Kraft aus der Mitte
„Die Mitte stärken“ – so der irgendwie an Yogapraktiken erinnernde Name des FDP-Programms zur Bundestagswahl. Ein Jahr lang arbeitete die Partei an dem 81-seitigen Papier, Mitte Mai soll es auf dem Bundesparteitag in Hannover offiziell beschlossen werden.
Neben dem Plädoyer für eine Stärkung der sozialen Marktwirtschaft stellt die FDP die Bewältigung der Wirtschaftskrise klar in den Mittelpunkt. Aber auch das Thema Gesundheit steht weit oben auf der Agenda.
Die Gesundheitsversorgung sei teurer, aber nicht besser geworden, diagnostizieren die Liberalen vorab. Schritt für Schritt werde die Therapiefreiheit abgeschafft und die Arzt-Patienten-Beziehung durch viel Bürokratie behindert. Noch dazu verschärfe sich das Finanzierungsproblem im Gesundheitssektor.
Was will die FDP tun? Zuallererst den Gesundheitsfonds wieder abschaffen. Weder die Bürgerversicherung noch die Gesundheitsprämie seien geeignete Instrumente, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Man müsse grundlegend umsteuern, und zwar in ein System, das Solidarität und Eigenverantwortung vereinbart und Schluss macht mit Staatsmedizin und sozialer Bevormundung. Wie das genau gehen soll, bleibt indes offen.
Privat kommt vor dem Staat
Eine weitere Forderung: mehr Wettbewerb – und zwar mit einer starken privaten Krankenversicherung auf dem Markt. Umgekehrt sollen die gesetzlichen Krankenkassen ihre Beitragsautonomie behalten.
Das Prinzip lautet „Privat kommt vor dem Staat“. Für die Liberalen heißt das: Soviel Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortung wie möglich für den Einzelnen zu garantieren, gleichzeitig aber genügend Sicherheit zu bieten, um eine finanzielle Notlage im Krankheitsfall auszuschließen. Also eine Versicherungspflicht? Ja, sagt die FDP, aber nur für die Risiken, die den Einzelnen im Krankheitsfall überfordern würden.
Konkret hat man vor, die Versicherer zu verpflichten, die Grundversorgung sicherzustellen.
Jeder müsse sich gegen Existenz bedrohende Risiken versichern können – unabhängig vom Gesundheitszustand und ohne dass die Kassen Risikozuschläge erheben. Wer sich den Krankenversicherungsschutz nicht leisten kann, soll finanziell unterstützt werden. Das Geld dafür will die FDP aus dem Steuersystem nehmen.
Ein weiteres Ziel: die Abschaffung der lohnabhängigen Beiträge in der GKV. Stattdessen strebt die Partei ein „leistungsgerechtes Prämiensystem“ an, das über Kapitaldeckung die Lasten innerhalb der Generationen verteilt und gleichzeitig dafür sorgt, dass jeder so weit wie möglich selbst bestimmen kann, was er wie absichert. Jede Generation müsse zudem die von ihr verursachten Gesundheitskosten selbst tragen. Im Klartext: Es sollen Rücklagen aufgebaut werden für die Zeit, in der mehr medizinische Versorgung benötigt wird.
Geht es nach der FDP, sind die Krankenversicherungskosten für Kinder eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und müssten daher aus Steuermitteln bezahlt werden.
Insgesamt sei die Gesundheitswirtschaft zwar nach wie vor ein Wachstumsmarkt, allerdings einer, der durch zahlreiche Regularien eingedämmt wird. Für wirklich notwendig erachten die Liberalen indes nur einen klaren wettbewerbs- und kartellrechtlichen Rahmen. Positiv heben sie hier das Festzuschussmodell und die Mehrkostenregelung hervor. Entscheidet sich ein Patient also für ein nicht erstattungsfähiges Therapieverfahren, müsse er den Betrag erstattet bekommen, den die Krankenkasse anderenfalls hätte übernehmen müssen.
Die Freiberuflichkeit ist für die FDP nach wie vor ein Garant für eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung – patientenorientiert, bedarfsgerecht und wohnortnah. Entscheidend sei für den Patienten dabei auch die freie Arztwahl. Verbindliche zentralisierte Vorgaben dürfe es dagegen nicht geben, denn: „Den Norm-Patienten gibt es nicht.“
Priorität für Prävention
Um die Versorgung darüber hinaus zu verbessern, müsse man weiter an Ansätzen arbeiten, die den Patienten in seiner Ganzheit wahrnehmen und eine nahtlose Behandlung über die verschiedenen Ärzte und Institutionen hinweg ermöglichen. Eine Chance sieht die FDP in dem Zusammenhang in Public-Private-Partnership-Projekten.
Was die elektronische Gesundheitskarte betrifft: Sie dürfe solange nicht eingeführt werden, bis Standards gewährleistet sind, die die Patientendaten sicher schützen. Eine klare Absage erteilte die FDP der Praxisgebühr: zu bürokratisch und ohne dauerhafte Steuerungsfunktion. Stattdessen wolle man die Anreize so setzen, dass Leistungen verantwortlich in Anspruch genommen werden – etwa mit Hilfe der Kostenerstattung.
Ebenfalls ein Thema: die Prävention. Jeder habe laut FDP die Möglichkeit, gesund alt zu werden. Und zwar, indem er sich gesund ernährt, sich bewegt und Risiken vermeidet. Das müsse man verdeutlichen, und dazu bedürfe es einer zielgruppenorientierten, umfassenden Aufklärung. Gezielt müsse man denjenigen helfen, die es nicht oder nur eingeschränkt aus eigener Kraft schaffen, gesund zu leben. Insbesondere Kindern und sozial Benachteiligten. Für diese Aufgabe brauche es eine klare Aufteilung der Aufgaben- und Finanzverantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie den Krankenkassen und Leistungsträgern.
Laut FDP genauso verbesserungswürdig: die Palliativversorgung. Überdies könnten mehr Menschen mit Organversagen gerettet werden, wenn alle Möglichkeiten im Rahmen der bestehenden Zustimmungslösung ausgeschöpft werden. Dazu gehörten eine konsequentere Aufklärung und Motivation der Bevölkerung für Organspendeausweise. Ebenso wichtig sei die Verbesserung der Strukturen in den Krankenhäusern, damit Organe auch tatsächlich transplantiert werden. Zudem will die FDP die Organ-Lebendspende erleichtern.
Die FDP plädiert überdies für eine Drogenpolitik, die Menschen ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben ermöglicht. Oberste Priorität hat für die FDP die Einrichtung flächendeckender Präventionsprogramme.
In der Pflege fordert die FDP einen Paradigmenwechsel. Leistungsanbieter müssten ausreichend Spielraum haben, um auf die Wünsche der Pflegebedürftigen flexibel zu reagieren.
Die Pflegeversicherung soll für eine finanzielle Grundausstattung sorgen, nicht aber bis ins Kleinste bestimmen, wie häufig ein Pflegebedürftiger Anspruch darauf hat, gekämmt oder gewaschen zu werden. Vor allem in stationären Einrichtungen wollen die Liberalen ein Benchmarking durchführen, orientiert an den Bedürfnissen der Menschen. Weil die meisten ihre letzten Jahre nicht in einem Pflegeheim, sondern zu Hause verbringen wollen, seien auch andere Formen der Versorgung angesagt – Wohngemeinschaften für Demenzkranke zum Beispiel.
Die Finanzierung der Pflegeversicherung muss der FDP zufolge so umgestellt werden, dass demografische Veränderungen keine Rolle mehr spielen. Nach Auffassung der FDP geht das nur über einen gleitenden Übergang in ein kapitalgedecktes und prämienfinanziertes System. Ein Rückgriff auf die eigentumsrechtlich geschützten Altersrückstellungen der privaten Pflegepflichtversicherung sei allerdings tabu.
Auch ein Finanzausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung kommt für die Liberalen nicht in Betracht. ck
Mehr unterwww.deutschlandprogramm.de