraft. Erben von Betriebsvermögen werden nur dann begünstigt, wenn sie das Unternehmen sieben oder zehn Jahre fortführen und für diese Zeiten stabile Lohnsummen nachweisen. Das alles ist wirtschaftlich unsinnig und verfassungswidrig.

Ein neuer Reformanlauf ist unvermeidlich. Entweder sollte die Erbschaftsteuer ganz gestrichen werden, oder die Erbschaft sollte pauschal und mit einem hohen Wertabschlag steuerlich erfasst und danach mit sehr niedrigen Steuersätzen belastet werden. Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist ein finanzpolitisches und bürokratisches Monster.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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