KZBV und KZVen fordern Abschaffung der Budgets

Puffertage sind Notmaßnahmen

Wie gerechtfertigt die Forderung nach Abschaffung der Budgets in der zahnärztlichen Versorgung des GKV-Systems ist, zeigt sich auch in diesem Jahr mit voller Härte. In Bayern hat die KZVB angesichts weitgehender Ausschöpfung des AOK-Budgets Puffertage ausgerufen, in Berlin ist die Versorgung konservierender Leistungen laut KZV zunehmend gefährdet. Wieder einmal wird die Patientenfeindlichkeit der Budgetierung offenbar – ein trauriges Lehrstück über Finanzströme in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ein Grund, der fatale Folgen für die Budgetsituation in Bayern hatte, liegt wohl in der geringen Leistung, die die AOK der KZVB zukommen lässt: Während die Ersatzkassen über 200 Euro pro Mitglied und Jahr als maximale zahnärztliche Gesamtvergütung finanzieren, zahlt die AOK nur 158 Euro pro Mitglied. Dass diese Systematik hinkt, zeigen schon die extremen Unterschiede in den Vergütungen. In Berlin ist die Lage ebenfalls bedrohlich. Der Hauptgrund für die dortige Budgetüberschreitung von 12,49 Prozent, das entspricht 7,6 Millionen Euro, wird ebenfalls darin gesehen, dass die AOK Berlin-Brandenburg weniger Geld pro Mitglied für zahnmedizinische Leistungen zur Verfügung stellt, als ihre Mitbewerber, so die KZV Berlin. Damit würden die Pro-Kopf-Ausgaben der AOK um etwa 20 Prozent unterhalb dessen liegen, was andere Krankenkassen zur Verfügung stellten.

Und während in Berlin noch gewarnt wird, ist der Konflikt in Bayern bereits eskaliert: Als die KZVB auf den Missstand des fast erschöpften Budgets hinwies, stellte die AOK keine weiteren Mittel für ihre rund vier Millionen Versicherten im Bereich zahnerhaltende Maßnahmen für 2010 zur Verfügung. Nach fünf ergebnislosen Verhandlungsrunden der Selbstverwaltungsakteure rief die KZVB Puffertage aus, die AOK als mitgliederstärkste Kasse im Freistaat wandte sich ans Schiedsamt.

Unterdeckung im Freistaat von 30 Millionen Euro

Wie in Berlin wirft die KZV in Bayern der AOK vor, allein die Schuld an der Misere zu tragen. Rund 500 Millionen Euro hat etwa die AOK Bayern 2010 den süddeutschen Zahnärzten zugesichert. Viel zu wenig, wie sich wieder einmal herausstellte, denn es zeichne sich eine „Unterdeckung von über 30 Millionen Euro“ ab, so die KZVB. „Die Verantwortung für die Puffertage trägt einzig und allein die AOK Bayern“, betont KZVB-Chef Dr. Janusz Rat. Die Krankenkasse habe sich bei den Verhandlungen „keinen Millimeter“ bewegt und damit das Scheitern in Kauf genommen. Es könne nicht sein, dass die Zahnärzte nun die Zeche für die zu gering bemessen Budgets der AOK zahlen müssten. Der beste Beweis dafür sei auch, dass es bei keiner anderen großen Krankenkasse Probleme diesen Ausmaßes gäbe. Sowohl bei den Ersatzkassen als auch bei den Betriebskrankenkassen würden die Budgets ausreichen.

AOK Bayern lehnt Nachforderungen ab

Die bayerische AOK wiederum lehnt die Nachforderungen ab. Auf der Homepage verteidigt sich die Kasse mit der Argumentation, ausschließlich die falsche Verteilung der zahnärztlichen Honorare durch die KZVB sei Schuld an der aktuellen Festsetzung der Puffertage. Die AOK Bayern erfülle die gesetzlichen und vertraglichen Honorarverpflichtungen in vollem Umfang. Ihr kurzer Schluss: „Wir erwarten deshalb, dass unsere Versicherten auch in vollem Umfang behandelt werden.“

Die bayerische Landeszahnärztekammer hatte angeboten, im Streit zwischen der KZVB und den betreffenden Kassen zu vermitteln. Bei einer von ihr initiierten Diskussion am 20. Oktober 2010 über den künftigen Kurs verfassten die Veranstaltungsteilnehmer eine Resolution, in der die Bayerische Staatsregierung aufgefordert wird, die seit 1993 bestehende Budgetierung zahnärztlicher Leistungen in Bayern unverzüglich und auf Dauer per Gesetz abzuschaffen. Eine Forderung, die die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen auf Bundesund Landesebene gerade auch im Vorfeld der aktuellen Gesundheitsreform aktiv eingebracht hatten.

Vor Ort bleibt es indes bei Notmaßnahmen: Mit den von der KZVB ausgerufenen Puffertagen als Bremse soll nun innerhalb des Geltungszeitraumes vom 11. Oktober bis 31.Dezember 2010 die Unterdeckung des AOK-Budgets um die von der KZVB errechneten 30 Millionen Euro ausgeglichen werden. Bayerns Zahnärzte wurden von der KZVB aufgerufen, dabei nur das Notwendigste für die AOK-Versicherten zu tun und Leistungen, die zahnmedizinisch nicht zwingend nötig sind, auf das nächste Jahr zu verschieben. Der KZVB-Vorsitzende verteidigt den Schritt als Notwehr: „Man kann doch auch nicht der Feuerwehr das Löschwasser begrenzen.“ Ausgenommen sind dringende Fälle, so Rat. Vielmehr sind etwa Schmerzspritzen beim Bohren gemeint, oder der Austausch unansehnlicher Füllungen. Die Puffertage richten sich neben der AOK auch an die Kassen der Bundes-Knappschaft und der IKK Wohnortkassen.

Begrenzte Mittel bedeuten begrenzte Leistung

Doch damit droht das Honorar der rund 8 600 bayerischen Landes-Zahnärzte an diesen Puffertagen um bis zu zwei Drittel zu schrumpfen; Bayerns Zahnärzte sind daher auf den Barrikaden. Sie gründeten in München ein „Aktionsbündnis gegen Puffertage“. Als Sofortmaßnahme fordert das Bündnis die Bereitstellung zusätzlicher Mittel durch die Krankenkasse. Wie KZBV und die Landes-KZVen, verlangt auch das Bündnis die Abschaffung der Budgetierung zahnärztlicher Leistungen, wie dies die schwarz-gelbe Koalition versprochen hat.

In das gleiche Horn stößt der Vorstandsvorsitzende der KZV Berlin, Dr. Jörg-Peter Husemann: „Seit 16 Jahren, seit Einführung der Budgetierung, führen die KZVen eine Mangelverwaltung durch, in dem die Honorarverteilungsmaßstäbe umgesetzt werden müssen, die diesen Mangel auf alle Zahnärzte verteilen. Rationierung, ja Strangulierung, das ist die Leistungsvergütung, von der die AOK behauptet, sie sei ausreichend.“ Die AOK wisse dies zwar, trage aber den Konflikt mit der KZV Berlin auf dem Rücken der Schwächsten aus. Dieses Verhalten sei beschämend für eine Krankenkasse, die sich selbst als Partner junger Familien sehe, so Husemann.

Schon lange fordert die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) von der Politik die Abschaffung des Budgets. Der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz, stellt sich denn auch eindeutig an die Seite der Kollegen: „Die Zahnärzte in Bayern handeln nur konsequent. Wenn das Geld nicht reicht, trifft es immer die Patienten. Begrenzte Mittel bedeuten immer begrenzte Leistungen. Notwendige Leistungen müssen von den Krankenkassen auch bezahlt werden, sonst können sie nicht erbracht werden. Die KZBV hat Vorschläge gemacht, wie man diese Mangelwirtschaft abschaffen kann. Das ist ein Problem in ganz Deutschland. Die Politiker in Berlin sind gefordert“, so Fedderwitz (siehe Infokasten).

Kinderzahnärzte sehen Versorgung gefährdet

Der Bundesverband der Kinderzahnärzte sieht durch die überknappen Budgets gar die zahnmedizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen gefährdet. „Wir Kinderzahnärzte sind besonders stark davon betroffen, dass die AOK den Geldhahn zudreht“, erklärt Dr. Jacqueline Esch, Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Kinderzahnärzte und Sprecherin der Kinderzahnärzte in Bayern. Auch die „Bürgerinitiative Gesundheit“ in der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten kritisierte das Vorgehen der AOK. „Es besteht die Gefahr, dass die Entwicklung Schule macht und sich auf das Bundesgebiet im Sinne von Abbau in der Versorgungsqualität ausdehnen wird“. Mangelhafte politische Entscheidungen und die ungeheure Kaufkraft der gesetzlichen Krankenkassen führten zu Qualitätseinbußen in der gesundheitlichen Versorgung und zu ungerechtfertigtem wirtschaftlichen Druck auf Zahnärzte sowie andere Berufsgruppen und Institutionen. Dieser Entwicklung müsse im Sinne eines Erhalts, Ausbaus sowie einer Wiederherstellung von Qualität und Versorgungsstrukturen dringend Einhalt geboten werden.

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