Offene Immobilienfonds

Heute geschlossen

Anleger, die in offene Immobilienfonds investiert haben, fühlen sich derzeit sehr verunsichert. Immer noch verweigern zehn Fonds die Rücknahme ihrer Anteile, zudem fallen die Preise für Immobilien. Doch bevor die Investoren auf die Panikmacher hören und aussteigen, sollten sie ihre eigene Situation und die Marktgegebenheiten analysieren.

Es ist kaum ein Jahr her, dass die Immobilienfonds sich vor Zuflüssen kaum retten konnten, während die Finanzbranche bereits unter den Auswirkungen der Krise litt. Die Anleger setzten auf Sachwerte. Gold erlebte mit einem Unzen-Preis von knapp über 1 000 Dollar seinen bisherigen Höchstflug und die privaten wie die institutionellen Investoren glaubten an Beton und Steine. In den vergangenen zwei Jahren erzielten die besten Fonds in der Spitze bis zu sechs Prozent Rendite. Diese Zeiten sind vorbei.

Auch die Immobilienfonds spürten und spüren die Auswirkungen der Finanzkrise. Besonders fatal wirkte sich für sie die Flucht der Großanleger aus den Fonds aus. Vor allem die von der Branche als semi-institutionell bezeichneten Anleger, wie Vermögensverwalter oder Dachfonds, haben dieses Asset fürs Kurzparken benutzt. Andere Großanleger sahen sich gezwungen zu verkaufen, um sich wieder Liquidität zu verschaffen.

Geschlossen ... und offen zugleich

Die privaten Anleger haben sich anstecken lassen und verkauften ebenfalls. Die Folge davon: Ende Oktober 2008 schlossen elf offene Immobilienfonds, in die auch private Anleger einzahlen können. Das heißt, sie haben die Rücknahme von Anteilen eingestellt. Dazu gehören unter anderen Axa Immoselect, der SEB ImmoInvest und die beiden KanAm-Fonds. Korrekt betrachtet, sind die Fonds ja auch nicht geschlossen: Kaufen ist jederzeit möglich. Der Grund für diese Maßnahme: die Liquidität schrumpfte, die Fonds konnten die Rückgabewünsche nicht mehr bedienen.

Die Suggestion von Liquidität

Auch Wolfgang Kubatzki, Partner bei Feri Euro Rating in Bad Homburg, sieht hierin die Hauptursache für die jetzt missliche Situation: „Der Hauptfehler war die Suggestion von Liquidität bei einer illiquiden Anlage.“ Der Gesetzgeber hat den Fonds im Investment-Gesetz genaue Vorgaben darüber gemacht, wie viel flüssiges Kapital er zu halten hat: Die Liquidität darf fünf Prozent des Fondsvermögens nicht unterschreiten. Die Höchstgrenze liegt bei 49 Prozent. Dass die Fonds geschlossen bleiben, sagt nicht unbedingt etwas über ihre Qualität aus. Denn mangelnde Liquidität bedeutet ja nicht, dass die in Fonds enthaltenen Objekte an Qualität und Wert verlieren.

Doch nicht nur die Flucht der Investoren aus den Immobilien war Grund für den Engpass. Die Fonds hatten ihre liquiden Mittel zum Teil selbst in den Sand gesetzt. Einige warten noch jetzt auf die Erstattung ihrer Kaupthing-Engagements oder müssen sie ganz abschreiben. Viele investierten auch in die damals heiß begehrten Geldmarktfonds. Einige dieser Konstrukte aber verloren heftig an Wert dank der Schrottpapiere in den Portfolios.

Inzwischen freuen sich die Immobilienfonds über Zufluss an Kapital: Sie verkaufen wieder Anteile. Doch für zehn der betroffenen Fonds reichten die neuen Gelder nicht aus. Ende Januar verkündeten sie, dass sie wahrscheinlich für neun weitere Monate geschlossen bleiben. Die beiden UBS-Fonds Euroinvest und 3 Kontinente nehmen ihre Anteile bislang nur für zwei weitere (insgesamt sechs) Monate nicht zurück. Nur der Degi International hat Ende Januar wieder geöffnet. Die Fondsgesellschaft Degi, die bis März 2008 zur Dresdner Bank gehörte und nun beim britischen Investmenthaus Aberdeen Asset Management beheimatet ist, begründete ihren Schritt mit dem Auffüllen der Liqiditätsreserven auf 21 Prozent. Der Degi Europa aber bleibt weiterhin zu.

Erholungspause mit Maß

Der Gesetzgeber hat aus gutem Grund strenge Vorgaben für die Schließung von Immobilienfonds gemacht. Und der liegt in der Anlageform. Während Aktien jederzeit gehandelt werden können, brauchen die Gesellschaften viel Zeit, ein Bürohochhaus für viele Millionen Euro zu verkaufen. Damit das Management in Ruhe agieren kann, schließt es den Fonds für maximal ein Jahr; steht es in den Vertragsbestimmungen, kann die Schließung auch zwei Jahre dauern.

In dieser Zeit kann der Fondsmanager neue Liquidität beschaffen. Dazu hat er mehrere Möglichkeiten. Nahe liegend ist der Verkauf eines oder mehrere Objekte. Dazu braucht man Zeit. Die jetzige Marktsituation bei Immobilien ist eher deprimierend. Vor allem in London rauschen die Preise in die Tiefe. Ein Verkauf der Londoner Investments kommt also derzeit nicht in Frage.

Die Pufferzone

In Deutschland gibt es so extreme Abstürze nicht. So konnte Degi ein kleines Einkaufszentrum in Mainz zu einem relativ attraktiven Preis verkaufen und seinen Fonds wieder öffnen. Doch generell sinken auch hier die Preise für gewerbliche Immobilien ebenso wie die Mieten dafür. Das gilt speziell für den Banken-Standort Frankfurt. Marcus Lemli, beim Immobilien-Spezialisten Jones Lang LaSalle in Frankfurt Leiter Capital Markets für Deutschland, beobachtet den Gesamtmarkt: „Gerade die letzten drei Monate des Jahres 2008 waren geprägt durch eine Art Schockzustand.“

Für Fonds, die jetzt unter Verkaufsdruck stehen, eine schwierige Situation. Denn das Investmentgesetz schreibt für länger geschlossene Fonds den Verkauf von Objekten vor. Doch wie viel unter Buchwert dürfen die Fonds verkaufen? Das Gesetz spricht von einem angemessenen Abschlag. Wie viel das sein könnte, darüber berät zurzeit die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn, wie eine Sprecherin bestätigte.

Schnäppchenjäger

Auf der Käuferseite gibt es ebenfalls Probleme: Die Banken zieren sich noch immer, die für die Finanzierung notwendigen Kredite an potenzielle Käufer auszureichen. „Die Käuferschicht für die ganz großen Objekte ist dünn geworden“, meint Sonja Knorr, bei der Rating-Agentur Scope in Berlin zuständig für offene Immobilienfonds. Andere Interessenten wiederum warten ab, bis die Preise ganz im Keller sind: Wolfgang Kubatzki beobachtet die Szene: „Es werden schon sogenannte Distressed Fonds gegründet, die nur zum Ziel haben, ihr Geld in Immobilien zum Schnäppchenpreis anzulegen.“

Eine weitere Möglichkeit, wieder flüssig zu werden, ist die Kreditaufnahme – ein schwieriges Unterfangen: Langfristige Kredite, die mit den im Fonds vorhandenen Immobilien besichert sind und für die die Banken auch günstige Konditionen bieten, dürfen die Immobilienfonds nicht für die Anteilsrücknahme nutzen. Das untersagt das Gesetz. Aber kurzfristige Kredite sind sehr teuer.

Die dritte Möglichkeit, Liquidität zu beschaffen, ist der Verkauf von Anteilen. Wie groß das Interesse der Anleger sein wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die große Frage ist, ob sie zu der eigentlich beliebten Anlageform weiterhin (beziehungsweise wieder) Vertrauen fassen. Im Dezember 2008 jedenfalls zeigten die Verkaufszahlen wieder steigende Tendenz. Die jüngsten Daten aus der BVI-Statistik belegen das: Im letzten Monat des Jahres 2008 flossen den Fonds 0,9 Milliarden Euro zu, ein Drittel davon in die derzeit geschlossenen Fonds.

Wie lange die Fonds brauchen werden, bis sie die notwendige Liquidität wieder erreichen, ist zum heutigen Tag noch nicht klar. Einige von ihnen, zum Beispiel der SEB ImmoInvest, haben bereits angekündigt, dass sie den Zeitrahmen von neun Monaten nicht ausnutzen werden. Bis dahin aber wollen sie die angemessene Liquiditätsquote von 15 bis 20 Prozent wieder erreichen. Wie üppig die Barmittel tatsächlich sind, hängt von der Größe des Fonds ab. Sonja Knorr wägt ab: „15 Prozent bei einem kleinen Fonds sind objektiv nicht viel.“

Am Scheideweg

Anleger, die jetzt mit sich hadern, ob sie ihre Fondsanteile verkaufen sollen oder neue anschaffen wollen, stehen vor einer schwierigen Entscheidung. So mancher Experte rät zum sofortigen Ausstieg aus dieser Anlageform, weil er befürchtet, dass noch weitere Fonds schließen und die Objekte zwangsläufig abgewertet werden müssen.

Sie rechnen mit einem starken Abschlag bei der routinemäßigen Neubewertung der rund 1 500 Objekte, die sich in den Fonds befinden. Üblicherweise schätzen unabhängige Sachverständige die Immobilien einmal pro Jahr regelmäßig zum Kaufdatum. In diesem Jahr werden sie wohl nicht umhin kommen, den Daumen nach unten zu richten. Doch gehen sie dabei nicht von Extremwerten aus, denn die Schätzungen sollten immer nachhaltig sein. Boom- und Abwärtsphasen aber sind extrem. Positiv wirkt sich eine durchweg hohe Qualität der Gebäude auf die Beurteilung aus. Zudem sind die meisten mit lange laufenden Mietverträgen ausgestattet.

Die Rating-Agentur Scope sieht dann ein Risiko, wenn Mietverträge innerhalb der nächsten drei Jahre neu verhandelt werden müssen. In diesem Jahr stehen zum Beispiel beim Axa Immoselect elf Prozent der Mietverträge zur Neuverhandlung an. Über drei Jahre betrachtet sind es 28,7 Prozent – für Scope eine günstige Quote. Beim SEB ImmoInvest sind es bis Ende nächsten Jahres 37,3 Prozent, davon der größte Teil in 2010.

Pessimisten befürchten Run

Pessimisten befürchten darüber hinaus, dass ein Run auf die wieder geöffneten Fonds einsetzen wird, weil viele Anleger gleichzeitig ihre Anteile verkaufen wollen. Die Fonds gerieten dann sofort wieder in die Bredouille. Christian Völxen, Experte für Immobilienfonds bei Feri, wiegelt ab: „Einige Fonds verfügen über ein sehr ausgereiftes Vertriebscontrolling. In Verbindung mit einem engen Kontakt zu den Vertriebspartnern lässt sich dadurch für die Fonds die Transparenz hinsichtlich möglicher Anteilsrückgabewünsche deutlich erhöhen.“

Klug durch die Krise

Die Anleger sind beunruhigt. Doch Panikmache wird zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Besser ist es, mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit, die ein schwerfälliges Investment wie Immobilien naturgemäß verlangt, zu entscheiden. Dieser Meinung ist Niels Nauhauser, Anlageexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: „Offene Immobilienfonds sind im Unterschied zu Tages- und auch Festgeld eine langfristige Anlage. Wer von diesem Produkt überzeugt ist, und glaubt, dass die Krise vorüber geht, sitzt sie aus.“

Für ihn gibt es mehrere Gründe, dieser Anlageform die Treue zu halten. Aber zurzeit flüchten viele Anleger in den vermeintlich sicheren Hafen der Staatsanleihen. Doch Euro-Länder wie Griechenland oder Italien gelten schon jetzt als Wackelkandidaten, weil ihre Verschuldung sehr hoch ist.

Für die europäische Währung bedeutet dies nicht unbedingt eine Stärkung. Zig Milliarden Euro neuer Schulden hat sich auch Deutschland auferlegt, um die Banken zu stützen und die Konjunktur anzuschieben. Die wollen finanziert werden. Für Nauhauser stellen Staatsbankrotte kein Tabu dar. Seine Frage ist: „Werden die Wähler dafür Verständnis haben, wenn die Bundesrepublik dem EU-Mitglied Griechenland in der Not beispringt?“

Durch die Geldvermehrung wird es in ein bis zwei Jahren zu einer steigenden Inflation kommen. Mit Sachwerten sind die Anleger dann besser bedient als mit Geldanlagen wie Fest- oder Tagesgeld. Außerdem bleibt bei den Erträgen aus Immobilienfonds ein großer Teil steuerfrei, weil die meisten Fonds im Ausland investieren. Die Steuern sind dann bereits bezahlt, wenn die Erträge an die Anleger ausgeschüttet werden.

Natürlich werden in diesem Jahr keine sensationellen Renditen zu erwarten sein. Doch einhellige Experten-Meinung ist zurzeit, dass die Renditen 2009 in etwa zwischen 3,5 und 4,5 Prozent liegen werden. Mit Negativ-Renditen rechnet keiner. „Ich sehe keinen Anlass, das Totenglöckchen zu läuten“, beruhigt Wolfgang Kubatzki. Einen Dämpfer hält Sonja Knorr dennoch bereit: „Die Rendite muss aus der Objektbewirtschaftung kommen. Die Wertentwicklung der Objekte wird keinen großen Beitrag leisten.“ Mit Immobilienfonds schneiden Anleger jedenfalls besser ab als mit der Tagesanleihe vom Bund. Ihr Zins liegt derzeit (5. 2. 2009) bei mageren 1,05 Prozent.

Den Schutz verbessern

Um in Zukunft die Immobilienfonds besser gegen Krisen zu schützen, rufen die Experten unisono nach dem Gesetzgeber. Er soll nun für strengere Regeln sorgen, um horrende Kapitalabflüsse zu verhindern. Schon 2006 haben die Fonds den institutionellen Anlegern Einschränkungen für die Rückgabe von Anteilen auferlegt. Doch für die meisten war es ein Leichtes, sie zu umgehen oder zu ignorieren. Eine gesetzliche Regelung würde dies verhindern. Aber selbst ein Gesetz stellt laut Branchenkenner Kubatzki nur einen Schutz gegen Hochwasser dar: „Vor einem Tsunami, wie der jetzigen Finanzkrise, können strengere Regeln auch nicht schützen.“

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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