Die andere Meinung

Plädoyer für eine Gesundheitsbetriebslehre

Nach Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers Andreas Frodl ist auch die aktuelle Gesundheitsreform der Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel nur der x-te Versuch, die Finanzierung des Gesundheitssystems zu verbessern. Dabei würde übersehen, dass es auch gelte, die Rahmenbedingungen für Mediziner zu verbessern, da bereits in der Ausbildung Mängel herrschen.

Die ökonomische Diskussion des Gesundheitswesens wird fast ausschließlich nur aus volkswirtschaftlicher Sicht geführt. In erster Linie geht es bei den zahlreichen Reformen immer um zwei „Stellschrauben“: Erhöhung der Einnahmen und Kürzung der Ausgaben. Die Debatte darüber, wie die mittlerweile mehr als 260 Milliarden Euro im Gesundheitssystem möglichst effizient und effektiv eingesetzt werden (können), tritt eher in den Hintergrund. Dabei gibt es neben den strukturellen Defiziten des Gesundheitswesens beispielsweise auch auf der betriebswirtschaftlichen Ebene der einzelnen Uni-Kliniken, Krankenhäuser, Pflegeheime, Medizinischen Versorgungszentren, Arzt- und Zahnarztpraxen zahlreiche nutzbare Potenziale.

Bis heute erfahren beispielsweise Studenten der Zahnmedizin während ihrer Ausbildung über betriebswirtschaftliche Inhalte jedoch so gut wie gar nichts. Will man die gesundheitspolitische Zielsetzung einer ökonomischen Optimierung verfolgen, so ist ihr Erfolg auch an die Voraussetzung geknüpft, dass die Angehörigen des Gesundheitswesens über betriebswirtschaftliche Ausbildungsgänge, Studieninhalte und passende Weiterbildungsangebote verfügen können. Während Wirtschaftsinformatiker, Wirtschaftsjuristen und Wirtschaftsingenieure selbstverständliche Berufsbilder sind, finden Mediziner und Wirtschaftler hingegen nach wie vor nur schwer zueinander.

Integration ins Studium

Das liegt zum Teil auch an dem berechtigten Misstrauen, dass sich betriebswirtschaftliche Konzepte, die sich möglicherweise in der Industrie bewährt haben, nicht ohne Weiteres auf Gesundheitsbetriebe übertragen lassen. Nur allzu oft sind Gesundheitsökonomen, Healthcaremanager und findige Berater in Anbetracht eines für sie neuen, lukrativen Geschäftsfelds über den Gesundheitsbereich hergefallen und haben versucht, Betriebswirtschafts- und Managementlehre unverändert über Krankenhäuser oder Zahnarztpraxen zu stülpen, nach dem Motto: Was in der Automobilindustrie oder im Bankbetrieb funktioniert, muss doch auch dort funktionieren!

Dem ist aber nicht so: Genauso wenig, wie die Lebensmittel- oder Automobilindustrie innerhalb der Industriebetriebslehre mit- einander ohne Weiteres vergleichbar sind, ist beispielsweise eine Zahnarztpraxis mit irgendeinem Dienstleistungsunternehmen direkt vergleichbar. Die Art der Leistungserbringung am Patienten, das Honorarsystem, die medizinische Ethik und vieles andere mehr unterscheiden sich gravierend vom übrigen Dienstleistungssektor.

Aus diesem Grund ist eine Gesundheitsbetriebslehre als spezielle Betriebswirtschaftslehre des Gesundheitswesens zu etablieren, die sich mit betriebswirtschaftlich wichtigen Themen, wie Unternehmensführung, Planung, Finanzierung und Investitionen, Personalmanagement, Marketing, Organisation, Logistik, Informationswirtschaft, Steuerung und Kontrolle von Gesundheitsbetrieben in ihrer ganz spezifischen Art befasst. Da nicht jedem Zahnarzt ein Gesundheitsmanager zur Seite gestellt werden kann, der wiederum in der Regel über zu wenig zahnmedizinische Fachkenntnisse verfügt, ist es Erfolg versprechender, die betriebswirtschaftlichen Inhalte der Gesundheitsbetriebslehre direkt in das Studium der Zahnmedizin beziehungsweise in die Ausbildung der Zahnmedizinischen Fachangestellten zu integrieren.

Diese Forderung nach einer Integration betriebswirtschaftlicher Inhalte in die zahnmedizinische Ausbildung ist für viele Angehörige des Gesundheitswesens jedoch immer noch undenkbar, ja geradezu empörend: Zu Recht wird die Gesundheit des Menschen als höchstes Gut bezeichnet, das es zu schützen und zu bewahren gilt. Für sie grenzt es daher immer noch an einen Tabubruch, die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit mit ökonomischen Aspekten in Verbindung zu bringen.

Doch gerade sie sind wichtig, um die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens auch für die Zukunft sicherzustellen – und das mehr denn je angesichts steigender Kosten und begrenzter Einnahmemöglichkeiten.

Auf eine eigentlich selbstverständliche Leitmaxime gilt es in der gesamten Diskussion allerdings auch immer wieder ausdrücklich hinzuweisen: Eine medizinische Indikation darf niemals durch ökonomische Erwägungen beeinflusst werden.

Umgekehrt ist allerdings erfolgreiches betriebswirtschaftliches Handeln eine wesentliche Voraussetzung, um eine bestmögliche Versorgung durch das Gesundheitswesen dauerhaft sicherzustellen.•

Dipl.-Kfm. Dr. rer. pol. Andreas FrodlWirtschaftswissenschaftlerund FachbuchautorVon-Kleist-Str. 1885435 ErdingFrodl@t-online.de

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