Wissenschaftliche Mitteilung der DGZPM

Vollkeramische Restaurationen

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Der folgende Beitrag ist eine wissenschaftliche Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde (DGZPW).

Vollkeramische zahnärztliche Restaurationen zeichnen sich durch exzellente Ästhetik und Biokompatibilität aus. Für die Anwendung von Keramiken für vollkeramische Restaurationen sind werkstoffkundliche Grundkenntnisse unerlässlich. Silikatkeramiken werden oft auch als Glaskeramik bezeichnet, da neben dem kristallinen auch ein amorpher Glasanteil vorliegt. Hierzu zählen Feldspat- und Glaskeramiken, zum Beispiel Leuzitkeramik, Lithium-Disilikatkeramik, Fluoro-Apatit-Keramik. Oxidkeramiken enthalten Oxide wie Aluminiumoxid und Zirkondioxid, wie glasinfiltrierte oder dicht gesinterte Aluminiumoxid- und Zirkonoxidkeramik. Zusätzlich gibt es Spinellkeramiken mit komplexen Mischoxiden.

Biegefestigkeit, Bruchzähigkeit, Weibull-Modul und unterkritische Risswachstumsfaktoren erlauben eine Einschätzung der keramischen Werkstoffeigenschaften. Oxidkeramiken bieten gegenüber Silikatkeramiken diesbezüglich in der Regel Vorteile, die sich in einer höheren Dauerfestigkeit niederschlagen. Insofern ergeben sich materialspezifische Indikationen und Auswirkungen auf die Befestigungstechnik (mit Zement oder mit Adhäsivsystem).

Vollkeramische Restaurationen werden hauptsächlich zur Versorgung ausgedehnter Zahnhartsubstanzdefekte (Veneers, Veneerkronen, Teilkronen und Kronen) oder zum Ersatz fehlender Zähne (Implantatabutments und -kronen sowie Brücken) verwendet. Weitere Indikationen sind Formveränderungen aufgrund kaufunktioneller, ästhetischer oder phonetischer Erfordernisse.

Veneers und Veneerkronen

Hierunter versteht man dünne Verblendschalen, die den Zahn anteilig (Veneers) oder vollständig (Veneerkrone) umfassen und mittels Adhäsivtechnik überwiegend am Zahnschmelz befestigt werden und insbesondere im Randbereich schmelzbegrenzt sind. Aufgrund der vorteilhaften ästhetischen Eigenschaften (wie Transluzenz) werden diese vornehmlich aus Silikatkeramik hergestellt. Präparationsgrenzen sollten zervikal im Zahnschmelz lokalisiert sein, um Randverfärbungen vorzubeugen. Derzeitiger Stand der Befestigungstechnik ist die Flusssäureätzung der Silikatkeramik mit anschließender Silanisierung und die Schmelzätzung mit Phosphorsäure. Bei freiliegendem Dentin ist zusätzlich die Anwendung eines Dentinadhäsives notwendig.

Labiale Veneers können aufgrund vorliegender klinischer Langzeituntersuchungen als bewährt eingestuft werden [5]. Mit zunehmendem Anteil der Befestigung im Dentin steigt jedoch das Misserfolgsrisiko [2]. Dies sollte bei der Indikation und Präparation beachtet werden. Für andere Veneerformen, (zum Beispiel orale Veneers zur Wiederherstellung von Führungsflächen) und Veneerkronen oder Teilkronen im Frontzahnbereich (überwiegend dentinverankert) liegen bislang positive klinische Darstellungen vor, die noch in Langzeitstudien bestätigt werden müssen.

Teilkronen und Kronen

Die Differenzialindikation zwischen Teil- und Vollkrone ergibt sich vor allem aus dem Destruktionsgrad des Zahnes und weiteren Faktoren (siehe Statement „Klinische Indikation für Kronen“ zm 8 vom 16. 4. 2009). Eine Vollkrone ist überwiegend im Dentin präpariert und umfasst den Zahn vollständig, während bei einer Teilkrone Anteile der klinischen Zahnkrone nicht in die Restaura tion einbezogen werden. Die materialspezifischen Schichtstärken müssen berücksichtigt werden (siehe Herstellerangaben), wobei tendenziell der Substanzabtrag für Kronen aus Oxidkeramiken geringer gehalten werden kann als bei silikatkeramischen Kronen.

Teilkronen werden überwiegend aus Silikatkeramik angefertigt und adhäsiv befestigt. Vollkronen können aus Silikatkeramiken oder Oxidkeramiken hergestellt werden, wobei letztere in der Regel mit einer Silikatkeramik verblendet werden. Aufgrund klinischer Erfahrungen sollten die Verblendstärken 2 mm nicht überschreiten, was durch eine unterstützende Gerüstgestaltung erreicht werden kann. Bei Restaurationen aus dicht gesinterter Aluminiumoxidund Zirkonoxidkeramik kann in ästhetisch unkritischen Bereichen auf eine Verblendung verzichtet werden, wenn die Oberfläche hochglanzpoliert ist.

Silikatkeramische Kronen (Ausnahme Lithium-Disilikatkeramik) müssen adhäsiv befestigt werden (Flusssäureätzung/Silanisierung der Keramik, Schmelz- und Dentinadhäsive, siehe Befestigungstechnik Veneers). Oxidkeramische Kronen und Kronen aus Lithiumdisilikatkeramik können sowohl konventionell zementiert als auch adhäsiv befestigt werden. Im Gegensatz zu Silikatkeramiken ist die Ätzung von Oxidkeramiken mit Flusssäure nicht effektiv. Deshalb müssen für die adhäsive Befestigung oxidkeramischer Kronen andere Methoden verwendet werden. Aufgrund bisheriger klinischer Erfahrung können hierfür die tribochemische Silikatisierung mit anschließender Silanisierung oder die Anwendung von Klebern mit speziellen adhäsiven Monomeren nach Korundstrahlung der Kroneninnenseite empfohlen werden.

Bei der konventionellen Zementierung wird Aluminiumoxidkeramik an den Kroneninnenflächen vorgängig korundgestrahlt, während die Korundstrahlung von Zirkonoxidkeramik aufgrund einer möglichen Strukturschädigung kontrovers diskutiert wird.

Silikatkeramische Teilkronen können aufgrund vorliegender klinischer Langzeituntersuchungen als bewährt eingestuft werden [3]. Silikatkeramische Vollkronen weisen im Frontzahnbereich eine akzeptable Bewährung auf, während sie im höher belasteten Seitenzahnbereich mit Ausnahme von Lithiumdisilikatkeramik kritisch zu sehen sind [7]. Es gibt Hinweise, dass spezielle CAD/CAM-verarbeitete Silikatkeramiken auch im Seitenzahngebiet als Vollkronen erfolgreich eingesetzt werden [1] Glasinfiltrierte und dicht gesinterte Aluminiumoxidkeramikkronen haben sich im Front- und Seitenzahnbereich bewährt, während für Zirkonoxidkeramikkronen Langzeitergebnisse noch ausstehen. Bei adäquater, systemspezifischer Vorgehensweise sind vollkeramische Einzelkronen hinsichtlich der klinischen Bewährung metallkeramischen Kronen ebenbürtig.

Für vollkeramische Primärkronen in der Doppelkronentechnik in Verbindung mit galvanisierten Sekundärkronen liegen positive initiale Ergebnisse vor, für die aber auch Langzeitergebnisse noch ausstehen [9].

Implantatabutments und -kronen

Vollkeramische Kronen auf Implantaten werden entweder auf metallischen oder auf keramischen Abutments befestigt. Bei Metallabutments gelten prinzipiell die für zahngetragene Kronen gemachten Aussagen.

Für vollkeramische Abutments sollte nur Zirkonoxidkeramik verwendet werden, da die Ergebnisse mit Aluminiumoxidkeramik unbefriedigend waren. Zirkonoxidkeramikabutments werden mit oder ohne Metallbasis angeboten. Für einzelne Implantatsysteme liegen erste positive Studien zur klinischen Bewährung vor, die noch in Langzeitstudien bestätigt werden müssen. Systemspezifische Indikationseinschränkungen und Materialstärken müssen berücksichtigt werden [6]. Für vollkeramische Kronen auf Zirkonoxidkeramikimplantaten liegen keine belastbaren Daten vor.

Brücken

Vollkeramischer Brückenersatz kann über Vollkronen, Teilkronen, Inlays oder Adhäsivflügel (für letztere siehe Stellungnahme „Adhäsivbrücken“) verankert werden. Für Brücken mit Kronenankern liegen zahlreiche Studien mit mittelfristigen Beobachtungszeiträumen von drei bis fünf Jahren vor [8]. Bei ausreichender Dimensionierung der Verbinderstärken können Brücken aus Aluminiumoxid- und Lithiumdisilikatkeramik im Frontzahnbereich mit akzeptablen klinischen Ergebnissen verwendet werden. Brücken aus Zirkonoxidkeramik im Front- und Seitenzahnbereich weisen gute initiale Ergebnisse auf. Diese beziehen sich auf dreibis viergliedrige Endpfeilerbrücken. Bei Zirkonoxidkeramik traten bislang nur selten Gerüstfrakturen auf, während häufiger über Teilabplatzungen der Verblendmaterialien berichtet wurde.

Für Brücken mit Inlayankern liegen einige wenige Studien [10] vor, die erhöhte Misserfolgsraten nachweisen (bis zu einem Drittel innerhalb von fünf Jahren), so dass zum derzeitigen Zeitpunkt diese nicht empfohlen werden können. Für Brücken mit Teilkronenankern fehlen Studien, die eine wissenschaftliche Bewertung zulassen würden.

Ralph G. Luthardt, UlmJoachim Tinschert, AachenPeter Pospiech, Homburg a. d. SaarSven Reich, LeipzigMatthias Kern, Kiel

DGZPW-Kontaktadresse:Prof. Dr. Klaus W. BöningPoliklinik für Zahnärztliche ProthetikUniversitätsklinikum Carl Gustav Carusan der Technischen Universität DresdenAnstalt des öffentlichen Rechtsdes Freistaates SachsenFetscherstraße 7401307 Dresdenklaus.boening@uniklinikum-dresden.de

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