Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Patientensicherheit im Fokus

Der Deutsche Kongress für Versorungsforschung, der gemeinsam vom Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF) und dem Aktionsbündnis Patienten-sicherheit (APS) getragen wurde, fand vom 30. September bis 2. Oktober in Bonn statt. Eine Botschaft kam deutlich heraus: Jeder durch Risiko-Management vermiedene Patientenschaden nützt allen Beteiligten. Reden über Fehler setzt Vertrauen und offene Kommunikation voraus. Und jeder Fehler nutzt, da man von ihm lernen kann.

Der Kongress, der jährlich stattfindet, versteht sich als Plattform, um die an der Versorgungsforschung im Gesundheitswesen beteiligten Akteure zusammenzuführen und Experten aus Wissenschaft und Praxis zu vernetzen. Als konkretes Thema der Versorgungsforschung stand in diesem Jahr die Patientensicherheit im Mittelpunkt – was in der Fachwelt auf großes Interesse stieß, wie die Zahl von mehr als 650 Teilnehmern belegte. Ein Thema, das auch die Politik sehr bewegt. So kam rechtzeitig zu Beginn des Kongresses die Botschaft aus dem Bundesgesundheitsministerium, dass Minister Philipp Rösler die Schirmherrschaft über das Aktionsbündnis Patientensicherheit übernommen hat.

Auf Landesebene spiele der Bereich ebenfalls eine große Rolle, wie Marlis Bredehorst, Staatssekretärin im nordrhein-westfälischen Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, darlegte. Dazu gehöre das Handling von Risiken und Fehlern im Gesundheitswesen. Man müsse mit ihnen offensiv umgehen und sie als Chance zum Besserwerden begreifen. Wichtig sei, einen Mentalitätswandel hin zu einer offenen Fehlerkultur zu entwickeln. Fehler in der Medizin führten nicht nur zu körperlichen Schäden, sondern auch zu höheren Kosten in der Versorgung. Die neue Koalition in Nordrhein-Westfalen wolle ihre Gesundheitspolitik verstärkt auf die Rolle des Patienten ausrichten.

No-Blame-Ansatz

Das Thema sei auf dem Deutschen Ärztetag vor fünf Jahren als Handlungsschwerpunkt beschlossen worden, unterstrich Ärztepräsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe. Die Initiative des APS sei maßgeblich von der Ärzteschaft getragen. Mit einer beachtlichen Bilanz, wie Hoppe hervorhob. Statt Misstrauen und Vertuschung müsste der Ansatz des „No-Blame“ verstärkt greifen, forderte Hoppe. Hier werde die Ärzteschaft auch künftig entsprechende Forschungsvorhaben unterstützen. Ganz wichtig sei das Prinzip der Freiwilligkeit bei Fehlermeldungen.

Prof. Dr. Matthias Schrappe, Leiter des im letzten Jahr neu gegründeten Instituts für Patientensicherheit in Bonn und Kongresspräsident, verwies auf die führende Rolle NRWs in diesem Forschungsbereich. Das Motto „Safety meets Evidence“ sei aber auch von bundesweiter Bedeutung. Es gelte, den Bogen von der Forschung bis zur Medizinerausbildung zu spannen und Patientensicherheitsaspekte auch dort zu etablieren.

Im Bereich des Umgangs mit Fehlern habe sich schon einiges getan, wie der Vorsitzende des vor fünf Jahren gegründetenAPS, Dr. Günther Jonitz, erläuterte. Er verwies auf diverse APS-Projekte und Initiativen wie Vermeidung von Eingriffsverwechslungen, das Krankenhaus-Netz CIRS (Critical Incident Reporting System) oder die Vermeidung von Fremdkörpern bei OPs („Jeder Tupfer zählt“). Vor allem die Broschüre „Aus Fehlern lernen“ (2008) habe die APS nachhaltig bekannt gemacht. Inzwischen sei ein Klimawechsel in Deutschland im Umgang mit Fehlern zu erkennen: „Patientensicherheit ist kein Tabuthema mehr.“ Jetzt gehe es darum, Nachhaltigkeit zu erreichen und die Akzeptanz zu verstetigen.

Die Rolle der Versorgungsforschung bei der Patientensicherheit unterstrich Prof. Dr. Holger Pfaff, Vorsitzender des DNVF. Es gehe darum, Themen zu besetzen und den Kongress als Katalysator für gute Ergebnisse wirken zu lassen.

Befragung vorgestellt

Das Institut für Patientensicherheit stellte auf dem Kongress eine bundesweite Befragung deutscher Krankenhäuser (von 1 820 angefragten antworteten 484) zum Einführungsstand des Klinischen Risiko-Managements vorgestellt. Die Studie wurde vom AOKBundesverband finanziert und vom Deutschen Pflegerat, der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Aktionsbündnis Patientensicherheit unterstützt. Damit liegen nun erstmals verlässliche Informationen zu diesem Bereich vor. Es zeichne sich, so die Interpretation auf dem Kongress, ein Kulturwandel im Umgang mit Fehlern in deutschen Krankenhäusern ab. Hier einige Eckdaten:

• 59 Prozent der Krankenhäuser haben eine schriftlich festgelegte Strategie für das klinische Risiko-Management.• 73 Prozent der Krankenhäuser haben Besprechungen für kritische Vorfälle, Schäden, Komplikationen und Fehler.• 48 Prozent haben ein eigenes CIRS als Fehlerberichts- und Lernsystem eingeführt.• 44 Prozent nutzen Checklisten zur Vermeidung von Patientenbeziehungsweise Eingriffsverwechslungen.• Als Risikoschwerpunkte geben 47 Prozent der Kliniken die Schnittstellen der Versorgung (Aufnahme, Entlassung, Abteilungs- und Schichtwechsel), 35 Prozent die Arzneimitteltherapie und 33 Prozent die Krankenhausinfektion an.

Gerade zur Schnittstellenproblematik dürften künftig verstärkt Handlungsfelder für Forschung, Lehre und Praxis entstehen.

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