Leitartikel

Ethisch denken, versorgungspolitisch handeln

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

„Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun“, formulierte seinerzeit der französische Dichter Molière. Der Satz ist aktueller denn je, auch für den zahnärztlichen Berufsstand. Verantwortung zu zeigen und sich zu engagieren gehört zu den ureigensten Aufgaben von Medizinern und Zahnmedizinern. Das zeigt sich bei der Zahnärzteschaft beispielsweise in sensiblen Bereichen wie der Behandlung von Menschen mit Behinderungen. Hier steht der Kollege vor ganz besonderen Herausforderungen. Er muss spezielles Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Patienten an den Tag legen, um den vielfältigen Behandlungsbedürfnissen Rechnung zu tragen.

Es sind ganz konkrete Konzepte notwendig, die sich im Versorgungsalltag bewähren müssen. Nicht ohne Stolz können wir darauf verweisen, dass der Berufsstand hier bereits einiges erreicht und geschaffen hat. Und dies vor Ort, aus der Kollegenschaft selbst heraus und in eigener berufsethischer Verantwortung.

Zahlreiche Initiativen und Modelle in den Kammerbereichen legen davon inzwischen beredtes Zeugnis ab, wie auf der kombinierten Koordinierungskonferenz der Referenten für Alters- und Behindertenzahnheilkunde und für präventive Zahnheilkunde der Länderkammern Frankfurt/M. einmal mehr deutlich wurde (siehe Bericht Seite 24). Dies gilt nicht nur für Konzepte der Behinderten- und Seniorenzahnheilkunde, sondern auch für das sensible Thema der Früherkennung von häuslicher Gewalt in der Zahnarztpraxis. Bei all dem spielt der präventive Ansatz eine entscheidende Rolle.

Die Politik hat mittlerweile den beharrlichen Einsatz der Zahnärzteschaft anerkennend zur Kenntnis genommen. Das belegt der Parlamentarische Abend zum Thema „Mundgesundheit von Menschen mit Behinderungen“ am 21. April in Berlin (siehe Bericht Seite 28). Die Gesundheitspolitiker, die der Einladung von Dr. Rolf Koschorreck, MdB, Dr. Hans Georg Faust, MdB, und der BZÄK Folge leisteten, haben signalisiert, dass sie für die Belange dieser Patientengruppen sensibilisiert sind.

Jetzt geht es darum, unseren politischen Forderungen auch weiterhin Gehör zu verschaffen, denn mit bloßem ehrenamtlichem Engagement ist es nicht getan: notwendig sind konkrete Handlungsansätze für die besonderen Behandlungsbedarfe behinderter Menschen. Diese wiederum müssen in gezielten gesetzlichen Grundlagen wiederzufinden sein. Berücksichtigt werden muss beispielsweise ein höherer Personal- und Zeitaufwand bei der Behandlung, die Multimorbidität dieser Patienten oder die Behandlung in Allgemeinanästhesie. Das erfordert Planungsgrundsätze abweichend von der GKV und außerhalb des Budgets oder auch die Ausdehnung der präventiven Betreuung über das 18. Lebensjahr hinaus. Hier gibt es noch viel zu tun. Doch der Stein ist ins Rollen gebracht worden.

Die Behindertenzahnheilkunde ist ein wichtiges präventives und berufsethisches Handlungsfeld. Das zeigt sich auch aus internationaler wissenschaftlicher Sicht. So wird der fachlich renommierte Weltkongress der International Association for Disability and Oral Health (IADH) im September 2014 nach Deutschland kommen und – unter der Schirmherrschaft der BZÄK – in Berlin stattfinden. Auch die DGZMK bietet ihre Schirmherrschaft und Unterstützung bei der Erstellung des wissenschaftlichen Programms an. Der Kongress wird dem Thema nicht nur in der Öffentlichkeit mehr Gehör verschaffen, sondern wird ihm auch in der wissenschaftlichen Fachwelt zu einer verstärkten Wahrnehmung verhelfen.

Wir sind auf gutem Weg. Es bedarf jetzt weiterer gemeinsamer Schritte und Lösungsansätze von Standespolitik, Wissenschaft und Politik, um uns nachhaltig und wirkungsvoll für die Belange von Patienten mit Behinderungen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen einzusetzen. Die Orientierung muss dabei am ganz konkreten Versorgungsalltag erfolgen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Dietmar OesterreichVizepräsident der Bundeszahnärztekammer

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