Anspruch auf verdeckte Provisionen

Gerichte auf der Seite der Anleger

Jahrzehntelang haben Banken und freie Berater nach dem Verkauf von Anlage - produkten sogenannte Kickbacks kassiert. Damit sind versteckte Provisionen gemeint, die Banken erheben, wenn sie ihren Kunden zum Beispiel Fondsanteile verkaufen. Aufgrund seiner Unkenntnis zahlte ein Anleger oft tausende Euro in dem Glauben, sie wandern in seine Geldanlage. Inzwischen kennen aber immer mehr Sparer ihre Rechte und ziehen vor Gericht. Und die Rechtsprechung schlägt sich meistens auf die Seite der Verbraucher.

Wie jeder, der gute Arbeit leistet, haben auch Banken und freie Vermögensverwalter einen Anspruch auf eine leistungsgerechte Bezahlung. Daran wird kein Anleger zweifeln, wenn er mit den Ergebnissen zufrieden ist. Allerdings kassieren Verwalter und Berater gerne Gebühren, die nicht ihnen, sondern dem Kunden zustehen. Dabei handelt es sich um sogenannte Rückvergütungen oder Kickbacks – also Gebühren, die die Produktverkäufer von den Fondsgesellschaften und den Emittenten erhalten. „Ausgehend von einem Marktvolumen von über 100 Milliarden Euro in Zertifikaten und 1 700 Millionen Euro in Investmentfonds, handelt es sich um ein Milliardengeschäft, das lange Zeit hinter dem Rücken der Anleger abgewickelt wurde“, berichtet Niels Nauhauser, Anlageexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart.

Dabei zahlt der Kunde beim Kauf schon einen Ausgabeaufschlag, der bei Aktienfonds schon mal leicht fünf Prozent der angelegten Summe ausmacht. Dazu kassiert die Fondsgesellschaft aber noch eine jährliche Bestandsprovision, die zwischen 0,25 und einem Prozent liegt. Ein Teil davon fließt zurück an den Verkäufer – und das hinter dem Rücken des Kunden. Nauhauser geht davon aus, dass es sich dabei um eine Summe von etwa neun Milliarden Euro handelt, die in die Taschen der Berater fließt. Diese versteckten Zahlungen beschäftigten in den vergangenen Jahren zunehmend die Gerichte. Scheinbar naiv behaupten die Banken, dass sie erst seit dem 1. November 2007 die versteckten Provisionen ihren Kunden gegenüber offenlegen müssen. Denn seitdem gilt die „Markets in Financial Instruments Directive“ – kurz Mifid genannt. Dieses von der EU initiierte Anlegerschutzgesetz soll eigentlich die Banken zur Offenlegung und Herausgabe der Gebühren zwingen. Die Praxis aber zeigt, dass sie Möglichkeiten finden, das Geld dennoch auf dem eigenen Konto gutzuschreiben. Sie bewegen ihre ahnungslosen wie vertrauensseligen Kunden dazu, mit einer Unterschrift auf die Auszahlung dieser Beträge zu verzichten. Selbstverständlich sollten Anleger sich nicht auf dieses Ansinnen einlassen.

Bundesgerichtshof schafft Klärung

Deren Ansprüche gelten aber nicht nur für die Gegenwart, sondern reichen weit in die Vergangenheit zurück. Jahrzehntelang hat sie aber kaum jemand geltend gemacht. Es herrschte ein Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde. „Man ging zum Bankberater wie zum Arzt“, berichtet Rechtsanwalt Dietmar Kälberer, Spezialist für Kapitalmarktrecht in der Kanzlei Kälberer und Tittel in München. Viele seiner Klienten sind Ärzte. Sie wollen das Vertrauen ihrer Patienten nicht enttäuschen und setzten ein solches Vertrauensverhältnis auch zu ihrer Bank beziehungsweise zu ihrem Vermögensverwalter voraus. Heute klagen sie ihre Rechte ein. Dass sie gute Chancen haben, zeigen die letzten Urteile vieler Landes- und Oberlandesgerichte und auch des Bundesgerichtshofs (BGH). So hat der für Banken zuständige XI. Zivilsenat des BGH am 29. Juni 2010 entschieden, ab wann ein Kreditinstitut über Rückvergütungen hätte aufklären müssen (AZ: XI ZR 308/09). Die Richter stellten fest, dass auf der Grundlage von zwei Urteilen aus den Jahren 1989 und 1990 eine entsprechende Aufklärungspflicht erkennbar gewesen sei. Damit steht fest, dass Anleger die in dieser Zeit Fonds gekauft haben und deren Bank nicht über die Rückvergütungen aufgeklärt hat, bei einer Klage gute Aussichten auf Erfolg haben. In diesem Fall muss das betroffene Geldhaus nicht nur die Kickbacks bezahlen, sondern – wenn der Kläger das verlangt – den gesamten Anlagebetrag herausgeben. Denn das Gericht unterstellt, dass der Kläger, wenn er denn Kenntnis von den Kickbacks gehabt hätte, das Geld möglicherweise gar nicht investiert hätte. Damit wollen die Richter klarstellen, ob das Interesse der Bank darin bestanden hat, die Fondsanteile aufgrund der Provisionen zu verkaufen, oder darin, ob sie besonders gut für den Kunden geeignet waren.

Doch nicht nur Besitzer von Investmentfondsanteilen dürfen auf die Auszahlung der Rückvergütungen hoffen. Fachanwalt Mathias Nittel aus Heidelberg, meint: „Im Bereich der Vermögensanlagen gibt es inzwischen Urteile zu den verschiedensten Produktgruppen, zumeist geschlossene Fonds und Wertpapieranlagen.“ Er erwähnt auch das Urteil gegen eine Volksbank, die im Zusammenhang mit einer fondsgebundenen Lebensversicherung nicht über Rückvergütungen aufgeklärt hatte. Arno Gottschalk, Kapitalmarktexperte bei der Verbraucherzentrale Bremen, hält auch im Bereich der Baufinanzierung die Erstattung von Kickbacks für richtig: „Banken, Sparkassen und Finanzberater empfehlen und vertreiben in großem Stil kombinierte Finanzierungen aus Darlehen und insbesondere Bausparverträgen. Sie informieren jedoch mit keinem Wort darüber, was sie an Provisionen für die Ansparverträge erhalten.“

Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Klage muss in jedem Fall eine Beratung stattgefunden haben. „Dabei wird das jeweilige Produkt in Beziehung zum Kunden gesetzt“, erklärt Kälberer, „bei einer Vermittlung geht es ausschließlich um Informationen über das Produkt.“ In solchen Fällen darf der Vermittler über seine Provisionen schweigen, sofern sie nicht 15 Prozent überschreiten. Ist diese Grenze erreicht, muss er die Vergütungen offenlegen. Die Gerichte verlangen, dass die Geldanlagen nicht durch Kosten wie Provisionen geschädigt werden.

Ungeklärte Rechtslage bei freien Beratern

Während die Sachlage bei Kickbacks gerichtlich geklärt scheint, wenn Banken im Spiel sind, hat sich die rechtliche Lage bei freien Beratern noch nicht geklärt. Inzwischen gibt es einige Urteile, bei denen zum Beispiel Vertreter des Finanzdienstleisters AWD zur Offenlegung verurteilt worden sind. Eines der Urteile erstritt die Kanzlei Mattil am Münchner Landgericht. „Beim AWD bekommt der Vermittler 15 Prozent, bei den Banken handelt es sich meist um eins bis zwei Prozent. Kein Kunde rechnet damit, dass er 15 Prozent Provisionen zahlen soll“, sagt Mattil. Deshalb kann er den letzten Richterspruch des BGH zu diesem Thema nicht verstehen. Am 15. April 2010 entschied der BGH in einem Urteil (AZ: III ZR 196/09) für freie Finanzberater: „Wenn ein Anleger sich durch einen freien Anlageberater über eine Kapitalanlage, insbesondere Fonds, beraten lässt, und selbst keine Provision für die Anlageberatung zahlt, so liegt es für den Kunden auf der Hand, dass der Anlageberater von der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft Vertriebsprovisionen erhält, die jedenfalls wirtschaftlich betrachtet dem vom Kunden an die Anlagegesellschaft gezahlten Betrag entnommen werden. Da der Anlageberater mit der Beratung selbst sein Geld verdienen muss, kann auch nicht angenommen werden, er würde diese Leistungen insgesamt kostenlos erbringen.“ Den Unterschied zwischen einem Berater in der Bank und einem freien Kollegen sehen die Richter darin, dass zwischen einem Geldinstitut und seinem Kunden üblicherweise eine auf Dauer angelegte Vertragsbeziehung bestehe. Der Kunde müsse deshalb auch nicht damit rechnen, dass die Bank bei der Anlageberatung eigene Interessen verfolge. Demgegenüber liege es bei freien Anlageberatern, denen der Kunde keine Provision zahlt, auf der Hand, dass sie vom Fondsanbieter Vertriebsprovisionen erhielten. Das gelte auch für den Umstand, dass diese Beträge dem an den Fondsanbieter zu zahlenden Gesamtbetrag entnommen würden. Merkwürdig an diesem Urteil erscheint die Unterstellung, dass die Banken in der Geschäftsbeziehung mit ihren Kunden keine eigenen Interessen verfolgen. Auch Rechtsanwalt Mattil hält das Urteil nicht für gerecht: „Ich gehe davon aus, dass die nächsten Urteile anders ausfallen werden.“ Sein Verfahren gegen den AWD geht zum Oberlandesgericht und wahrscheinlich dann zum BGH. Mattil rechnet fest damit, dass dort der Richterspruch von München bestätigt wird. Sein Kollege Kälberer zeigt weniger Optimismus: „Das Urteil wird Bestand haben, weil ein anderer Senat als bei dem ersten Urteil gesprochen hat.“ Dass der III. und der XI. Senat gemeinsam den Großen Senat anrufen, um eine Einigung zu erzielen, ist unwahrscheinlich. Dennoch halten sich einige Gerichte nicht an die Vorgabe aus Karlsruhe wie das Beispiel des Münchner Landgerichts zeigt.

In einem anderen Fall sprach das Landgericht Heidelberg Recht und verurteilte die Volksbank Kraichgau eG dazu, einem Kunden Schadenersatz in Höhe von 50 000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Dabei ging es um eine fondsgebundene Lebensversicherung. Zwar hatte die Bank richtig beraten, aber die Kunden nicht über die Provision in Höhe von 1 001 Euro informiert. Von den ursprünglich eingezahlten 50 000 Euro betrug der Policenwert ein Jahr später nur noch 42 594,40 Euro.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil verhilft den Betroffenen zu einem Ausgleich des erlittenen Verlusts. Manche Anleger bekommen auf diesem Umweg – unverhofft – auch die Möglichkeit, die in der Finanzkrise dezimierten Depots wieder aufzufüllen.

Fristen beachten

Allerdings gilt es einige Fristen zu beachten. So verjähren Altfälle – dabei handelt es sich um Anlagen vor dem Jahr 2000 spätestens am 31. Dezember 2012. Für alle anderen Fälle gilt die dreijährige Verjährungsfrist ab Kenntnisnahme, das heißt ab dem Zeitpunkt, zu dem der Kunde erkannt hat, dass sein Berater versteckte Provisionen kassiert hat. Dank der ausführlichen Berichterstattung im vergangenen Jahr, könnten die Gerichte davon ausgehen, dass die Kläger sich in 2009 kundig gemacht haben. Damit etwas passiert, muss der Betroffene schon selbst aktiv werden. Eine außergerichtliche Einigung wird er nach Meinung der Anwälte Mattil und Kälberer höchstens als Kunde einer kleinen Bank erzielen. Die Großbanken warten eher darauf, dass der Kunde klagt. „Und dann“, berichtet Kälberer aus der Praxis, „geht es durch alle Instanzen. Dazu haben nur wenige Kunden Lust.“ Ein solcher Prozessmarathon, der sich über mehrere Jahre hinzieht, kostet nicht nur Nerven, sondern auch viel Geld. Kälberer rät: „Eine Rechtsschutzversicherung, bei der noch die alten Bedingungen gelten, ist von Vorteil.“ Bei den neuen Policen ist das Thema Kapitalanlagen weitgehend ausgeschlossen. Das gilt auch für die Sieger aus dem Vergleich von Finanztest im vergangenen Jahr: DA Direkt, Itzehoer und Rechtsschutz Union. Sie alle haben den Schutz für Kapitalanleger abgespeckt. Die meisten Konkurrenten schließen ihn komplett aus. Vielleicht hilft in solchen Fällen ja auch der Rat von Verbraucherschützer Nauhauser weiter: „Provisionen bei den meisten Finanzprodukten sind grundsätzlich Verhandlungssache.“ Dann lässt sich – wenn die Bank mitspielt – sogar beim Ausgabeaufschlag schon etwas sparen. Wenn nicht, dann bleibt noch der Weg zum Fondsvermittler.

Marlene Endruweitm.endruweit@koeln.de

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