Betriebliches Eingliederungsmanagement

Behutsamer Wiedereinstieg

Psychische Krankheiten und die daraus resultierenden Ausfalltage steigen an. Je nach Schwere der psychischen Probleme fällt ein Mitarbeiter schon einmal monate- oder auch jahrelang aus. Die Wiedereingliederung ist schwer, sowohl für den Mitarbeiter, der sich nach langer Auszeit erstmalig wieder einige Stunden an seinem Arbeitsplatz aufhalten darf, als auch für den Arbeitgeber. Das Unternehmen muss sich frühzeitig um angemessene Rahmenbedingungen für eine arbeitnehmergerechte Rückführung an den Schreibtisch kümmern.

Sind Betriebe organisatorisch und vor allem „menschlich“ ausreichend auf Wiedereingliederung vorbereitet? Bedingt durch den Altersstrukturwandel werden die Menschen länger arbeiten müssen, das heißt, der Anteil älterer Beschäftigter in Betrieben steigt und mit ihm das Arbeitsunfähigkeitsrisiko. Ältere Arbeitnehmer sind anfälliger für Krankheiten, besonders wenn viele bereits heute an der Grenze ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit angelangt sind. Laut DAK-Angaben sind 50 Prozent aller Fehltage auf Stress zurückzuführen – Tendenz steigend. Das bedeutet für den Arbeitgeber, sich auf den Umgang mit Menschen, die in ihren Job zurückkehren, detailliert auseinanderzusetzen und sich entsprechend vorzubereiten.

„Um die Wiedereingliederung bestmöglich auf die Arbeitssituation des Mitarbeiters abzustimmen, sollte kein starres Konzept verfolgt werden. Ganz im Gegenteil, je nach Krankheit und Aufgabenspektrum des Mitarbeiters sollten individuelle Lösungen zur Wiedereingliederung gesucht werden. Dabei kann im Einzelfall die Arbeitsaufnahme „am Krankenbett“ genauso wirksam sein wie in einer anderen Konstellation vielleicht die Reduktion von Arbeitsstunden ohne je ganz mit dem Arbeiten aufhören zu müssen“, berichtet Dr. Hans-Peter Unger, Chefarzt des Zentrums für seelische Gesundheit der Asklepios-Klinik in Hamburg-Harburg.

Stufen-Rückführung mit reduzierter Stundenanzahl

Damit ein Wiedereinstieg ganz im Sinne des Mitarbeiters funktionieren kann, kommt es im Wesentlichen auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Klinik beziehungsweise behandelndem Arzt und dem Unternehmen an. Ratsam ist ein Ansprechpartner vor Ort, der den Wiedereinstieg gemeinsam mit einem zentralen Ansprechpartner, einer Vertrauensperson, im Unternehmen koordiniert. Sinnvoll ist eine stufenweise Rückführung, die den Mitarbeiter durch eine reduzierte Stundenanzahl ganz behutsam wieder an den Arbeitsalltag gewöhnen soll. In diesem Zeitraum müssen die betreuenden Personen darauf achten, die Arbeitsbelastung für den Betroffenen so gering wie möglich zu halten. Insbesondere wenn der Mitarbeiter gerade wegen zu hoher Arbeitsbelastung ein Burn-Out erlitten hatte. In dieser Übergangszeit spielen das betriebliche Klima und der Umgang mit dem Mitarbeiter eine sehr wichtige Rolle. Denn oft herrscht Ratlosigkeit bei Kollegen wie auch bei Führungskräften über den richtigen Umgang mit dem „Rückkehrer“. In der Praxis zeigt sich leider oft, dass bei einer Wiedereingliederung mehr über als mit dem Betroffenen gesprochen wird. Man schaut weg oder versucht die Person anders zu ignorieren. Das erklärt teilweise, warum eine Rückkehr nach langer Krankheit für viele ein Tabuthema ist. Dem Mitarbeiter wird vom Kollegium signalisiert, er sei schwach – zu schwach, um weiterhin mithalten zu können. Um solchen unangenehmen Szenarien im Betrieb gleich einen Riegel vorzuschieben, sollte der Rückkehrer eine Vertrauensperson und einen engen Vertrauenskreis zur offenen Aussprache erhalten. Das erleichtert ihm den Umgang mit den ehemaligen Kollegen und gibt mehr Selbstwertgefühl. Die Vertrauensperson sollte während des stationären Aufenthalts des Mitarbeiters bereits als Kontaktperson zum Unternehmen fungiert haben. Sie ist dafür zuständig, ihn über alles Wissenswerte in der Firma zu unterrichten und auch seine Fragen offen und ehrlich zu beantworten.

Rückkehrer nicht „allein“ lassen

Idealerweise sollte auch sein Vorgesetzter eng in die Vorbereitungen zur Rückkehr einbezogen werden. Es ist seine Aufgabe, die Kollegen oder das Team über die Krankheit, deren Verlauf und mögliche Anzeichen für Rückfälle aufzuklären. Damit kann sichergestellt werden, dass beim Fortsetzen der Tätigkeit besonderes Augenmerk auf bestimmte Verhaltensweisen beim betroffenen Mitarbeiter gelegt werden kann.

Bisher offenbart die gängige Unternehmenspraxis im Fall einer Wiedereingliederung allerdings häufig noch ein ganz anderes Bild: Mitarbeiter, die durch kurzoder langfristige Abwesenheit wieder zurück an den Arbeitsplatz kommen, werden mit ihrer Regeneration und deren „Nebenwirkungen“ allein gelassen. Führungskräfte wie auch Kollegen fragen nach dem Befinden, gehen aber noch viel zu wenig auf die betroffene Person in ihrer Situation ein. Betriebliche Vertrauensperson – oft noch verzweifelt gesucht.

Silvia HänigEichendorffstr. 2285521 Ottobrunn bei München

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