Der besondere Fall

Selbst ist der Mann

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Es war einmal eine ländliche Zahnarztpraxis in Oberhessen, in der Mitte des Vogelsbergkreises. Dort in Feldatal ist den Autoren während ihrer zwölfjährigen Praxistätigkeit schon wiederholt „Wundersames“ widerfahren, aber dass ein Mann seine Zähne mit Silikon aus dem Baumarkt selbst verfugt, war auch für sie neu.

Was hier gezeigt wird, ist keine Seltenheit in der Praxis von Dr. Thorsten Becker und Tanja Becker. Im Bewusstsein ihrer „erwachsenen“ Patientenklientel ist das Thema Prophylaxe noch lange nicht angekommen. Moderne ästhetische Behandlungskonzepte wie auch moderne parodontologische Behandlungskonzepte lassen sich nur bei einem kleinen Teil der Patienten erfolgreich durchführen. Der Großteil der Bevölkerung im Einzugsbereich der Praxis geht nur bei erheblichen Zahnschmerzen zum Zahnarzt. Die Autoren schreiben: „Wir betreiben hier Basiszahnheilkunde und unsere Patienten wünschen in erster Linie nur die Zahnschmerzbeseitigung. Natürlich bieten wir alle modernen Behandlungsmethoden an und haben auch ein Recallsystem für unsere Patienten eingerichtet. Aber oft werden von uns angebotene Leistungen mit Zuzahlungen oder gar kompletter Privatzahlung als „Abzockerei“ ausgelegt.“

So sei es nicht ungewöhnlich, dass manche Patienten nur alle vier bis fünf Jahre mal vorbeischauen, wenn die Not bereits sehr groß ist. Das Phänomen mit der Not trete übrigens immer verstärkt vor Weihnachten auf, wie auch in der hier ausgewählten Situation.

Der Fall

Der Patient im folgenden Fall ist 51 Jahre alt, unverheiratet und von Beruf Fensterbauer. Er stellte sich erstmals, natürlich mit Zahnschmerzen, am 04.01.2005 in der Praxis vor. Schon damals wurde ihm dringend die Notwendigkeit einer konservierenden Behandlung mit nachfolgender Parodontaltherapie und anschließender prothetischer Sanierung seiner mindestens 20 Jahre alten Zahnersatzversorgung angeraten. Aber nach der Zahnschmerzbeseitigung betrat er die Praxis bis zum 05.12.2009 nicht mehr.

Der Befund

Alle Frontzähne des Patienten zeigten Lockerungsgrad III und der Patient konnte schon seit längerer Zeit nicht mehr richtig abbeißen. Zahnschmerzen verspürte der Patient jedoch noch nicht, weshalb er auch keine Veranlassung sah, zum Zahnarzt zu gehen. Er hatte dann die Idee, seine Zähne selbst zu befestigen. Da er ja als Handwerker im Umgang mit Baumaterialien versiert ist, sah er sich dieser Herausforderung gewachsen. Er kaufte sich im Baumarkt Fugendichtsilikon und umspritzte damit seine Zähne zur Befestigung. Er wählte die Farben „manhattan grau“ und „steingrau“, weil diese billiger waren, als „weißes“ Silikon. Und er achtete seiner Meinung nach auch auf das Biokennzeichen. Ein halbes Jahr lang war der Patient mit dieser Konstruktion recht zufrieden. Aber jetzt, zur Weihnachtszeit, gefiel ihm die graue Farbe seiner Silikonbefestigung doch nicht mehr. Man hätte ihn ja jetzt auch schon auf seine schlechten Zähne angesprochen. Er trat nun mit der Bitte an uns heran, alle seine Zähne zu entfernen und ihm doch möglichst eine schöne weiße Prothese anzufertigen. Natürlich mit dem Wunsch, dass alles noch vor Weihnachten fertig wird. Diesem Wunsch konnte sogar weitgehend entsprochen werden, zumindest was die Entfernung der Zähne betraf.

Therapie und Nachsorge

Die Abbildungen 4 bis 8 zeigen die Situation nach vier monatiger Tragezeit des Zahnersatzes. Nach ausgiebiger Extraktionstherapie und parodontaler Behandlung der Restzähne wurde im Oberkiefer eine Cover-Denture-Totalprothese inseriert und im Unterkiefer eine parodontal abgestützte Teleskopprothese mit verblendeten Teleskopen 34,35,44,45. Es ist dazu folgendes anzumerken: Die Einstellung des Patienten zu seiner Mundhygiene hat sich plötzlich grundlegend geändert. Die Prothese zeigt nach vier Monaten einen ausgezeichneten Pflegezustand, obwohl der Patient starker Raucher ist und vorher ja die bekannten parodontalen Probleme hatte. Alle Pfeilerzähne sind absolut fest und ohne Lockerung, obwohl sie vorher noch Lockerungsgrad I zeigten. Auch die Pfeilerteleskope sind sehr gut gepflegt. Der Patient hat seine Recalltermine nun zuverlässig wahrgenommen. Er ist überglücklich und sagte, dass er nach mehreren Jahren erstmals wieder einen Apfel essen konnte. Auch der Verzehr von Fleisch und frischem Brot bereitet ihm keine Schwierigkeiten mehr. In Zukunft wolle er die Behandlung seiner Zähne doch lieber einem Fachmann überlassen.

Dr. Thorsten BeckerTanja BeckerHochstr. 1236325 FeldatalBeckerDrTh@t-online.de

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