Neurologie

Demenz – innovative Ansätze sind gefragt

Die Demenz ist ein noch relativ „junges medizinisches Thema“: Erst vor rund 100 Jahren wurde sie als Krankheit anerkannt. Vor dieser Zeit galten demenzielle Erkrankungen als Ausdruck eines fortgeschrittenen Alters. In schweren Fällen führten sie nicht selten zur Einweisung der Betroffenen in eine „Irrenanstalt“. Trotz aller Bemühungen um den Fortschritt ist die Behandlung der Demenz allerdings bis in die heutige Zeit eine der großen medizinischen Herausforderungen geblieben.

Erwähnt wurden demenzielle Syndrome bereits in den medizinischen Schriften des römischen Reiches, wobei der „Verfall des Geistes“ damals allgemein dem Alter zugeschrieben wurde. Erst vor gut 100 Jahren beschrieb der Psychiater Alois Alzheimer spezifische Gehirnveränderungen bei der Patientin Auguste D., die nach einer mehrjährigen Demenz verstorben war. Bei der Untersuchung des Gehirns der Frau entdeckte Alzheimer Plaques und Fibrillen, was dazu führte, dass die Erkrankung nach ihm benannt wurde. „Mit der Entdeckung Alzheimers erfolgte erstmals die medizinische Charakterisierung einer Demenz“, berichtete Prof. Dr. Wolfgang Maier aus Bonn dort bei der Veranstaltung „Wunderkammer Wissenschaft“, zu der das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) eingeladen hatte.

Klassifizierung der Demenzen

In den folgenden Jahrzehnten bemühten sich die Forscher laut Maier vor allem darum, die verschiedenen Demenzerkrankungen genauer zu beschreiben und neuropathologische Charakteristika der verschiedenen Krankheitsformen dingfest zu machen. Differenziert wurden beispielsweise die Frontalhirndemenzen, die Lewy-Körper-Demenzen, Demenzen bei einer Parkinson-Erkrankung sowie vaskuläre Demenzen. Fast alle Krankheitsformen treten laut Maier erst in höherem Lebensalter auf, wenngleich es in einzelnen Familien gehäuft auch zu demenziellen Erkrankungen in jüngeren Jahren kommt.

Typisch für die Demenzen ist ein progredienter Verlauf: „Das Fortschreiten der Erkrankung lässt sich leider auch in den Zeiten der modernen Medizin langfristig noch nicht aufhalten“, betonte der Mediziner in Bonn. Eine wesentliche Ursache hierfür liegt nach seinen Worten darin, dass nach der Beschreibung durch Alzheimer für viele Jahrzehnte die genaue Charakterisierung der Demenzformen Dreh- und Angelpunkt der Forschung war. Dies lag begründet in der Tatsache, dass sich die Forschungsaktivitäten im Wesentlichen auf die Untersuchung der Gehirne verstorbener Patienten fokussieren mussten. Damit stand zwangsläufig praktisch das Demenz-Endstadium im Fokus der Wissenschaft.

Das hat sich durch die Möglichkeiten der modernen Bildgebung geändert. Dieser ist zu verdanken, dass nunmehr zunehmend auch frühere Demenzstadien untersucht werden können. Es zeigte sich, dass vor allem ein Defizit von Acetylcholin mit der Demenz assoziiert ist, eine Erkenntnis, die bereits zur Entwicklung wirksamer Anti-dementiva geführt hat. Mit den Wirkstoffen Donezepil, Rivastigmin und auch Galantamin stehen drei Acetylcholinesterasehemmer für die Demenzbehandlung zur Verfügung. Sie hemmen das Acetylcholinabbauende Enzym und verbessern so die Verfügbarkeit des Neurotransmitters.

In den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde laut Maier außerdem dokumentiert, dass der Botenstoff Glutamat eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung im Gehirn spielt, was ebenfalls zur Entwicklung entsprechender Therapieregime führte. So gibt es mit Memantine einen Wirkstoff, der die Verfügbarkeit des Botenstoffs Glutamat verbessert.

Zwar sind beide Therapieregime klinisch wirksam, heilen können sie nach Maier die Demenz jedoch nicht. Die klinische Wirksamkeit ist vielmehr limitiert, die Krankheitsprogression lässt sich durch die Medikamente verzögern und es kann auch zu Aufhellungen der kognitiven Fähigkeiten kommen. Die Effekte sind jedoch nur vorübergehend – ein eher enttäuschendes Resultat einer rund hundertjährigen Forschungsaktivität.

Hoffnung auf innovative Therapieansätze

Doch es gibt nach Ansicht von Prof. Maier durchaus Hoffnungen, auch bei der Behandlung der Demenzen in absehbarer Zukunft einen Durchbruch erzielen zu können. Der Mediziner gründet diese Einstellung darauf, dass sich in den 80er-Jahren eine „schlagkräftige Grundlagenforschung zur Alzheimer-Krankheit“ formiert hat. So konnte nachgewiesen werden, dass sich die Erkrankung durch Mutationen in spezifischen Genen manifestiert und zwar vor allem in den Genen, die für das Amyloid-Vorläuferprotein kodieren.

Solche Mutationen können die in einzelnen Familien zu beobachtende, frühzeitige – also vor dem 50. Lebensjahr auftretende – Alzheimer-Krankheit, als monokausal verursacht erklären. Die beschriebenen Mutationen zeichnen aber nicht für die im höheren Lebensalter auftretende Alzheimer-Krankheit verantwortlich. Sie sind laut Maier dennoch hilfreich bei der Entwicklung von Hypothesen zur Krankheitsentstehung. So wird derzeit davon ausgegangen, dass die Erkrankung analog der genetisch determinierten Krankheitsform auf eine verstärkte Bildung oder einen verminderten Abbau des Proteins Amyloid zurückgeht und die sich dadurch bildenden Amyloid-Plaques.

Auf dem Boden der jüngsten Forschungen ist es nach Maier außerdem möglich geworden, transgene Tiermodelle zu ent wickeln, mit deren Hilfe sich die Krankheitsentstehung besser als bisher untersuchen lässt. „Wer die Ursachen und das Krankheitsgeschehen versteht, kann auch Strategien erarbeiten, um den Prozess zu stoppen“, so Maier.

Thema: Impfung gegen die Alzheimer-Krankheit

Große Hoffnungen wurden und werden nach seiner Darstellung in die Immuntherapie gesetzt, die vor allem unter dem Schlagwort „Impfung gegen Alzheimer“ bekannt wurde. Dem Ansatz liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich Antikörper gegen das – aus dem Amyloid-Vorläuferprotein gewonnene – toxische Eiweißfragment Aß, das maßgeblich für die Erkrankung verantwortlich gemacht wird, bilden lassen. Die Antikörper können durch aktive oder auch durch passive Impfung induziert werden, was im Tiermodell einen Abbau der Amyloid-Plaques zur Folge hatte.

Auch beim Menschen konnte nach Maier gezeigt werden, dass Patienten, die tatsächlich entsprechende Antikörper bilden, mit einem Rückgang der Plaques reagieren. „Die klinischen Erfolge aber blieben weit hinter den Erwartungen zurück“, so Maier. Sie wurden zudem mit schweren Nebenwirkungen erkauft, so dass die Behandlungsversuche zunächst eingestellt wurden. Allerdings wurde die Strategie trotz vieler Rückschläge in den vergangenen Jahren weiterverfolgt. Ob dies jedoch zu einem Durchbruch bei der Behandlung der Demenz führen wird, ist fraglich. Erfolgreich wird die Demenz forschung nach Maier nur sein, wenn es gelingt, die Kräfte zu bündeln, den Wis senstransfer noch zu beschleunigen und ins gesamt die translationale Forschung zu forcieren.

Die Patientenzahl steigt weiter an

Dass dies dringend geboten ist, belegen eindrucksvoll die geschätzten und auf die kommenden Jahre hochgerechneten Krankheitszahlen. So schätzt die Organisation „Alzheimer Disease International“ die Zahl der Demenzkranken auf derzeit mehr als 35 Millionen Menschen weltweit. Das entspricht einem Inzidenzzuwachs von zehn Prozent seit dem Jahr 2005, wobei die wichtigste Ursache hierfür die steigende Lebenserwartung der Menschen ist. Die Organisation geht davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten in den kommenden 20 Jahren verdoppeln wird, also weltweit betrachtet im Jahr 2030 bei rund 66 Millionen liegen wird.

Es handelt sich hierbei nach Prof. Maier sogar noch um eine deutlich zu gering geschätzte Zahl, da lediglich die Daten zur Alzheimer-Demenz hochgerechnet wurden. Die Zahl der tatsächlichen Demenzpatienten dürfte noch weit höher ausfallen. Denn die Alzheimer-Demenz macht insgesamt nur zwei Drittel aller Demenzfälle aus.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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