Leitartikel

Achtung: Nebelkerzen

Sehr geehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

hört man aufmerksam in die gesundheitspolitische Runde, sinkt bei den meisten Beteiligten die Zuversicht, dass von dieser Bundesregierung angesichts der akuten Finanzlage noch mehr zu erwarten ist als direkte Maßnahmen zur Kostendämpfung, mehr und mehr gegen null. Dennoch gibt es neben dem in erster Linie diskutierten Thema der GKV-Finanzmisere Aufgaben, die die Politik parallel bearbeitet und einer Lösung zuführen will – unter ihnen nicht zuletzt die zu Zeiten der Großen Koalition aufgenommenen Versuche zur Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ).

Mehr Qualität, mehr Prävention, mehr sprechende Zahnheilkunde und ein umfangreicheres Leistungspektrum bedeuten auch höheren Aufwand. Dem muss die Politik Rechnung tragen.

Auffällig ist, dass – anders als zu Zeiten Ulla Schmidts – mit dem Wachwechsel zu Philipp Rösler auch eine andere Lesart dessen, was politischer Dialog sein kann, ins Bundesgesundheitsministerium eingezogen ist. Hier hat im BMG ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Die Bundeszahnärztekammer wird als ernsthafter Gesprächs- und Diskussionspartner und nicht mehr nur als politischer Gegner wahrgenommen. Fachlicher Rat scheint wieder etwas zu zählen.

Seit der GOZ-Referentenentwurf der Schmidt-Ära auf Eis gelegt wurde, haben im BMG eine Reihe von Arbeitsgruppen- Gesprächen stattgefunden, die unter Beteiligung der BZÄK sachbezogen, offen und konstruktiv geführt wurden.

Man hat die von Wissenschaft und Bundeszahnärztekammer gemeinsam erarbeitete Honorarordnung der Zahnärzte (HOZ) diskutiert und geprüft, aber seitens des BMG auch klar vertreten, dass sie wegen des damit zwingend einhergehenden Honorarzuwachses zur Zeit keine Grundlage für die jetzt anstehende GOZ-Novelle sein kann. Die Übernahme von Maßgaben aus der HOZ unter Absenkung der vorgeschlagenen Honorare würde allerdings zu Verwerfungen im Bewertungsgefüge führen, die aus unserer Sicht nicht praktikabel sind.

Klar ist aber auch geworden, dass die HOZ nur dann funktionieren kann, wenn ihre zwei untrennbar miteinander verbundenen Säulen aus Leistungsbeschreibung und Leistungsbewertung auch in Gänze übernommen werden können. Die HOZ ist als „Komplett-Paket“ geschnürt, kann sinnvollerweise auch nur als solches angenommen werden. Einer einseitigen Übernahme der Leistungsbeschreibung können, das wurde in der ministeriellen Arbeitsgruppe deutlich vermittelt, wir Zahnärzte nicht zustimmen. Hier muss gelten: Mehr Qualität, mehr Prävention, mehr sprechende Zahnheilkunde und ein umfangreicheres Leistungspektrum bedeuten auch höheren Aufwand. Dem muss die Politik Rechnung tragen.

Zur Debatte steht deshalb jetzt ein anderer Gedankengang: Geprüft wird seitens des BMG, ob eine Novellierung, die die bestehende GOZ um derzeit fehlende Leistungen anreichert, angesichts der angespannten Wirtschaftslage nicht einen gangbaren Weg darstellen kann. Und da sich diese Lage nach Einschätzung der Politik zuspitzen wird, spielt natürlich auch der Zeitfaktor hier eine nicht unerhebliche Rolle. Wir werden die weitere Entwicklung in dieser Phase mit wacher Kritik begleiten und uns für Verbesserungen einsetzen.

Keine Bereitschaft zur Diskussion werden wir hingegen zeigen, wenn es um den von den privaten Krankenversicherern vertretenen Plan zur Einführung der sogenannten Öffnungsklausel gehen sollte. Diese Möglichkeit, den zugunsten der Patienten eingeführten Schutzmechanismus der GOZ aus ökonomischen Gründen zu opfern – mit allen nur denkbaren Konsequenzen für die Behandlungsqualität – können und werden wir nicht akzeptieren.

Auch der Hinweis des PKV-Verbands auf die Freiwilligkeit von Patienten und Zahnärzten, solchen jenseits der GOZ abgeschlossenen Verträgen beizutreten und dadurch „mehr Qualität“ zu generieren, ist vor dem Hintergrund der gerade auch von den privaten Krankenversicherern eingeräumten Haushaltsdebakel eher als bewusstes Werfen von Nebelkerzen zu verstehen. Wer hier noch halbwegs klar sieht, kann sich darauf nicht einlassen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer

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