3. Frühjahrssymposium Kinderzahnheilkunde

Praktikable Behandlungsstrategien

Das 3. Frühjahrssymposium der Österreichischen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde stand unter dem Motto, praktikable Behandlungsstrategien in Einklang zu bringen mit wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen. Daneben sollten das kollegiale Gespräch und der Austausch von Erfahrungen unter den Teilnehmern und Teilnehmerinnen gefördert werden.

Wie bei den ersten zwei Symposien wurde ein Nachmittag den Seminaren gewidmet, während für die Fachvorträge ein ganzer Tag vorgesehen war. Hier ein Überblick.

Seminar 1„Fit für die zahnärztliche Kinderbehandlung“ wurde gehalten von Dr. Jacqueline Esch aus München. Unter dem Motto „Kinderbehandlung ist Teamarbeit!“ betonte sie, dass eine geschulte Assistenz für erfolgreiches Behandeln eine wichtige Voraussetzung ist. Schon beim Erstkontakt kann die Helferin durch einfühlsames Vorgehen und gute Elternkommunikation dem Zahnarzt / der Zahnärztin eine große Hilfe sein. Prophylaxeassistentinnen spielen eine wichtige Rolle beim Heranführen an Zahnbehandlungen mittels sogenannter Desenssitzungen, deren Inhalt ebenfalls erörtert wurde. Situationen wie „Abholen aus dem Wartebereich“ oder „Erster Kontakt mit der zahnärztlichen Einheit“ und „Befundaufnahme“ bis hin zur Gabe von Lokalanästhesie bei der Behandlung wurden gezeigt. Für die zahnärztliche Behandlung bei Kindern (oder Angstpatienten) eignen sich verschiedene Techniken der Verhaltensführung, wobei eine kleine Einführung in die Methoden der Kinderhypnose, wie Konfusionstechnik und Distraktion, gegeben wurde.

Schmerzausschaltung

Seminar 2„Lokale Schmerzausschaltung mit praktischen Übungen“, gehalten von Dr. Hubertus van Waes aus Zürich, erfreute sich großer Beliebtheit und war aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl sofort ausgebucht. Inhalt des Seminars war die pharmakologisch korrekte und kindgerechte Applikation eines Lokalanästhetikums. Neben einer theoretischen Einführung wurden praktische Übungen mit dem Wand-Gerät abgehalten. The Wand®-Plus (Weiterentwicklung von The Wand®) kann frei übersetzt werden mit „Zauberstab“. Es handelt sich um ein System für die elektronisch gesteuerte Lokalanästhesie. Es ist für alle gängigen Anästhesietechniken, wie Infiltration, Leitungsanästhesie und intraligamentäre Anästhesie, geeignet. Das Gerät sieht weniger „beängstigend“ aus als eine normale Spritze, mit der ein Kind eventuell schon schlechte Erfahrungen gemacht hat. Griffund Einspritztechnik unterscheiden sich ebenfalls deutlich von der normalen Lokalanästhesie. Das Gerät verfügt über zwei Fließgeschwindigkeiten, wobei die insgesamt langsame Fließrate des Anästhetikums den Eingriff für den Patienten erheblich angenehmer macht.

Seminar 3:Prof. Dr. Roland Frankenberger aus Marburg referierte über das Thema „Adhäsivtechnik: Milchzähne versus bleibende Zähne“. Obwohl die Adhäsivtechnik in der Zahnmedizin seit 20 Jahren voll etabliert ist, ist adhäsive Zahnheilkunde in der Kinderzahnmedizin durch oft begrenzte Zeitfenster nicht gerade einfach. Hinzu kommt die unüberschaubare Flut immer neuerer Materialien. Inhalte dieses Seminars waren daher: 1. Das ABC der Adhäsivtechnik: Grundlagen, Überblick, Materialempfehlungen, 2. Füllungstherapie für Milchzähne und bleibende Zähne und 3. Realisierbare Frontzahnästhetik mit Komposit.

Seminar 4:Ebenfalls praktische Übungen beinhaltete das Seminar von PD Dr. Yango Pohl aus Bonn über aktuelle Aspekte beim Frontzahntrauma. Die Prognose von schwer traumatisierten Zähnen wird durch die Heilung im Parodont vorgegeben und durch Infektionen im Endodont gefährdet. Die Behandlung zielt auf die Unterstützung parodontaler Heilung sowie auf eine rechtzeitige Wurzelkanalbehandlung. Das Seminar umfasste Aspekte der Heilung und der Behandlung nach schwerem Zahntrauma. Im praktischen Teil fertigten die Teilnehmer eine extraorale Wurzelkanalbehandlung (retrograde Insertion von Titanstiften) an Modellzähnen an.

Hypomineralisierte 6er

Am Vortragstag referierte Prof. Dr. Norbert Krämer, Dresden, zum Thema „MIH: Ätiologie, Einteilung, Therapie und Grenzen“. Er betonte, dass ein besonderes Problem in der Vergangenheit Mineralisationsstörungen der ersten bleibenden Molaren und Inzisiven mit einer Prävalenz von zehn bis 25 Prozent (Molar Incisor Hypomineralisation (MIH)) darstellten. Hauptsächlich betroffen sind die ersten Molaren und die mittleren Schneidezähne der bleibenden Dentition. Zunehmend zeigen sich jedoch ähnliche Veränderungen auch im Milchgebiss. Mit einer Häufigkeit von etwa fünf Prozent sind vor allem die zweiten Milchmolaren betroffen. Aufgrund der fehlerhaften Kalzium- und Phosphateinlagerung zeigen diese Zähne je nach Schweregrad diskrete Opazitäten bis hin zu Schmelzaussprengungen und eine deutliche Hypersensibilität. In diesen Fällen ist das schnelle therapeutische Eingreifen dringend geboten. Informationen zur Ätiologie der Erkrankung beruhen primär auf retrospektiven Erhebungen oder sind noch nicht ausreichend erforscht. Aufgrund der unzureichenden Mineralisation, die auch das Dentin betreffen kann, ist die adhäsive Versiegelung des Dentins und des Schmelzes Mittel der Wahl bei der Primärversorgung. Die Kompositrestauration hat zudem den Vorteil, dass die Pulpa vor weiteren thermischen Reizen sicher geschützt wird. Falls die Erkrankung die gesamte Krone erfasst hat, so ist mittel- bis langfristig die Überkronung der Zähne oder in Extremfällen die Extraktion der Zähne indiziert. Allerdings fehlen auch für diese Therapieempfehlungen noch klinische Langzeitergebnisse, so dass Evidenz-basierte Handlungsanweisungen bis dato noch nicht gegeben werden können.

Ein für Kinderzahnärzte eher ungewohntes, jedoch nicht minder interessantes Thema, wurde von Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Krenkel aus Salzburg behandelt: „Regeneration der Alveolarfortsatzatrophie bei Aplasien von Zähnen mit der Endo-Distraction“. Er erläuterte, dass es zunächst einmal notwendig ist, den Kieferkamm aufzubauen und die Schleimhaut zu sanieren, wenn der Kieferknochen zu sehr atrophisiert ist und die Schleimhautverhältnisse für eine konventionelle Prothetik nicht ausreichend sind. Alveolarkammaufbauten mit Knochenersatzmaterialien haben sich bezüglich ihrer Spätergebnisse jedoch nach heutigen Qualitätskriterien nur zum Teil bewährt und sind im wachsenden Individuum nicht erlaubt. Die Regeneration des Kieferkamms mittels Distraktions-Osteogenese stellt daher die beste Art des Knochenaufbaus dar, da dieser durch natürliches Bioengineering im Original (ortsständiger Knochen) gezüchtet wird. Ein spezieller Distractor, der dem Prinzip einer Anker-Zugschraube entspricht, jedoch mit Kraftentwicklung in umgekehrter Richtung, wurde während eines Zeitraums von mehr als zehn Jahren an über 100 Patienten erprobt. Durch die zentrale Position der Distraktionsschraube im Knochen wird das Osteotomiesegment bis zur gewünschten Knochenhöhe ideal gestützt. Durch die sichere Verankerung der Distraktionsschraube im Kieferbasisknochen kann jeder gewünschte Vektor eingestellt und auch gehalten werden. Die geringe Oberfläche des Geräts und der flüssigkeits- und bakteriendichte Abschluss zum Osteotomiespalt minimieren das Infektionsrisiko und sind die Grundlage für optimale Kallusbildung. Der Endo-Distractor, der im Mund wie das Abutment eines Implantats aussieht, führt für die Patienten zu keiner ästhetischen und funktionellen Störung. Keinerlei Beeinträchtigung gibt es auch nach Beendigung der Distraktions- und Latenzzeit, da die Distraktionsschraube in einem Operationsschritt ausgeschraubt und durch die Implantate ersetzt wird. Durch die Anwendung der Endo-Distraction-Methode gelingt in einem einzigen Operationsschritt sowohl die Regeneration des Alveolarfortsatzes und des Vestibulums als auch eine ästhetisch ansprechende Wiederherstellung des Untergesichts und der Lippen. Am Ende der dreimonatigen Latenzzeit werden die Zahnimplantate gesetzt und der Endo-Distractor entfernt. Die definitive prothetische Versorgung kann nach vier Monaten durchgeführt werden. Ein zurückbleibendes Alveolarfortsatzwachstum kann durch Verlängerung der Kunststoffkronen ästhetisch ausgeglichen werden. Am Ende des Wachstums der Patienten erfolgen die Neubeurteilung der Situation und die definitive implantologisch-prothetische Versorgung. Sekundäre Knochenaugmentations-Maßnahmen können ab diesem Zeitpunkt gefahrlos für die Patienten durchgeführt werden. Dieses Konzept wurde an entsprechenden Fallbeispielen erläutert.

Frontzahntrauma

Das Frontzahntrauma ist ein immer aktuelles Thema mit vielen Neuentwicklungen und Änderungen im Behandlungskonzept. Daher wurde es nicht nur als Seminar, sondern auch in einem Vortrag – abermals von PD Dr. Yango Pohl – behandelt. Er wies darauf hin, dass Frontzahntraumata häufig und in Akutsituationen wie Folgezuständen ausgesprochen komplex und variabel sind. Dabei unterscheidet sich die Situation der verletzten Gewebe von derjenigen typischer Zahnerkrankungen. Im Vortrag wurden grundlegende Heilungsmuster nach schwerem Zahntrauma umrissen und Behandlungsempfehlungen abgeleitet. Ziele sind vor allem der Vitalitätserhalt der Gewebe und die Vermeidung von Infektionen.

Das dicke Kind

Adipositas bei Kindern stellt eine Problematik dar, die immer mehr zunimmt. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit ein Zusammenhang zwischen der Adipositas und dem Kariesbefall bei Kindern besteht beziehungsweise welche Nahrungsmittel oder Getränke damit in Verbindung gebracht werden können. Dies wurde sehr anschaulich durch Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer in seinem Vortrag dargelegt.

Die mikroinvasive Kariestherapie durch Kunststoffinfiltration ist ein ganz neuer Ansatz der Behandlung von approximalen Läsionen oder Entkalkungen nach festsitzender kieferorthopädischer Behandlung, wie Dr. Sebastian Paris aus Kiel erläuterte. Neben der prophylaktischen Fissurenversiegelung hat in den vergangenen Jahren die Versiegelung früher okklusaler Karies zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die klinischen Erfolge dieser Methode führten zur Anwendung von Fissurenversieglern und Versiegelungsfolien auch bei approximalen Läsionen. Das Prinzip der Kariesinfiltration beruht dagegen auf der Penetration der Schmelzanteile der Karies mit niedrigviskösen Kunststoffen, sogenannten Infiltranten. Diese verschließen nach ihrer Aushärtung die Porositäten des Läsionskörpers und arretieren somit die Karies. Der Vortrag stellte verschiedene neuartige Strategien zur mikroinvasiven Behandlung von Karies vor und beschrieb deren klinische Anwendung. Die Vor- und Nachteile der Konzepte und Systeme wurden ebenso diskutiert wie die Auswirkungen des Versiegelns kariöser Zahnhartsubstanzen.

Zahntransplantationen

Den Abschluss der Vorträge bildete Dr. Hubertus van Waes aus Zürich zum Thema „Zahntransplantationen“. Zahnlücken nach Trauma oder bei Nichtanlagen können mittel-und langfristig schwierig zu versorgen sein. Voraussetzung für eine ästhetisch und funktionell optimale prothetische Versorgung ist ein genügendes Knochenangebot. Aufgrund des fehlenden Alveolarfortsatzwachstums im Bereich der Lücke ist aber das Knochenangebot oft ungenügend, weil mit dem Zahn die Grundvoraussetzung für ein normales Alveolarfortsatzwachstum fehlt. Hier kann es bei entsprechendem Spenderangebot sinnvoll sein, Zähne aus anderen Bereichen des Gebisses in die Lücke zu transplantieren, um damit einerseits eine prothetische Versorgung vorzunehmen, andererseits aber auch um Alveolarfortsatzwachstum zu generieren, das dann später – selbst bei Verlust des transplantierten Zahnes – prothetisch nutzbar ist. Aus den gleichen Überlegungen kann es auch sinnvoll sein, tief frakturierte Zähne intraalveolär nach koronal zu transplantieren. Damit können Wurzeln unter Umständen prothetisch genutzt werden oder zumindest kann der Knochenverlauf verbessert werden. Zur Transplantation eignen sich primär Zähne mit unvollständigem Wurzelwachstum. Hier sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Revaskularisation der bei der Transplantation abgetrennten Pulpa am besten. Falls die Revaskularisation erfolgreich ist, kommt es in der Regel zu einer Obliteration des Pulpakavums. Falls keine Revaskularisation stattfindet, können durch die nekrotische Pulpa Resorptionen und andere Komplikationen verursacht werden. Eine Wurzelbehandlung ist dann unumgänglich, wobei diese bei offenem Apex technisch anspruchsvoll ist. Alternativ zu einer Wurzelbehandlung sind heute auch therapeutische Revaskularisationen möglich. Zähne mit abgeschlossenem Wurzelwachstum können ebenfalls transplantiert werden. Eine Wurzelkanalbehandlung ist hier wegen der fehlenden Revaskularisationsmöglichkeit aber unumgänglich.

Dr. Ute Mayeroffice.oegk@gmx.at

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