Spanische EU-Ratspräsidentschaft

Neuer Vorsitz – alte Probleme

Heftarchiv Gesellschaft
pr
Seit Anfang Januar hat die spanische Regierung den EU-Ratsvorsitz inne. Auf der Tagesordnung für die kommenden Monate stehen auch zahlreiche gesundheitspolitische Themen. Spanien knüpft dabei zum Teil an Vorhaben an, die unter der abgelaufenen schwedischen Präsidentschaft zwischen den EU-Mitgliedstaaten diskutiert wurden. Dies betrifft unter anderem die Richtlinie zu den Patienten-rechten bei der grenzüberschreitenden Versorgung. Den Schweden ist es nicht gelungen, eine politische Einigung zwischen den 27 EU-Ländern über das Regelwerk herbeizuführen.

Zum Jahreswechsel haben die Schweden das Zepter für den Ratsvorsitz der EU an Spanien übergeben. Damit übernimmt das Mittelmeerland für die kommenden sechs Monate die Verhandlungsführung bei den Treffen der EU-Minister, auf denen es darum geht, europäische Rechtsvorschriften zu erörtern und anzunehmen.

Der Ratsvorsitz ermöglicht es einem Land, eigene politische Akzente zu setzen und die Linie für die ministeriellen Entscheidungen vorzugeben. Gleichwohl sollen sogenannte Triopräsidentschaften, bei denen sich drei Länder auf ein gemeinsames Programm festlegen müssen, für eine gewisse Kontinuität sorgen. Die spanische Regierung hat sich daher bereits mit Belgien und Ungarn auf die Arbeitsschwerpunkte für die kommenden eineinhalb Jahre geeinigt (siehe Kasten).

Das gesundheitspolitische Erbe, das Spanien von Schweden übernimmt, ist allerdings eher dürftig. Zwar haben sich die Mitgliedstaaten unter der Führung des skandinavischen Landes auf eine gemeinsame Strategie gegen die Ausbreitung des H1N1-Virus geeinigt und damit bewiesen, dass sie in der Lage sind, auf außerplanmäßige Gesundheitsgefahren schnell und effizient zu reagieren.

Positiv für sich verbuchen kann die schwedische Regierung auch, dass die EU-Staaten künftig verstärkt gegen den Missbrauch von Alkohol vorgehen wollen. Ferner haben sich die Mitgliedstaaten Ende Dezember dazu verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren nationale Gesetze gegen das Rauchen am Arbeitsplatz sowie in öffentlichen Räumen und Verkehrsmitteln zu erlassen. Darüber hinaus wollen die Staaten künftig enger bei der Forschung über Demenzerkrankungen zusammenarbeiten und Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika setzen, um eine weitere Ausbreitung multiresistenter Erreger zu verhindern.

Magere Bilanz

Aber selbst schwedische Fachleute aus dem Gesundheitswesen, wie die in Brüssel tätige gesundheitspolitische Analystin Kajsa Wilhelmsson, bescheinigen den Schweden nur eine recht magere Bilanz: „Der schwedischen Regierung ist es nicht gelungen, Vorhaben mit weitreichender Bedeutung für die europäischen Patienten und Gesundheitsdienstleister durchzusetzen“, so Wilhelmsson.

Dies gilt insbesondere für die Richtlinie zu den Rechten der Patienten bei der grenzüberschreitenden medizinischen Versorgung. Die schwedische Regierung hatte sich vorgenommen, eine politische Einigung zwischen den EU-Ländern herbeizuführen. Aber just Spanien gelang es, dies mit Unterstützung einiger mittel- und osteuropäischer Länder zu verhindern, mit dem Versprechen, die Diskussionen unter der eigenen Präsidentschaft weiterzuführen, um die bestehenden Rechtsunsicherheiten zu klären. Diese betreffen vor allem die Einbeziehung vertraglich nicht gebundener Gesundheitsdiensleister in den Anwendungsbereich der Richtlinie sowie die Definition des Versicherungsmitgliedstaates.

Insbesondere Spanien fürchtet, dass dieser Punkt verknüpft mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Kostenübernahme von Auslandsbehandlungen das heimische Gesundheitssystem überfordern könnte, da viele Ausländer in Spanien ihren Wohnsitz haben. Bei den geplanten Vorschriften zur öffentlichen Information über verschreibungspflichtige Arzneimittel konnten die Skandinavier ebenfalls keine Fortschritte erzielen. Das Vorhaben wurde auf Eis gelegt und steht auch in den kommenden sechs Monaten nicht auf der Tagesordnung. Die Spanier haben sich lediglich vorgenommen, die Verhandlungen über gesetzliche Vorschriften im Umgang mit gefälschten Arzneimitteln sowie im Bereich Pharmakovigilanz voranzutreiben.

E-Health

Eins der wichtigsten gesundheitspolitischen Vorhaben unter spanischer Präsidentschaft wird indes sein, den Einsatz von elektronischen Patientenakten, elektronischen Verschreibungen, digitalen Röntgenbildern sowie Patienteninformationen über das Internet voranzutreiben. Spanien baut dabei auf einem unter schwedischer Ratspräsidentschaft verabschiedeten Papier auf.

Ziel ist es, die grenzüberschreitende Interoperabilität der Technologien unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben zu fördern und die Akzeptanz der elektronischen Dienste bei Patienten und Angehörigen von Gesundheitsberufen zu erhöhen. Die Mitgliedstaaten sind zudem dazu aufgefordert, „elektronische Gesundheitsdienste in den Rahmen der Programme zur Reform des Gesundheitswesens einzuordnen und gezielte finanzielle Anreize für die Einrichtung solcher Dienste einzuführen“, wie es im entsprechenden Ratsdokument heißt.

Zu den Punkten, die ebenfalls ganz oben auf der Agenda des Rates im Bereich Gesundheit stehen, gehört die EU-Richtlinie zur Qualität und Sicherheit von Organtransplantationen. Den Spaniern dürfte es allerdings schwer fallen, hier eine Einigung zu erzielen. Denn das von der EU-Kommission angestoßene Gesetzgebungsvorhaben findet nicht in allen Ländern Anklang. Vor allem Staaten mit bewährten Strukturen in der Transplantationsmedizin, wie Deutschland, haben sich bislang gegen eine europaweite Harmonisierung der Gesetzgebung ausgesprochen.

Auf die Spanier kommt daher die schwierige Aufgabe zu, einen Mittelweg zu finden, der sowohl Ländern mit einer qualitativ hochwertigen Transplantationsmedizin gerecht wird, als auch solchen, die hier erst völlig am Anfang stehen, wie die meisten osteuropäischen Staaten.

Petra SpielbergChristian-Gau-Straße 2450933 Köln

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