Der besondere Fall

Lingualtechnik zur Therapie bimaxillärer Engstände bei Erwachsenen

221096-flexible-1900
Heftarchiv Zahnmedizin
Ein 46-jähriger Patient stellte sich im Rahmen einer Erstuntersuchung mit dem Wunsch nach ästhetischer Korrektur seiner Zahnfehlstellung und Verbesserung der intraoralen Hygienefähigkeit vor.

Die klinische Untersuchung ergab intraoral ein konservierend und prothetisch versorgtes Gebiss. Der kieferorthopädische Befund zeigte im frontalen Ober- und Unterkiefer ausgeprägte Engstände mit starken Abrasionen der Inzisalkanten (Abbildung 1a). Insbesondere imponierte die extreme Lückeneinengung für die Zähne 11, 21 und 31. Zahn 16 war zu diesem Zeitpunkt nur provisorisch versorgt. Es lag eine neutrale Verzahnung im Eckzahn- und Molarenbereich vor.

Röntgenologisch war eine geringgradige parodontale Destruktion mit generalisiert horizontalem Knochenabbau im Bereich des Oberkiefers sichtbar (Abbildung 1b). Die Auswertung des Fernröntgenseitenbildes zeigte eine neutrale Bisslage.

Behandlungssystematik

Der Patient wünschte eine möglichst wenig sichtbare Behandlung, da er beruflich im Kundendienst tätig war. Das Behandlungskonzept sah im Einzelnen folgende Behandlungsmaßnahmen vor:

• Präorthodontische Parodontaltherapie zur Behandlung der marginalen Entzündung

• Orthodontische Behandlung mit Lingualapparatur (Incognito T. O. P. Service, Bad Essen, Deutschland; Abbildung 2 a bis c) und folgenden Behandlungszielen:

- Transversale Zahnbogenausformung

- Auflösen der Frontengstände mit Einstellung 11, 21 und 31

- Intrusion der Unterkieferfront

• Postorthodontische Phase (Abbildung 3a bis b) mit permanenter Retention (3–3 Kleberetainer, Tiefziehschienen)

Diskussion

Platzmangel und Engstände sind die häufigste Zahnstellungsanomalie im menschlichen Gebiss [Staufer und Landmesser, 2004]. Besonders bei erwachsenen Patienten besteht eine verstärkte Nachfrage nach einer Zahnkorrektur durch eine kieferorthopädische Apparatur im nicht sichtbaren Bereich [Fritz et al., 2002; Fuck et al., 2005]. Behandlungsmethoden, beispielsweise die klassische Multibandbracketapparatur von vestibulär, gefertigt aus Stahl oder Keramik, werden vielfach ästhetisch anspruchsvollen Patienten nur wenig gerecht. Für solche Patienten bietet die Lingualtechnik eine gute therapeutische Alternative. Im Vergleich zur labialen Straight-wire-Technik bestehen bezüglich Indikations- und Kontraindikationsstellung [Scuzzo und Takemoto, 2003; Gormann und Smith, 1991] nur wenige Unterschiede. Im stark parodontal reduzierten Gebiss ist jedoch anderen Kraftsystemen wie zum Beispiel der Segmentbogentechnik den Vorzug zu geben [Diedrich, 1990, 1993; Schwindling, 1991].

Zur Auflösung von frontalen Engständen oder von Platzmangel im Allgemeinen gibt es unterschiedliche Lösungsansätze: transversale Dehnung und Streckung in sagittaler Richtung, Distalisieren von Seitenzähnen, Extraktion von Zähnen oder die approximale Schmelzreduktion.

Im vorliegenden Patientenfall erfolgte die Platzgewinnung für die Ausformung der Frontzahnsegmente im Ober- und Unterkiefer durch Protrusion und transversale Zahnbogenausformung. In beiden Kiefern wurden die frontalen Engstände schrittweise durch ein stufenweises Einligieren der ersten Bögen (Abbildung 2a bis b) aufgelöst. Zahn 31 wurde daher zunächst nicht in die Lingualapparatur eingebunden.

Expansionsstops auf den ersten Bögen (.014 Niti) ermöglichten zusätzlich unter Ausnutzung der friktionsfreien Hilfsslots der Unterkieferfrontzahnbrackets ein schonendes Ausformen des oberen und des unteren Zahnbogens. Intermaxilläre Gummizüge (up-anddown elastics) auf Kompositbuttons von vestibulär ermöglichten während der Endphase der aktiven orthodontischen Behandlung eine optimale Interkuspidation.

Als nachteilig wurden vom Patienten die Einengung des Zungenraumes durch die linguale Apparatur und die dadurch verursachten Irritationen empfunden. In den ersten zehn Tagen nach Eingliederung berichtete er von Schwierigkeiten bezüglich Aussprache und Phonetik. Irritationen auf der Zungenseite im posterioren Bereich (erster und zweiter Molar) konnten durch einfache Kompositverkleidungen im Bereich der Bogenenden umgangen werden.

Die nach Ausformen der Zahnbögen deutlich imponierenden Abrasionen der Schneidezähne wurden kurz vor Entfernung der Apparatur durch subtraktive Maßnahmen (Finieren und Politur mittels Sof-Lex Scheiben) ästhetisch verbessert, jedoch ohne den Charakter der Dentition zu stark zu verändern.

OÄ Dr. Britta A. JungUniv.-Prof. Dr. Dr. Heiner WehrbeinUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzPoliklinik für Kieferorthopädie,Augustusplatz 255131 Mainzbrjung@uni-mainz.de

Praxis Dr. Philipp Schulz, Dr. Christof UrbanekBebenburgstr. 991301 Forchheim

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