Herbst-Symposium der Universität Witten/Herdecke

Einmal quer durch die Zahnheilkunde

Heftarchiv Zahnmedizin
Unter dem Motto „Aus der Wissenschaft in die Praxis“ hatte die Fakultät für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Privaten Universität Witten/Herdecke am 24. Oktober 2009 zu einem Symposium für niedergelassene Kolleginnen und Kollegen eingeladen.

Rund 200 Teilnehmer sind dieser Einladung am Ende der Herbstferien gefolgt und schufen damit einen würdigen Rahmen für die insgesamt zehn Vorträge, in denen Lehrstuhlinhaber und Mitarbeiter der Universität neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus ihren jeweiligen Fachgebieten und insbesondere neue praxisrelevante Ergebnisse aus der eigenen Forschung präsentierten.

Der Tagungsleiter und Dekan der Zahnmedizinischen Fakultät, Prof. Dr. Stefan Zimmer, wies in seiner Begrüßungsansprache auf die Wichtigkeit der Kooperation zwischen niedergelassenen und universitären Kolleginnen und Kollegen hin. Nach seinen Worten ist Zahnmedizin ein wissenschaftlich basiertes Studium, das aber für die tägliche Praxis ausbildet und von dort auch einen sehr starken Input bekommt. Das zeige sich insbesondere in der Implantologie, wo viele Innovationen aus der Praxis kommen. Der thematische Bogen des Symposiums war weit gespannt: von der Primärprävention über minimal-invasive Behandlungstechniken bis hin zur Diagnostik von temporomandibulären Dysfunktionen und der interdisziplinären Therapie von Erwachsenen mit ausgeprägten Bisslageabweichungen und Funktionsstörungen.

Rund um die Parodontologie

So referierte aus der Abteilung für Parodontologie Dr. Jennifer Engel-Schmücker zunächst zum Thema Rezessionsdeckung und zeigte in eindrucksvollen Falldarstellungen verschiedene Operationstechniken wie die Tunneltechnik. Prof. Dr. Joachim Jackowski, Lehrstuhlinhaber für Zahnärztliche Chirurgie, stellte Verfahren der chirurgischen Zahnerhaltung dar und relativierte dabei die Indikation zur Wurzelspitzenresektion im Vergleich zur konservierenden orthograden Wurzelkanalbehandlung. Wenn aber dennoch eine Wurzelspitzenresektion erforderlich ist, zum Beispiel bei Überpressung von Wurzelfüllmaterial, kommt es nach Jackowski auf eine möglichst gewebeschonende Intervention an. Hierbei stellt für ihn die Einführung der Endoskopie in die zahnärztliche Chirurgie einen Quantensprung dar, weil sie es besser als Mikrospiegel ermöglicht, den resezierten Apex sowie die retrograde Füllung zu beurteilen. Kieferorthopädin Dr. Kirsten Staufer stellte in ihrem Vortrag komplexe kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlungsfälle vor, die bei Erwachsenen mit gravierenden Bisslageabweichungen zum Einsatz kamen. Eindrucksvoll zeigte sie, wie sich durch dieses interdisziplinäre Vorgehen nicht nur die Kaufunktion, sondern auch die Physiognomie des Patienten deutlich zum Besseren entwickeln lassen.

Rund ums Bleichen

Im zweiten Vortragsblock beschäftigte sich OA Dr. Ljubisa Markovic aus der Abteilung für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin mit der Thematik des internen und externen Bleichens und zeigte eindrücklich Risiken und Nutzen der verschiedenen Verfahren. Die vielleicht wichtigste Information bestand in der Empfehlung, Wasser statt Wasserstoffperoxid im Rahmen der Walking-Bleach-Methode anzuwenden. Dies führt nach Markovic zu den gleichen Ergebnissen, reduziert jedoch das Risiko zervikaler externer Resorptionen erheblich.

Rund um die Prophylaxe

Aus dem Bereich der Individualprophylaxe lieferte Prof. Zimmer Empfehlungen zur Fluoridierung in der zahnärztlichen Praxis. Er stellte klar, dass bei der Fluoridierung in der Praxis der Fluoridkonzentration der verwendeten Präparate die entscheidende Bedeutung zukommt. So kann bereits durch die zweimal jährliche Applikation eines hoch konzentrierten Fluoridlackes mit 2,26 Prozent Natriumfluorid auch bei Kindern mit hohem Kariesrisiko eine Karieshemmung von 37 Prozent erreicht werden, wohingegen dies bei einem niedrig dosierten Lack (0,1 Prozent Fluorid) auch bei viermal jährlicher Applikation nicht möglich war. Anschließend referierte Prof. Dr. Claudia Barthel-Zimmer über Erfolgsraten von direkten Überkappungen sowie die Desinfektion des Wurzelkanals in der endodontischen Therapie. Sie stellte die Bedeutung multipler Spülungen (Povidonjod, Chlorhexidin und Natriumhypochlorid) heraus, weil sich nur durch einen solchen „Spülcocktail“ bei endodontischen Revisionen Problemkeime wie Enterococcus faecalis beseitigen ließen. Anke Sibbing aus der Abteilung für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin diskutierte in ihrem Referat die Möglichkeiten der Kariesrisikodiagnostik. Bei Zwei- bis Fünfjährigen mit gesundem Milchgebiss empfahl sie die Durchführung eines Mutans-Streptokokken-Tests mit einem Plaqueabstrich. Wenn dieser positiv ausfalle, so Sibbing, habe das betroffene Kind gegenüber einem Negativbefund ein vierfach erhöhtes Risiko, an Karies zu erkranken. Bei Schulkindern empfiehlt die Referentin das Dentoprog-Verfahren, bei Erwachsenen das Cariogram. Beides kann kostenlos aus dem Internet bezogen werden.

Rund ums Röntgen

OA Peter Dirsch aus der Abteilung für Zahnärztliche Chirurgie stellte die Möglichkeiten der digitalen Volumentomographie (DVT) dar, die eine dreidimensionale Darstellung der Hartgewebsstrukturen des Mundes erlaubt. Eindrucksvoll lassen sich mit diesem Gerät dreidimensional knöcherne parodontale Defekte, Nerv-Verläufe und das Knochenbett für die Aufnahme eines Zahnimplantats darstellen. Insbesondere bei voll impaktierten Weisheitszähnen erlaubt das DVT eine genaue Darstellung der Lagebeziehung zwischen Zahnwurzel und Nerv, so dass eine risikoarme Entfernung des Zahnes möglich ist. Dr. Sebastian Becher aus der Abteilung für Parodontologie zeigte in seinem Vortrag die Möglichkeiten der parodontalen Regeneration mit Knochersatzmaterialien und Schmelz-Matrix-Protein-Derivaten. Dabei ging er insbesondere auf die Fragestellung der Kombination beider Verfahren ein. Er schilderte anhand klinischer Fallbeispiele das operative Verfahren und stellte es kritisch vor dem Hintergrund der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur dar.

Den Abschluss des Symposiums bildete der Vortrag von OA Dr. Eckhard Busche aus der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik. Klar strukturiert beleuchtete er die schwierige Thematik der Diagnostik temporomandibulärer Dysfunktionen und stellte ein Ablaufdiagramm an das Ende seines Referats, an dem jeder Zahnarzt relativ einfach sein diagnostisches Prozedere ausrichten kann.

Besucherzahl, Qualität der Vorträge, der kollegiale Austausch zwischen Praktikern und Hochschulangehörigen sowie eine mit 16 Ausstellern reichhaltige Industrieausstellung machten dieses Symposium der Zahnmedizinischen Fakultät der Universität Witten/ Herdecke zu einem vollen Erfolg. Man darf jetzt schon auf das nächste Symposium gespannt sein, das im Herbst 2010 geplant ist.

Prof. Dr. Stefan ZimmerUniversität Witten/HerdeckeAbteilung für Zahnerhaltung undPräventive ZahnmedizinAlfred-Herrhausen-Str. 5058448 Wittenstefan.zimmer@ uni-wh.de

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